Sind Smartphone-Aufnahmen von Polizeieinsätzen strafbar?

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In den Zeiten der Digitalisierung kommt es mittlerweile immer häufiger zu Vorfällen, bei denen Privatpersonen im Rahmen von Polizeieinsätzen und -kontrollen ihr Smartphone aus der Tasche holen und damit anfangen, die Polizeibeamten aufzunehmen. Meist erfolgt dies, da rechtswidriges Verhalten auf Seiten der Beamten vermutet wird. Nicht selten werden die Personen sodann aber von den Polizeibeamten aufgefordert, die Video-Aufzeichnungen zu unterlassen, mit dem Hinweis, sich durch derartige Aufnahmen strafbar zu machen. Kommen die betroffenen Personen dieser Aufforderung nicht nach, folgt oftmals die Beschlagnahmung des Mobiltelefons und die Einleitung eines Strafverfahrens.

§ 201 des Strafgesetzbuches – Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Dabei stützen sich die Polizei und die Staatsanwaltschaft auf § 201 des Strafgesetzbuches (StGB), der die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stellt. Konkret wird hiernach mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer vertrauliche Gespräche ohne Zustimmung aufzeichnet. Entscheidend ist also die Aufzeichnung des Tons.

Doch ob sich eine Person in dem konkreten Einzelfall tatsächlich strafbar gemacht hat, liegt meist nicht ohne weiteres auf der Hand. Zwar gibt es zu der Frage, ob man sich strafbar macht, wenn man einen Polizeieinsatz mit dem Smartphone aufnimmt, inzwischen zahlreiche Gerichtsentscheidungen. Gleichwohl ist die Rechtslage noch nicht verlässlich geklärt und es herrscht noch immer Unsicherheit – sowohl bei den Bürgern als auch bei der Polizei.

Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 201 StGB ist jedenfalls aber, dass es sich bei dem aufgezeichneten Ton um ein „nichtöffentliches“ Gespräch handelt. Doch gerade hier liegt der Schwerpunkt der Gerichtsentscheidungen. Was ist unter „nichtöffentlich“ zu verstehen?

Das Merkmal der „Nichtöffentlichkeit“

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Äußerung als nichtöffentlich i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB anzusehen ist, wenn sie nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist.

Teilweise wird der § 201 StGB noch einschränkender ausgelegt und angenommen, dass sich die Polizeibeamten in der sog. „faktischen Öffentlichkeit“ befänden, also einer Situation, in der mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der betroffene Polizeibeamte sich lautstark äußert und daher anzunehmen sei, dass mehrere umstehende Personen das gesprochene Wort hören können.

Die sog. „faktische Öffentlichkeit“ wird mitunter sogar bereits dann angenommen, wenn der sich äußernde Polizeibeamte in Anbetracht der konkreten Äußerungsumstände allein damit habe rechnen müssen, dass unbeteiligte dritte Personen die Äußerungen wahrnehmen könnten.

Die Entscheidung des LG Hanau vom 20. April 2023 (1 Qs 23/22) 

Auch das Landgericht Hanau musste sich in seinem Beschluss vom 20. April 2023 (1 Qs 23/22) damit auseinandersetzen, was unter dem Merkmal der „Nichtöffentlichkeit“ im Rahmen des § 201 StGB zu verstehen ist.

Hintergrund des Beschlusses war ein Fall, in dem Polizeibeamte gegen 00:40 Uhr ein Fahrzeug kontrolliert hatten, in dem sich drei Männer befanden. Grund für die Fahrzeugkontrolle war das verkehrsbedingt anlasslose Betätigen der Hupe seitens des Fahrers. Im Rahmen der Kontrolle kam es zwischen den kontrollierenden Polizeibeamten und den Fahrzeuginsassen zu einer Diskussion über die Notwendigkeit der Maßnahme. Als einer der Beamten mit seiner Taschenlampe den Innenraum des Fahrzeugs ausleuchtete, fühlte sich einer der Beifahrer hierdurch gestört und leuchtete dem Beamten mit der Taschenlampe seines Mobiltelefons provokativ in das Gesicht.

