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Skiunfall: Wann haften Skifahrer, wann Pistenbetreiber?

  • 10 Minuten Lesezeit
Skiunfall: Wann haften Skifahrer, wann Pistenbetreiber?

Der Winter lockt viele in die Berge, besser gesagt auf Piste oder Loipe. Wintersport bereitet viel Freude, hat aber auch seine Schattenseiten. So kann der Schneespaß ein jähes Ende finden, wenn bei der Abfahrt ein Unfall passiert. Nicht immer ist die Haftungsfrage dann eindeutig. Das Redaktionsteam von anwalt.de gibt Ihnen Tipps, wie Sie es unbeschadet zum Après-Ski schaffen und erklärt, wann Sie bei einem Unfall eine Mitschuld tragen und unter welchen Umständen auch der Pistenbetreiber haftet. 

FIS-Regeln sollen Skiunfälle verhindern

Der Internationale Skiverband (Fédération Internationale de Ski – kurz FIS) hat zehn Regeln aufgestellt, wie sich die Skifahrer auf der Piste verhalten sollen. Die FIS-Regeln sind zwar kein Gesetz, aber dennoch allgemeinverbindlich. Auch die deutschen Gerichte nehmen bei der Beurteilung von Skiunfällen auf sie Bezug, insbesondere wenn es um die Frage des Mitverschuldens, also um die Haftungsquote geht.

Diese Regeln müssen nicht nur Skifahrer beachten, sondern auch Snowboarder (Landgericht (LG) Traunstein, Az.: 3 O 50/94). Sie gelten ebenso für den Fall, dass ein Skifahrer mit einem Zuschauer kollidiert oder wenn auf der Skipiste Schlitten gefahren wird und es zu einem Unfall kommt (Amtsgericht St. Blasen, Az.: C 103/97). 

Kontrollierte Fahrweise

Die FIS-Regeln Nr. 1–3 schreiben Skifahrern eine kontrollierte, vorausschauende und aufmerksame Fahrweise vor. Sie dürfen andere mit ihrem Fahrstil nicht gefährden. Die zulässige Geschwindigkeit orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten (z. B. Witterung, Schneeverhältnisse, Personenaufkommen) und dem fahrerischen Können. Demnach müssen Anfänger darauf achten, dass sie ihre Skier kontrollieren können. Sie müssen sogar einen „Notsturz“ durchführen, wenn sie einen Zusammenstoß mit einem anderen Fahrer anders nicht verhindern können, Warnrufe allein genügen nicht (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Az.: 13 U 71/93).

Kommt es auf einer Pistenkreuzung zu einem Unfall zwischen Skifahrer und Snowboarder und lässt sich die Schuldfrage nicht klären, muss der Snowboarder 60 % der Haftung übernehmen, weil das Board schwieriger zu lenken ist. Da bei jedem zweiten Schwung ein toter Winkel entsteht, erhöht sich die Gefährdung für andere Wintersportler (LG Bonn, Az.: 1 O 484/04). 

Überholmanöver 

Eine Verhaltensregel für Überholmanöver gibt FIS-Regel Nr. 4: Danach darf auf der Piste zwar sowohl von oben und unten als auch von links oder rechts überholt werden. Allerdings muss man dem überholten Fahrer genug Raum für alle seine Bewegungen geben. Der Überholende muss auch mit plötzlichen Richtungswechseln des Vorausfahrenden rechnen (OLG Brandenburg, Az.: 6 U 64/05).

Anhalten auf der Piste

FIS-Regel Nr. 6: Ski- und Snowboardfahrer dürfen an engen und unübersichtlichen Pistenabschnitten nicht ohne Not Halt machen. Gestürzte Fahrer müssen diese gefährlichen Stellen so schnell wie möglich freimachen. 
Bleibt man aber z. B. vor einem Steilhang stehen, um einen Überblick über den Pistenverlauf zu bekommen und wird man von einem nachfolgenden Skifahrer überfahren, trägt dieser die alleinige Schuld. Schließlich müssen Skifahrer jederzeit auf Sicht fahren, um Hindernissen ausweichen zu können (OLG Dresden, Az.: 7 U 1994/03).

Wann haftet der Pistenbetreiber bei Skiunfällen?

