Selbständig Tätige und Rentenversicherungspflicht

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Viele Betroffene wissen es nicht. Auch bestimmte Gruppen von Selbständigen können rentenversicherungspflichtig sein. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Ärger, leider auch zu Schulden in existenzgefährdender Höhe. Betroffene sollten sich möglichst frühzeitig anwaltlich beraten lassen, am besten noch bevor der Rentenversicherung (missverständliche) Angaben zum Inhalt der (ausgeübten) selbständigen Tätigkeit gemacht werden.

Nach § 2 SGB VI sind selbständig tätige Lehrer, Erzieher, Hebammen, Pflegepersonen in bestimmten Pflegebereichen, Hebammen und Entbindungspfleger, Künstler und Publizisten, Seelotsen bestimmter Reviere, Hausgewerbetreibende, Küstenschiffer und Küstenfischer, Handwerker sowie arbeitnehmerähnliche Selbständige rentenversicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht entfällt bei selbständig tätigen Lehrern, Erziehern, Pflegepersonen und arbeitnehmerähnlichen Selbständigen, wenn diese in Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen; bei Küstenschiffern und Küstenfischern erst bei Beschäftigung von vier versicherungspflichtigen Arbeitnehmern. Ein Arbeitnehmer ist (derzeit) versicherungspflichtig, wenn sein monatliches Bruttoeinkommen 450,00 € übersteigt.

In der Beratungspraxis werden insbesondere selbständige Lehrer von der Rentenversicherungspflicht überrascht. Die Rentenversicherung legt den Begriff des Lehrers weit aus und will hierunter jede Tätigkeit verstehen, mit der Wissen oder Können vermittelt wird, sodass hierunter auch Aerobiclehrer, Dozenten, Golflehrer, Fahrlehrer, Fitnesslehrer, Nachhilfelehrer, Reitlehrer, Skilehrer, Tanzlehrer, Tennislehrer und Trainer zu verstehen sind. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht im Fall eines Diätberaters eine Abgrenzung zu solchen Tätigkeiten gefordert, bei denen die Vermittlung von Wissen nur von untergeordneter Bedeutung ist und eine situationsbezogene, anwendungsorientierte Problemanalyse und -lösung im Vordergrund steht (BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 5 RE 23/14 R). Vor diesem Hintergrund wird es im konkreten Einzelfall darauf ankommen, welche Leistungen im Rahmen der selbständigen Tätigkeit genau erbracht werden, und inwieweit hierbei die individuelle Beratung des Kunden oder die Vermittlung von Wissen bzw. Können im Vordergrund steht.

Auch arbeitnehmerähnliche Selbständige werden häufig von der Rentenversicherungspflicht überrascht. Hierunter werden solche Selbständige verstanden, die zwar die rechtlichen und formalen Voraussetzungen der Selbständigkeit erfüllen (insb. in ihren Entscheidungen frei und nicht an Weisungen gebunden sind sowie Arbeitszeit und -ort frei wählen können), aber überwiegend und dauerhaft für einen Auftraggeber tätig sind und selber keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Ist eine Gesellschaft wie ein selbständiger Einzelunternehmer ausschließlich oder größtenteils nur für einen Auftraggeber tätig, kann dies Auswirkungen auf den Sozialversicherungsstatus der Geschäftsführer dieser Gesellschaft haben. Sie können dann ebenfalls rentenversicherungspflichtig sein.

Hat sich ein Selbständiger für die Entrichtung einkommensabhängiger Beiträge entschieden und übt dieser mehrere selbständige Tätigkeiten aus, von denen nur eine versicherungspflichtig ist, kommt es für die Bemessung seiner Beiträge grundsätzlich nur auf sein Einkommen aus der versicherungspflichtigen Tätigkeit an. Diese Einschränkung gilt jedoch nur, wenn sich die von ihm ausgeübten selbständigen Tätigkeiten organisatorisch und sachlich voneinander abgrenzen lassen. Fehlt es hieran, ist bei der Beitragsbemessung auch das Einkommen aus der nicht abgrenzbaren selbständigen Tätigkeit zu berücksichtigen. Maßgebliche Kriterien für die Abgrenzbarkeit sollen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Einheit des Betriebsinhabers, der Betriebsleitung, des Betriebszwecks, der Personalverwaltung, ferner der Umfang der gemeinschaftlich verwendeten Arbeitsmittel und das Ausmaß der betriebsorganisatorischen Verflechtung sein (BSG – Urteil vom 22.10.1987 – Az. 12 RK 22/85).

Betroffene sollten auch über ihre Altersversorgung nachdenken. Mit der Rentenversicherung kann eine solche aufgebaut und ggf. Altersarmut vermieden werden. Bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist der halbe Regelbeitrag zu entrichten; danach der volle. 2018 beträgt der Regelbeitrag in den neuen Bundesländern monatlich 501,27 €, der halbe monatlich 250,63 €. Auf Antrag kann der Versicherungsbeitrag auch einkommensabhängig entrichtet werden. Soweit Beiträge gezahlt werden, sind diese bei der Einkommenssteuer vom zu versteuernden Einkommen als Sonderausgaben abzugsfähig. So sollte sich die Zahlung von Rentenversicherungsbeiträge von Anfang an in das Unternehmenskonzept „einpreisen“ lassen. Bei vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten besteht die Möglichkeit der Stundung; ggf. kann die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Versicherungsbeiträge im Wege des sozialgerichtlichen Eilverfahrens erstritten werden, soweit die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte (z. B. drohende Insolvenz) zur Folge hätte.

Dass die Rentenversicherung erst nachträglich vom Vorliegen der Versicherungspflicht erfährt, sollte unbedingt vermieden werden. Diese kann rückwirkend Beiträge für bis zu vier Jahre erheben. In solchen Fällen wird regelmäßig der jeweilige Regelbeitrag zu entrichten sein, sodass die rückwirkende Beitragserhebung existenzgefährdende Dimensionen annehmen kann.



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