Der Beamte startete sodann mit seiner Body-Cam eine Ton- und Videoaufnahme, nachdem er diese dem Beifahrer angekündigt hatte. Der Beifahrer entschloss sich daraufhin, die Situation ebenfalls mit seinem Smartphone zu filmen, woraufhin der Beamte den Beifahrer dazu aufforderte, dies zu unterlassen, da er sich strafbar mache und ihm sonst das Mobiltelefon abgenommen würde. Der Beifahrer erklärte, dass sich das angefertigte Video „schon in der Cloud“ befinden würde. Ein von dem Beamten telefonisch kontaktierter Bereitschaftsstaatsanwalt ordnete sodann die Sicherstellung des Mobiltelefons an. Hiergegen richtete sich der Beifahrer. Die Beschlagnahme wurde jedoch durch eine richterliche Entscheidung bestätigt. Zur Begründung hat das Amtsgericht Hanau ausgeführt, dass der Beifahrer einer Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB verdächtig sei.

Anders hat nun das Landgericht Hanau entschieden. Die Anordnung der Beschlagnahme des Mobiltelefons sei rechtsfehlerhaft gewesen, da es an einem Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten des Beifahrers fehle. Es bestehe entgegen der Ansicht des Amtsgerichts kein Verdacht dafür, dass der Beifahrer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort der Polizeibeamten während der Fahrzeugkontrolle aufgenommen hat.

Das Landgericht Hanau führt insoweit aus, dass der Beifahrer zwar eine taugliche Tathandlung vorgenommen hat, da er nach eigenen Angaben eine solche Aufnahme mit seinem Mobiltelefon hergestellt und in seinem Cloudspeicher abgelegt hat. Jedoch habe er damit nicht das „nichtöffentlich“ gesprochene Wort des Polizeibeamten aufgenommen.

Läuft die Body-Cam, sind die Aussagen eines Polizeibeamten nicht mehr als „nichtöffentlich“ i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB anzusehen

Spätestens in dem Moment, in dem der Polizeibeamte seine Body-Cam angeschaltet hat, sei das Gespräch nicht mehr „nichtöffentlich“ im Sinne der Norm gewesen. Schutzzweck des § 201 StGB sei nämlich der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Bestimmung der Reichweite einer Äußerung sowie die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes. Die Einführung der Strafnorm im Jahr 1967 sei ursprünglich erfolgt, um die damals noch neuen und deshalb oft unbemerkten technischen Möglichkeiten der Tonaufnahme einzuhegen und die heimliche Aufnahme vertraulicher Worte im engen Kreis „als wesentliches Merkmal von Freiheitsstandards demokratischer Staaten [zu] verhindern“.

Das Landgericht Hanau hebt in seiner Entscheidung hervor, dass die Polizeibeamten im Rahmen der Polizeikontrolle im hoheitlichen Kontext sprächen und ihrerseits Aufnahmen anfertigten, zu denen sie rechtlich befugt waren. Dies führe aber dazu, dass die Polizeibeamten nicht mehr unbefangen sprechen würden. Ihr Verhalten sei vielmehr geprägt durch „das Bemühen um höchst konzentrierte, präzise auf die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens abgestimmte Kommunikation.“

Im Ergebnis stellt das Landgericht Hanau fest: „Eine solche Gesprächssituation nimmt nach Auffassung der Kammer gemessen an Wortlaut, Entstehungsgeschichte und insbesondere dem Strafzweck des § 201 StGB nicht mehr an dessen Schutz teil.“

Die Beschwerde des Beifahrers hatte daher Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts Hanau, mit dem die Beschlagnahme des Mobiltelefons angeordnet worden war, wurde aufgehoben.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.



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