Verkehrssicherungspflicht des Pistenbetreibers

Auch wenn sich eine Klage auf Schadensersatz nach dem Recht des jeweiligen Landes richtet, ist Grundlage dafür eine jedenfalls in den Alpenländern vergleichbar verstandene Verkehrssicherungspflicht. Wer demnach eine Gefahrenlage schafft, weil er etwa ein Gelände für den Wintersport eröffnet, bzw. Gefahren andauern lässt, muss dafür sorgen, dass andere darauf nicht zu Schaden kommen. Falls doch, muss er für die Folgen einstehen. Um einer Haftung zu entgehen, müssen Betreiber also geeignete Maßnahmen gegen mögliche Gefahreintritte ergreifen bzw. ausreichend davor warnen.

Vor welchen Gefahren müssen Pistenbetreiber warnen?

Grundsätzlich gilt das aber nur hinsichtlich atypischer und verdeckter Gefahren. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass Pistennutzer nicht mit ihnen rechnen müssen bzw. sie nur schwer erkennen oder umgehen können. Beispiele für solche sogenannten „Fallen“ sind

  • Hindernisse, die nicht bereits von Weitem auszumachen sind,
  • plötzliche Engstellen,
  • Geländestufen,
  • schlecht einsehbare Kurven oder Steilhänge insbesondere in unmittelbarer Nähe zum Pistenrand.

Je nach Lage müssen Pistenbetreiber beispielsweise Warnschilder aufstellen, Pistenabsperrungen vornehmen, Hindernisse mit Polstern versehen oder Fangnetze aufstellen. Fahrzeuge wie Pistenraupen oder Motorschlitten müssen mittels geeigneter Warneinrichtungen oder mithilfe Dritter auf sich aufmerksam machen oder wenn möglich eine für andere weniger gefährliche Ausweichstrecke nutzen (OLG München, Az.: 7 U 4714/01).

Letztendlich entscheidend dafür, wie einer Gefahr zu begegnen ist, sind ihr Ausmaß, ihre Erkennbarkeit, die vorhandenen Möglichkeiten, aber auch wie schutzbedürftig die Pistennutzer an der jeweiligen Stelle sind. So ist auf einer blauen Piste, die gerade unerfahrene Personen nutzen, der Aufwand ungleich höher als auf einer schwarzen Piste. Hinzu kommen aber auch rechtliche Vorgaben, wie etwa in der Schweiz die Richtlinien der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten (SKUS), das Skipistengesetz in Italien oder international die Regeln der FIS. Nicht zuletzt entscheidet die jeweilige nationale Rechtsprechung über die Anforderungen an die Pistensicherung. Trotz alledem ist aber auch klar, dass eine vollkommene Sicherheit nicht zu erreichen ist.

Verantwortung endet nicht am Pistenrand

Keine Verkehrssicherungspflicht besteht verständlicherweise für wilde Pisten oder freies Gelände. Wer hier vorsätzlich oder grob fahrlässig unterwegs ist, tut dies auf eigene Gefahr. Die Verantwortung endet dennoch nicht unmittelbar am Pistenrand. Denn Pistenbetreiber müssen gerade an unübersichtlichen Stellen vor dem Verlassen der Piste warnen bzw. dies verhindern. Pisten können sich durch entsprechende Benutzung bei fehlender Randmarkierung auch ohne Einverständnis des Betreibers erweitern, und damit auch dessen Verkehrssicherungspflicht. Wer daher irrtümlich auf die falsche Piste gelangt und sich dort verletzt, kann deshalb Ansprüche geltend machen.

Skiunfall mit Pistenraupe

Abstandsregel zu Pistenraupen

In dieser Hinsicht besagen die Tipps des deutschen Skiverbands (DSV) zum Verhalten gegenüber Pistenraupen, dass Pistenbenutzer einer Pistenraupe, egal ob sie fährt oder steht, niemals zu nahe kommen dürfen. Pistenbenutzer müssen immer damit rechnen, dass die Pistenraupe plötzlich die Fahrtrichtung ändert, anhält oder rückwärts fährt. Der Sicherheitsabstand darf deshalb zur Vorder- und Rückseite 15 Meter und zu den Seiten drei Meter nicht unterschreiten.

Kann ein Pistenbenutzer nicht ausweichen, z. B. aufgrund von Sturz oder Materialdefekt, muss er sich dem Fahrer durch möglichst deutliche Zeichen bemerkbar machen. Wenn nötig, sollen andere Pistenbenutzer den Lenker warnen. Des Weiteren warnt der DSV davor, sich an die Fahrzeuge anzuhängen und vor der Gefahr, dass sie an Steilhängen abrutschen können. Wer auf der Piste unterwegs ist, sollte außerdem auf Sicht fahren und den Pistenraupen den Vorrang einräumen. Eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Haftungsfrage spielt zudem eine mögliche Verletzung der FIS-Regeln.

