Spesenbetrug – Tankkartenbetrug: Fristlose Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt

  • 4 Minuten Lesezeit

Arbeitszeitbetrug und Spesenbetrug wirft das Arbeitsgericht Verden (Aller), Aktenzeichen 2 Ca 101/23, dem vollfreigestellten Betriebsratsmitglied vor und bestätigt damit die fristlose Kündigung von Amazon. Gemäß Presseinformation des Arbeitsgerichts Verden vom 27.09.2023 heißt es in Bezug auf den Spesenbetrug wie folgt: „Aufgrund der eigenen Einlassungen des Klägers steht fest, dass er entgegen seinen eigenen Angaben am 06.02.2023 und 07.02.2023 nicht bzw. nur zeitweilig am Seminar in Köln teilgenommen hat. Darüber hinaus hat er nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme stehende Fahrtkosten über die Beklagte abgerechnet. Die Teilnahme an den Veranstaltungen in Berlin und Hannover liegt auch nicht in der direkten Ausübung seines Betriebsratsmandats begründet. Besonders schwerwiegend ist aber die Verletzung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten aufgrund der objektiv falschen Angaben des Klägers in Bezug auf die Arbeitszeit und die angefallenen Spesen.“  

Arbeitszeitbetrug, Spesenbetrug – rechtfertigt grundsätzlich fristlose Kündigung in Deutschland

Dieses Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 19.09.2023 spiegelt die ständige Rechtsprechung in Deutschland wider. Spesenbetrug, Arbeitszeitbetrug führt grundsätzlich zur fristlosen Kündigung, ungeachtet langjähriger Betriebszugehörigkeitszeiten oder etwaigen Sonderkündigungsschutz, wie hier Betriebsrat.

Tankkartenbetrug und Verstoß gegen die Dienstwagenrichtlinie

Aktuelles Beispiel aus dem Jahr 2023: LAG Niedersachsen (2. Kammer), Urteil vom 29.03.2023 – 2 Sa 313/22: „Die private Nutzung einer Tankkarte entgegen den Regelungen einer Dienstwagenrichtlinie kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen.“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitnehmer ist – arbeitsvertraglich - zur Rücksichtnahme gegenüber Arbeitgeber verpflichtet; das heißt im Besonderen: Der Arbeitnehmer darf dem Arbeitgeber keine Schäden zufügen bzw. muss solche vom Betrieb abwenden

LAG Niedersachsen wie folgt klarstellend: „Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB kann nicht nur in einer erheblichen Verletzung der vertraglichen Hauptleistungspflichten liegen. Auch die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszweckes dient, kann an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien eines Arbeitsverhältnisses, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise erwartet werden kann. Der Arbeitnehmer ist in jedem Fall verpflichtet, vom Betrieb Schäden abzuwenden, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist.“ Quelle: Beck-online.de

Tankkartenmissbrauch für private Zwecke

LAG Niedersachsen: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für die erkennende Kammer fest, dass der Kläger im Rahmen des Vorstehenden die Tankkarten entgegen der Dienstwagenrichtlinie der Beklagten bzw. entgegen den Weisungen der Beklagten genutzt hat, wodurch er das Vermögen der Beklagten um insgesamt 2.801,04 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) geschädigt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Dienstwagenrichtlinie der Beklagten vom 1. April 2011 mit hinreichender Deutlichkeit, dass ihm die Nutzung der Tankkarten zur Betankung seiner privaten Fahrzeuge nicht erlaubt war.“ Quelle: Beck-online.de

„Werden in einem Arbeitsverhältnis Tankkarten, Kreditkarten oder Kontokarten zur Verfügung gestellt, so ist zunächst davon auszugehen, dass diese lediglich für die Bestreitung der arbeitsvertraglichen Pflichten und dienstliche Zwecke gedacht sind.“ – so das LAG Niedersachsen feststellend.

LAG Niedersachsen: „Eine Befugnis zur Nutzung der Tankkarten zur Betankung von Privatfahrzeugen auf Kosten der Beklagten ist dem Kläger durch die Dienstwagenrichtlinie gerade nicht erlaubt worden. Soweit der Kläger geltend macht, er habe die Tankkarten bsp. auch dann genutzt, wenn er bei Werkstattaufenthalten seines Dienstwagens einen Ersatzwagen genutzt habe, ist dies nicht gleichzusetzen mit dem eigenmächtigen Ersatz des Dienstwagens durch einen Privatwagen. Bei Werkstattaufenthalten des Dienstwagens tritt der Ersatzwagen an die Stelle des nicht verfügbaren Dienstwagens. Bei den streitbefangenen Einsätzen der Tankkarte stand dem Kläger der Dienstwagen aber zur Verfügung. Er hat ihn nicht nutzen wollen, weil er den Einsatz seiner Privatwagen als angemessener empfand.“ Quelle: Beck-Online

Nichts anderes gilt im Fall des Arbeitsgerichts Verden zum Nachteil des Amazon-Betriebsratsmitgliedes

Wenn ein Arbeitnehmer, ob Betriebsrat oder nicht, einen Mietwagen dazu nutzt, um privat an einer Diskussionsveranstaltung mit Politikern teilzunehmen, und dabei die Reisekosten dem Arbeitgeber zurechnet, dann spricht dies für einen Spesenbetrug bzw. für eine falsche Abrechnung der Reisekosten. Folgerichtig ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts Verden als Spiegelbild der ständigen Rechtsprechung zu bewerten.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Helmut Naujoks

Beiträge zum Thema