Übersicht zur arbeitsrechtlichen Abmahnung

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I. Allgemeines

Die Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt und wird als Wirksamkeitsvoraussetzung zur verhaltensbedingten Kündigung verstanden. In § 314 II BGB ist zwar von Abmahnung die Rede, diese Vorschrift betrifft jedoch nur Schuldverhältnisse, denen diesbezüglich speziellere Regelungen fehlen. Die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze zur Abmahnung gehen, als spezielle Regelung, dem § 314 II BGB vor.

II. Funktionen der Abmahnung

Grundsätzlich hat die Abmahnung mehrere Funktionen, die sich auch bei der Verfassung der Formulierung wieder finden sollten, da ansonsten die Abmahnung keine Wirkung entfalten kann.

1. Abmahnungen besitzen eine Hinweisfunktion = Beanstandung des vertragswidrigen Verhaltens

2. eine Erinnerungsfunktion = Erinnerung an vertraglichen Pflichten

3. eine Ermahnungsfunktion = Aufforderung zu künftigem vertragsgemäßen Verhalten

4. eine Warnfunktion bzw. Androhungsfunktion= Hinweis auf arbeitsrechtliche Konsequenzen:

Die letztgenannte Funktion ist die wichtigste. Fehlt diese in der Abmahnung, so ist diese grds. als Ermahnung zu werten, welche nicht die gleiche Wirkung entfaltet, wie die Abmahnung. Die auf eine Ermahnung gestützte Kündigung ist in der Regel unwirksam, es sei denn die Abmahnung ist von Beginn an entbehrlich.

5. die Abmahnung enthält eine Dokumentationsfunktion, sofern sie (was üblich ist) in die Personalakte aufgenommen wird.

III. Entbehrlichkeit der Abmahnung

Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn durch ein Verhalten des Arbeitnehmers, dass Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber derart zerstört ist, dass eine Abmahnung keinen Sinn machen würde. Dies wird in der Regel bei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers im Vertrauensbereich der Fall sein. Zu Störungen im Vertrauensbereich zählen vor allem unerlaubte Handlungen wie:

- Diebstahl

- Unterschlagung

- Betrug, z.B. Spesenbetrug, Arbeitszeitbetrug

- Annahme von Schmiergeldern

- Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber

- Grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder dem Arbeitgeber

- Verrat von Betriebsgeheimnissen

- Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot

- Unsittliches Verhalten gegenüber Mitarbeitern

IV. Mehrere Abmahnungen gleichartiger Wiederholungsfälle

Vorsicht ist bei dem Arbeitgeber geboten, wenn dieser mehrere Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen ausspricht und diesen keine weiteren Konsequenzen folgen. In diesen Fällen geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Warnfunktion der Abmahnung abgeschwächt wird mit der Konsequenz, dass bei einem weiteren gleichartigen Pflichtverstoß keine wirksame Kündigung ausgesprochen werden kann. (Siehe Urteil des BAG, Urteil vom 16.09.2004 - 2 AZR 406/03, http://info-arbeitsrecht.eu/2011/04/verhaltensbedingte-kundigung-abmahnung). Folglich gilt in diesen Fällen für den Arbeitgeber, „weniger ist mehr".

V. Abmahnung mehrere Sachverhalte

Wird durch den Arbeitgeber eine Abmahnung auf mehrere Pflichtverstöße gestützt, so ist diese insgesamt ungerechtfertigt, wenn auch nur ein Vertragsverstoß nicht zutrifft oder gerichtlich nicht nachgewiesen werden kann. Es ist dem Arbeitgeber daher zu empfehlen, mehrere Pflichtverstöße auch mit mehreren Abmahnungen zu sanktionieren. Hier ist jedoch auf die Verhältnismäßigkeit zu achten.