Unfall nach Pistenschluss

Sind die Pisten geschlossen, ist die Zeit der Pistenraupen. Sie präparieren den Schnee für den nächsten Tag. Wer nach Pistenschluss abfährt, begibt sich daher in besondere Gefahr. Auch mit genügend Abstand zum Pistenfahrzeug ist es nicht getan. Denn Pistenraupen können zur eigenen Sicherheit und Bewältigung extremerer Steigungen an Seilwinden hängen. Bei dieser Seilwindenpräparierung können die Drahtseile mehr als einen Kilometer lang sein. Dabei nehmen Fahrer das Seil nur wenn nötig zur Hilfe, sodass es vorübergehend im Schnee liegt. Bei Nutzung schnellt es dann plötzlich in die Höhe und kann dabei auch seitlich ausschlagen. Das Seil ist in beiden Fällen kaum zu sehen. Wer es übersieht, den reißt es daher regelrecht von den Beinen mit entsprechender Verletzungsgefahr.

Die Alleinschuld einer über ein solches Seil nach der Pistensperre verunglückten Snowboarderin hat der Oberste Gerichtshof (OGH) als höchstes Zivilgericht Österreichs dabei für rechtens erklärt (OGH, Urteil v. 30.07.2013, Az.: 2 Ob 99/13t). Absicherung und Gefahrenhinweise hatte der Pistenbetreiber in diesem Fall ordnungsgemäß befolgt.

Unfall unter Alkoholeinfluss

Eine weitere Gefahr später Abfahrer ist der Alkohol. Dieser kann sich im Nachhinein erheblich bei der Schuldverteilung auswirken. So traf einen Skifahrer eine Haftungsquote von 75 Prozent. Der Mann hatte sich nachts nach dem Aufenthalt in einer Skihütte am Faschingssonntag mit abgesägten Ski auf die Abfahrt begeben. Hinter einer vor ihm fahrenden Pistenraupe stürzte er. Deren Fahrer legte in diesem Moment den Rückwärtsgang ein, um eine Mulde in der Piste auszubessern. Dabei überfuhr er den oberhalb der 30-prozentigen Steigung liegenden Skifahrer, der schwerste Verletzungen erlitt (OLG München, Az.: 10 U 5433/08).

Zwar hätte der Fahrer der Raupe wegen der bekanntermaßen stattfindenden Faschingsfeier mehr Vorsicht als sonst walten lassen müssen. Dies überwog aber nicht die Alkoholisierung und insbesondere den nicht ausreichend vom Skifahrer zur Pistenraupe eingehaltenen Abstand.

Unfall während des Liftbetriebs

Während des Skibetriebs müssen Ski- und Snowboardfahrer erheblich weniger mit Pistenfahrzeugen rechnen. Kommt es dann zu einem Unfall, muss der Pistenbetreiber laut österreichischem OGH beweisen, dass der Einsatz notwendig war und er davor gewarnt hat (OGH, Az.: 2 Ob 30/10s). Beispielsweise können Pistenfahrzeuge während des Liftbetriebs zu Rettungseinsätzen oder Ausbesserungsarbeiten auf der Piste unterwegs sein.

Wie viel Eigenverantwortung haben Skifahrer?

Neben dem Betreiber kommt es auch auf die an, die auf der Piste unterwegs sind, und daher auf die persönliche Eigenverantwortung. Das gilt gerade für pistenkonforme Gefahren. Zu diesen zählen

  • geländetypische Hindernisse wie Buckel oder Mulden,
  • vereiste Flächen und sich verändernde Schneeverhältnisse,
  • unterschiedliche Sichtmöglichkeiten oder
  • bereits aus der Ferne erkennbare Hindernisse wie Bäume oder Markierungsstangen.

Gegen diese Gefahren muss ein Pistenbetreiber in der Regel keine Vorkehrungen treffen. Eigenverantwortung bedeutet grundlegend, die eigenen Fähigkeiten nicht zu überschätzen und insbesondere vorausschauend mit der passenden Geschwindigkeit zu fahren.

