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Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß

  • 2 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Eine Frau, der wie allen Steuerpflichtigen eine individuelle Identifikationsnummer zugeteilt wurde, fühlte sich dadurch in mehreren Grundrechten verletzt. Die Nummer verstoße zum einen gegen die Religionsfreiheit, da sie den religiösen Namen ersetze. Zum anderen verletze sie auch die Menschenwürde, denn die Nummerierung jedes Menschen degradiere ihn zu einem bloßen staatlichen Objekt. Insbesondere schränke sie auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung übermäßig ein. Dieses vom Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelte Grundrecht soll Gefahren begegnen, die sich für den Einzelnen aus den Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung ergeben. Die unbegrenzt mögliche Speicherung von Daten - verbunden mit ihrer sekundenschnellen Übertragung - lässt die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen zu. Einem dabei stets möglichen Missbrauch musste mit der Schaffung eines solchen Datenschutzgrundrechts begegnet werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) setzte sich umfassend mit den behaupteten Grundrechtsverstößen auseinander.

Religionsfreiheit und Menschenwürde bleiben unberührt

Die Religionsfreiheit sei nicht verletzt, denn durch die Steueridentifikationsnummer werde die Klägerin in ihrer Glaubensausübung nicht eingeschränkt. Das gelte auch für die automatisierte Mitteilung der Religionszugehörigkeit im Rahmen der Kapitalertragssteuerermittlung bei Kirchensteuerpflichtigen. Dieser Weitergabe könne beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) widersprochen werden. Auch in puncto Menschenwürde verkomme der Bürger nicht zu einer bloßen Nummer. Für eine Herabwürdigung müsste die Eigenständigkeit der Klägerin so stark beeinträchtigt sein, dass sie ein bloßes Handlungsobjekt des Staates darstellen würde. Die Nummer betreffe jedoch den Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als Subjekt der staatlichen Ordnung. Das heißt, sie ist Teil seiner Rolle in der Gemeinschaft aller Steuerpflichtigen. Auch weiterhin trügen Steuerbescheide im Übrigen den Namen und nicht bloß eine Nummer.

Allgemeininteressen überwiegen das Datenschutzgrundrecht

Eine gewisse Einengung des nicht schrankenlos gewährten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sei hinzunehmen. Das ergebe sich zum einen daraus, dass die Eingriffe auf das erforderliche Maß beschränkt blieben. Zunächst ermögliche der Aufbau der Nummer keine Rückschlüsse auf die Person. Kein Beteiligter an dem Verfahren der Steuererhebung - seien es etwa Arbeitgeber, die Deutsche Rentenversicherung oder das BZSt - erhalte zudem mehr als die für ihren jeweiligen Zweck erforderlichen Informationen. Alle Stellen unterlägen dem Steuergeheimnis. Ein mit dem bei einer Telekommunikationsüberwachung vergleichbares erzielbares Persönlichkeitsprofil lasse sich mangels Inhalten zu Beziehungen und zur Kommunikation mit Dritten nicht erstellen. Eine gewisse Restmenge an Eingriffspotenzial werde von den Interessen der Allgemeinheit überwogen. Nur eine eindeutige Identifizierung des Steuerpflichtigen könne den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, der eine für jeden Einzelnen gerechte Besteuerung verlangt, erreichen. Die Identifikationsnummer verhindere dazu eine bei Namensgleichheit oder Schreibfehlern mögliche Verwechslung. Sie schütze zudem vor Missbrauch, wenn etwa bei verschiedenen Familienkassen missbräuchlich Kindergeld für dasselbe Kind beantragt werde. Vergleichbares gelte für die Kapitalertragssteuer und die Prüfung der Einkommensteuer bei den Alterseinkünften. Insbesondere sei die Nummer unabdingbar angesichts der Einführung der Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM). Ohne sie könne eine bundesweite Steuererfassung über die verschiedenen Landessteuerbehörden nicht mehr erreicht werden. Diese Vereinfachung trage außerdem zum Bürokratieabbau bei Behörden und Arbeitgebern bei. Die deshalb überwiegenden Interessen des Gemeinwohls rechtfertigten den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

(BFH, Urteil v. 18.01.2012, Az.: II R 49/10)

(GUE)

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