Stärkung des Kündigungsschutzes schwerbehinderter Arbeitnehmer durch das neue Bundesteilhabegesetz

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Durch das Bundesteilhabegesetz wird das SGB IX neu gefasst, mit der Folge, dass die Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsvertrages mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer neue Erfordernisse erfahren hat.

Wurde früher die Schwerbehindertenvertretung vor Ausspruch einer Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber nicht angehört, blieb dies für die Wirksamkeit einer Kündigung völlig außer Betracht.

Seit dem 30.12.2016 wird über § 95 II 3 SGB IX die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung künftig auch im Kündigungsschutzprozess essentiell bedeutsam:

Gem. § 178 II 1 SGB IX n.F., der über § 95 II 3 SGB IX jetzt schon Geltung hat, ist nunmehr eine Kündigung des Arbeitsvertrages mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer unwirksam, wenn nicht vor Ausspruch der Kündigung die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß angehört und unterrichtet wurde.

  • Die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung muss noch vor der endgültigen Entscheidung des Arbeitgebers über die Kündigung erfolgen.

Hier ist insbesondere beim Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung besondere Eile geboten, da die Zustimmung des Integrationsamtes zur auszusprechenden Kündigung innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis des Vorliegens des Kündigungsgrundes eingeholt werden muss. Innerhalb dieser 2 Wochen muss aber auch die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb abgeschlossen sein.

  • Die Unterrichtung ist grundsätzlich formfrei, sollte aber aus Beweisgründen schriftlich erfolgen; denn der Arbeitgeber ist hinsichtlich dieses Verfahrens vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig.

Die Unterrichtung muss zudem umfassend sein. Sie muss die Schwerbehindertenvertretung in die Lage versetzen, sich selbst umfassend ein eigenes Bild von der Situation zu verschaffen und eine eigene Stellungnahme abzugeben. Dementsprechend sind die Kündigungsgründe vollumfassend aufzuzeigen.

Der Arbeitgeber kann sich hinterher nicht mehr auf Kündigungsgründe stützen, die er der Schwerbehindertenvertretung im Anhörungsverfahren nicht mitgeteilt hat.

  • Die Schwerbehindertenvertretung hat sich innerhalb der arbeitgeberseits gesetzten Frist zu äußern.

Diese Frist beträgt bei der ordentlichen Kündigung 7 Tage, bei einer außerordentlichen Kündigung 3 Tage.

Lässt die Schwerbehindertenvertretung diese Frist ohne Äußerung verstreichen, kann der Arbeitgeber seine Entscheidung alleine treffen, muss sie aber der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich mitteilen.

  • Hat die Schwerbehindertenvertretung eine Stellungnahme abgegeben, hat der Arbeitgeber diese auf jeden Fall zu prüfen. Das Prüfergebnis hat er ihr unverzüglich mitzuteilen.
  • Erst jetzt kann der Arbeitgeber den Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers vor dem Integrationsamt stellen.

Ist das Beteiligungsverfahren der Schwerbehindertenvertretung fehlerhaft gewesen oder gänzlich unterblieben, verweigert das Integrationsamt seine Zustimmung. Eine Nachholung ist nicht möglich.

  • Das Beteiligungsverfahren gegenüber der Schwerbehindertenvertretung und gegenüber dem Betriebsrat stehen zwar unabhängig voneinander. Aufgrund des erheblichen Zeitdruckes insbesondere im Falle des möglichen Ausspruches einer außerordentlichen Kündigung empfiehlt es sich aber auf jeden Fall, beide Verfahren parallel einzuleiten.
  • Der Arbeitnehmer hat die Unwirksamkeit einer Kündigung aufgrund eines fehlerhaften oder gar unterbliebenen Zustimmungsverfahrens innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG geltend zu machen.

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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