Strafbarkeit bei Kurzarbeit (Subventionsbetrug)

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Einleitung

Das wegen der Corona-Krise neu geregelte und gelockerte Kurzarbeitergeld soll die Arbeitnehmer vor Kündigung schützen und Unternehmen vor der Insolvenz retten. Die gelockerten Regelungen bieten jedoch auch das Risiko für die Unternehmen sich strafbar zu machen, wenn das Kurzarbeitergeld falsch beantragt wird.

Viele Unternehmen leiden während der Corona-Krise unter Betriebsstilllegungen, Auftragseinbrüchen und dem Zusammenbruch von Lieferketten. Schon während der vergangenen Wirtschaftskrise 2008/2009 wurde das Kurzarbeitergeld erfolgreich genutzt. Kündigungen aufgrund der COVID-19-Pandemie können zum Teil vermieden werden und auch der entstandene Arbeits- und Entgeltausfall ausgeglichen werden.

Neuregelung

Statt bislang ein Drittel müssen nun nur noch 10 Prozent der Beschäftigten im Unternehmen vom Arbeitsausfall betroffen sein. Weiterhin muss der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder wirtschaftlichen Gründen beruhen. In der derzeitigen Krise ist dies der Fall bei Lieferausfällen, Produktionseinschränkungen oder staatlichen Schließungs-Maßnahmen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Arbeitgeber mit Zustimmung der Angestellten oder auf Grund Betriebsvereinbarungen/Tarifverträgen die Arbeitszeit vollständig („Kurzarbeit Null“) oder teilweise reduzieren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen. Danach kann er die von ihm an die Arbeitnehmer verauslagten Kurzarbeitergelder erstattet verlangen.

Bei Vorliegen aller Voraussetzungen haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die Dauer des Arbeitsausfalls und höchstens bis zu 12 Monaten. Die Kurzarbeiter erhalten grundsätzlich 60 Prozent des pauschalen üblichen Nettoentgelts, mit einem im Haushalt lebenden Kind 67 Prozent.

Subvention im Sinne des § 264 StGB

In den Formularen der Agentur für Arbeit wird ausdrücklich auf die strafrechtlichen Risiken, die mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld verbunden sind, hingewiesen. In den Formularen steht folgendes: "Ergeben die Feststellungen der Agentur für Arbeit, dass strafrechtlich relevante Aspekte zu einer Leistungsüberzahlung geführt haben, wird Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet."

Es besteht eine hohe Versuchung durch den wirtschaftlichen Druck auf die Unternehmen, schnell an Kurzarbeitergeld zu kommen. Fehlerhafte Angaben bei der Anzeige des Arbeitsausfalls und bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld haben jedoch ein hohes strafrechtliches und zivilrechtliches Risiko. Ein Missbrauch kann vorliegen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach § 95 Sozialgesetzbuch (SGB) III nicht erfüllt sind. Werden die Angaben durch den Arbeitgeber bei der Antragstellung unvollständig oder unrichtig erteilt, kann dies einen Betrug nach § 263 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen.

Nach weiterverbreiteter Ansicht stellt das Kurzarbeitergeld eine Subvention im Sinne des § 264 Abs. 8 Nr. 1 StGB dar. Eine Strafbarkeit kommt folglich auch aus diesem Grunde in Betracht. Schon Verfahren im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008/2009 haben gezeigt, dass die Einhaltung der Antragsvoraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld eine subventionserhebliche Tatsache gemäß § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB darstellen. Damals gab es Verurteilungen für die Fälle, in denen der Arbeitsausfall angezeigt wurde, aber nicht in dem Ausmaß bestand und Arbeitgeber sich trotzdem das verauslagte Kurzarbeitergeld erstatten ließen.

Gegen die Qualifizierung als Subvention könnte angeführt werden, dass nur die Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Da jedoch der Arbeitgeber den Antrag stellen muss und das gesamte Antragsverfahren mit seinen Angaben in der Hand hat, wird das Kurzarbeitergeld von Gerichten überwiegend als Subvention betrachtet. Dies birgt, wie aufgezeigt, hohe strafrechtliche Risiken für Arbeitgeber. Zudem besteht das Risiko, dass sich der Arbeitgeber einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sieht.