Auch den, der nach Pistenschluss noch unterwegs ist, trifft dem österreichischen Obersten Gerichtshof zufolge eine wesentliche höhere Eigenverantwortung (OHG, Az.: GZ: 2 Ob 99/13t). Dennoch ist eine Haftung des Betreibers nicht generell ausgeschlossen. In dem verhandelten Fall war der Spätabfahrer über ein quer gespanntes Seil gestürzt. Die eigene Gefahr und damit Mitschuld erhöhen zudem das Abfahren unter Alkoholeinfluss (OLG Stuttgart, Az.: 5 U 72/09), schlechtes Material oder ein nicht getragener Helm.

Fehlender Helm bei Skiunfall: Mitschuld?

Eine allgemeine Helmpflicht für Skifahrer und Snowboarder existiert nicht. In Österreich müssen lediglich Personen bis 15 Jahre einen Helm tragen. Und auch das nur in bestimmten Bundesländern. In Italien, Kroatien und Slowenien besteht eine Helmpflicht nur für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 14 Jahren. Eine Helmpflicht ergibt sich dabei auch nicht aus den FIS-Regeln. Diese sind immerhin geltendes Gewohnheitsrecht und dienen bei der späteren Klärung der Schuldfrage.

Obwohl es keine allgemeine Helmpflicht auf Skipisten gibt, kann das Nichttragen bei Zusammenstößen als Mitverschulden angerechnet werden, wie im Urteil des Oberlandesgerichts München. Die Richter werteten das Tragen eines Helms dabei als Obliegenheit. Eine solche begründet zwar anders als ein gesetzliches Gebot oder Verbot – wie etwa eine Helmpflicht – keinen Schadensersatzanspruch. Sie hat aber Auswirkungen auf die Schadenshöhe. Denn eine unterlassene Obliegenheit gilt rechtlich als Verschulden gegen sich selbst.

Das heißt, wer die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, muss Einbußen beim eigenen Schadenersatzanspruch hinnehmen. Vom Unfallgegner vermeidbare Risiken, die zum Schaden beitrugen, soll ein Unfallverursacher nicht tragen müssen. Im vorliegenden Fall hielten die Richter beim Nichttragen eines Skihelms eine Mithaftung von 50 Prozent für gerechtfertigt. Dementsprechend kürzten sie den Schadensersatzanspruch der Kläger hinsichtlich der erlittenen Kopfverletzungen (OLG München, Az.: 8 U 3652/11).

Skiunfall im Ausland

Stoßen zwei deutsche Skifahrer im Ausland auf der Piste zusammen, gelten bei der Frage des Verschuldens die FIS-Regeln, sofern keine Vorschriften des ausländischen Unfallorts existieren. Eine Frau befuhr eine als leicht ausgewiesene Piste in Österreich, als sich von oben ein weiterer Skifahrer schnell näherte. Im flacheren Endabschnitt der Piste kollidierten der Überholende und die Frau, die sich bei dem Unfall schwere Verletzungen zuzog und mehrfach operiert werden musste. Dennoch konnten bleibende Schäden (Schmerzen und reduzierte Beweglichkeit einer Schulter) nicht verhindert werden. Daraufhin verlangte sie vom Überholenden Schadensersatz sowie Schmerzensgeld. Das Landgericht Mönchengladbach, das nach § 40 II 1 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) zuständig war, weil beide Skifahrer aus Deutschland kamen, sprach der Frau sowohl Schadensersatz als auch ein angemessenes Schmerzensgeld zu. Immerhin habe der Skifahrer die Frau gerammt und dabei schwer verletzt.

Da der Urlaubsort in Österreich keine eigenen Verhaltensregeln aufgestellt habe, seien bei der Frage, wer den Unfall verschuldet hat, die FIS-Regeln anzuwenden. Danach dürfe unter anderem bei einem Überholmanöver niemand gefährdet werden. Außerdem müsse der von hinten kommende Skifahrer zum vorausfahrenden Skifahrer ausreichend Abstand halten, um diesem die Bewegungsfreiheit nicht zu nehmen. Denn es könne nicht verlangt werden, dass sich ein Pistenfahrer regelmäßig umdrehen und auf eventuell herannahende Personen achten muss. Eine Rücksichtnahmepflicht obliege vielmehr dem Überholenden, der die bessere Übersicht habe und einschätzen könne, ob er gefahrlos an anderen Skifahrern vorbeifahren könne (LG Mönchengladbach, Az.: 11 O 252/08).

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(GUE; WEL; VOI)

Foto(s): ©Adobe Stock/michelangeloop

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