Überbau- Was tun, wenn der Nachbar über die Grenze baut?

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Überbau- Abriss oder Duldung ?

Von einem Überbau spricht man im Nachbarrecht, wenn zumindest ein Gebäudeteil des Nachbarn, die Grundstücksgrenze überschreitet. Dabei ist es unwichtig, ob dies in der Luft, auf dem Erdboden oder unter der Erdoberfläche passiert.

Liegt ein solcher Überbau vor, so stellt sich hier oftmals die Frage: Muss das geduldet werden? Umgekehrt: Was blüht einem Haus oder Schuppen, wenn es ein Stück weit auf Nachbars Scholle ragt? Muss das Gebäude abgerissen werden?  

1. Grundsatz

Grundsätzlich muss der Eigentümer eines Grundstücks die Verletzung seines Eigentums durch andere nicht dulden! Dieser Grundsatz kann dazu führen, dass eine über die Grundstücksgrenze gebaute Hauswand wieder abzureißen ist. Um hier wirtschaftliche Härten zu vermeiden hat der Gesetzgeber in §§ 912 ff. BGB Regeln geschaffen, die im Falle des Überbaus zu einem gerechten Interessenausgleich zwischen den Eigentümern führen sollen.

2. Gesetzliche Duldungspflicht in § 912 BGB

Wenn der Grundstücksnachbar bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze baut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Grundstückseigentümer diesbezüglich nicht sofort Widerspruch erhoben hat, trifft den durch den Überbau verletzten Eigentümer eine gesetzliche Duldungspflicht. Er muss es also hinnehmen.

Das betrifft solche Fälle, in denen beim Hausneubau eine Abschlusswand über die Grenze unter Mitnutzung des Nachbargrundstücks errichtet wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) enthält der § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den allgemeinen Rechtsgedanken des nachbarrechtlichen Interessenausgleichs (BGH, Urteil v 19.09.2008, VZR 152/07). Daher wendet die Rechtsprechung die Vorschrift gleichfalls an, wenn bei nachträglicher Veränderung eines Gebäudes über die Grenze gebaut wird, z. B. der Anbringung eines neuen Daches oder einer Wärmedämmung, so das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung. (OLG Köln, Urteil v 15.11. 2002, 19 U 75/02).

a) Wichtig!

Wichtig zu wissen ist, die Vorschrift gilt nur für Gebäude und nicht für leicht abtrennbare Gebäudeteile wie beispielsweise Markisen, Balkone, Fensterläden, Zäune Mauern, Zufahrten zu Garagen oder Wegpflaster.

Auch gilt die gesetzliche Duldungspflicht nur gegenüber dem Eigentümer und nicht gegenüber einem Mieter oder Pächter eines Grundstücks. § 912 BGB setzt voraus, dass der Überbau vom Eigentümer des Grundstücks vorgenommen wird (OLG Schleswig, Urteil v. 1.7.2016, 1 U 173/13). 

b) Widerspruch

Der Betroffene muss den Widerspruch rechtzeitig gegen den Überbau erheben. Wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks unmittelbar bei Beginn der Baumaßnahme Widerspruch erhebt, muss er die Grenzverletzung nicht dulden. Die Erhebung des Widerspruchs muss hierbei so zeitig erfolgen, dass keine umfangreichen baulichen Maßnahmen erforderlich sind, um die begonnene Maßnahme rückgängig zu machen.

Die Erhebung eines solchen Widerspruchs ist formfrei möglich und bedarf keiner Begründung, jedoch ist die schriftliche Variante unter Berücksichtigung zu Beweiszwecken stets die sichere Wahl.

c) Fahrlässigkeit und Vorsatz

Fahrlässiges Handeln ist bereits dann gegeben, wenn der Grundstückseigentümer unmittelbar in Grenznähe baut und sich nicht fachkundig davon überzeugt, dass eine Grenzverletzung ausgeschlossen ist (BGH, Urteil v 19.09.2003, VZR 360/02).

3. Vertragliche Duldungspflicht

Unwissende Überbauungen werden oft erst bei bevorstehenden Baumaßnahmen oder im Rahmen von Immobilienveräußerungen bemerkt. Ist dies der Fall, sollte mit dem Betroffenen eine nachträgliche Überbauvereinbarungen vereinbart werden. Wichtig hierbei ist, dass die Verpflichtung des Nachbarn zur Duldung des Anbaus nur bis zum Widerruf der Gestattung oder zur Beendigung der Überlassung wirkt.

4. Rechtsfolge: Überbaurente, Abkauf

Der Überbauer hat an den Berechtigten eine angemessene Geldrente jährlich im Voraus zu entrichten, § 913 BGB. Außerdem kann der Rentenberechtigte jederzeit verlangen, dass der Überbauer ihm den überbauten Grundstücksteil abkauft, § 915 BGB.

Die Höhe der Überbaurente bemisst sich nach dem Verkehrswert der überbauten Fläche zur Zeit der Grenzüberschreitung. Sie ist jährlich im Voraus zu entrichten und unterliegt der 3-jährigen Regelverjährung.

Der Eigentümer des überbauten Grundstücks kann vom Rentenpflichtigen jederzeit anstelle der Rente den Abkauf der überbauten Grundstücksfläche verlangen (§ 915 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch hier bemisst sich der Kaufpreis nach dem Verkehrswert des Grundstücks zur Zeit der Grenzüberschreitung (§ 915 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die bisher gezahlte Rente ist nicht anzurechnen.



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