Der Subventionsbetrug nach § 264 StGB hat geringere Voraussetzungen als zum Beispiel der Betrug. Schon leichtfertiges Handeln ist ausreichend. Dies ist eine spezielle Form der Fahrlässigkeit im Sinne einer groben und vermeidbaren Sorgfaltspflichtverletzung. Bereits die unrichtige oder unvollständige Antragstellung auf Kurzarbeitergeld durch den Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit erfüllt damit den Tatbestand des Subventionsbetrugs.

Der Arbeitgeber sollte den Antrag und die Voraussetzungen genau prüfen

Wenn der Antragsteller die ihm obliegende Prüfungs-, Erkundigungs-, Informations- oder Aufsichtspflicht verletzt, besteht ein Strafbarkeitsrisiko. Dabei ist es egal, ob aus Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit. Dies kann schon vorliegen bei fehlerhafter Zeiterfassung und dem damit auch fehlerhaft ausgerechneten Arbeitsausfall und Kurzarbeitergeld.

Der Arbeitsausfall muss auch immer tatsächlich vorliegen. Wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts andere Aufgaben vorhanden sind und er diese zuweisen kann - wie beispielsweise das Aufräumen des Lager - liegt grundsätzlich kein Arbeitsausfall vor.

Unternehmen sind daher dazu angehalten vor der Anzeige des Arbeitsausfalls eine genaue Zeiterfassung oder Dokumentation zu erstellen, um den tatsächlichen Arbeitsausfall nachvollziehen zu können. Es sollte auch dokumentiert werden, ob der Arbeitsausfall durch bezahlten Erholungsurlaub verhindert werden kann. Die Agentur für Arbeit fordert, dass zumindest der Vorjahresurlaub vor Beginn der Kurzarbeit eingebracht wird. Weiter sollte dokumentiert werden, welche Maßnahmen angestrengt wurden, um den laufenden Jahresurlaub vorrangig einzubringen und Guthaben auf Arbeitszeitkonten abzubauen. Die Dokumentation muss ebenso plausibel enthalten, dass der Arbeitsausfall gerade auf der COVID-19-Pandemie beruht.

Wenn während des Bezuges von Kurzarbeitergeld klar wird, dass eine Betriebsschließung nicht mehr zu verhindern ist, kann grundsätzlich kein Kurzarbeitergeld gewährt werden. Dies ist möglich, wenn mit einer Rückkehr zur Vollarbeit nicht mehr zu rechnen ist. Hier kommt lediglich das Transfer-Kurzarbeitergeld nach  § 111 SGB III in Betracht.

Strafrechtliche Ermittlungen nach der Krise

Es drohen strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach der Krise. Nicht nur der Arbeitgeber selbst kann sich durch falsche Angaben einem strafrechtlichen Risiko aussetzen, sondern gegen das Unternehmen kann selbst eine Geldbuße nach § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verhängt werden.Es droht ebenso die Einziehung der rechtswidrig beantragten und ausgezahlten Kurzarbeitergelder nach §§ 73, 73c StGB. Dies ist ein scharfes Schwert der Ermittlungsbehörden, da nach § 73c StGB das schon längst an die Arbeitnehmer ausgezahlte Kurzarbeitergeld nachträglich eingezogen werden kann.

Bei Aufstockung der Kurzarbeitergelder durch den Arbeitgeber auf den üblichen Lohn, muss er auf die ordnungsgemäße Lohnversteuerung bzw. das Abführung entsprechender zusätzlicher Sozialversicherungsabgaben achten, um sich nicht einer strafrechtlichen Ermittlung auszusetzen.

Derzeit können die Anträge durch die Behörden wegen der Flut der Anträge und der Krisensituation nicht bis ins letzte Detail prüfen. Später jedoch werden, wie bereits in der Finanzkrise 2008/2009, Sonderprüfungsgruppen der Behörden ihre Ermittlungen aufnehmen. Die Investitionsbank Berlin stellt bereits jetzt diverse betrugsrelevante Verstöße im Zusammenhang mit Corona-Soforthilfen fest.

Ihr Rechtsanwalt
Christian Keßler



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