Ist das „Kind bereits in den Brunnen" gefallen, so bleibt dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit eine erneute Abmahnung nur auf den zutreffenden und beweisbaren Pflichtverstoß auszusprechen (BAG, Urteil vom 13.03.1991 - 5 AZR 133/90, http://info-arbeitsrecht.eu/2011/11/abmahnung-wegen-nur-teilweise-zutreffender-vorwurfe).

VI. Formalien

1. Frist und Form für Ausspruch der Abmahnung

Für den Ausspruch einer Abmahnung bestehen keine Fristen. Je länger der Arbeitgeber jedoch hiermit wartet, desto schwieriger wird es mit fortschreitendem Zeitablauf die Pflichtverstöße zu beweisen, die oftmals auf Zeugenaussagen basieren. Das Recht eine Abmahnung auszusprechen kann verwirken, wenn der Arbeitnehmer sich längere Zeit vertragsgetreu verhalten hat.

Auch für den Arbeitnehmer besteht keine Frist gegen die Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen sind auch nicht geeignet, den Anspruch des Arbeitnehmers auf Beseitigung oder Rücknahme der Abmahnung zu begrenzen. (BAG, Urteil vom 14.12.1994 - 5 AZR 137/94, http://info-arbeitsrecht.eu/2011/03/erfassen-ausschlussfristen-den-anspruch-auf-ausspruch-einer-abmahnung).

Die Abmahnung kann grds. formlos erteilt werden, sollte jedoch aus Beweisgründen immer schriftlich erfolgen.

2. Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Abmahnung

Die Anhörung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich nicht erforderlich. Unterlässt der Arbeitgeber die Anhörung, so ist diese zwar formell unwirksam und muss auf Verlangen des Arbeitnehmers aus der Personalakte entfernt werden. Jedoch ist es dem Arbeitgeber dennoch möglich auf diese Abmahnung hin bei gleichartiger Pflichtverletzung eine Kündigung auszusprechen, da die Abmahnung auch mündlich ausgesprochen werden kann (BAG, Urteil vom 21.05.1992 - Az: 2 AZR 551/91, http://info-arbeitsrecht.eu/2011/04/auch-formell-unwirksame-abmahnung-entfaltet-wirkung).

3. Verhältnismäßigkeit der Abmahnung

Die ausgesprochene Abmahnung muss verhältnismäßig sein, d.h. dass einzelne Bagatellverstöße nicht wirksam abgemahnt werden können. (Bsp.: Arbeitnehmer kommt 5 Minuten zu spät zur Arbeit und wird deshalb sofort abgemahnt). Häufen sich diese Verstöße, kann dies jedoch die Verhältnismäßigkeit begründen (Bsp.: Arbeitnehmer kommt zum fünften Mal zu spät zur Arbeit). Aus dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt kann es auch mal durchaus erforderlich sein einen Arbeitnehmer umzusetzen bevor man ihn abmahnt. Nach der Rechtsprechung ist die Umsetzung gegenüber der Abmahnung in aller Regel das mildere Mittel, weshalb diese im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist (BAG, Urteil vom 24.04.1996, AZ: 5 AZR 1031/94, http://info-arbeitsrecht.eu/2011/04/umsetzung-statt-abmahnung-bei-konflikten-zwischen-arbeitnehmern).

4. Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Abmahnung

Eine Anhörung oder Unterrichtung des Betriebsrats ist vor Ausspruch der Abmahnung nicht erforderlich. Der Betriebsrat hat auch keinen Anspruch darauf, einen Einblick in die Personalakte zu nehmen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 83 BetrVG. Wird jedoch im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung der Betriebsrat angehört, so ist dem Betriebsrat auch eine eventuell ausgesprochene Abmahnung sowie ggf. eine erfolgte Stellungnahme des Arbeitnehmers vorzulegen.

XII. Gegenrechte des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer kann als Gegenrecht beim Arbeitgeber eine Gegendarstellung einreichen und verlangen, dass dieses in die Personalakte aufgenommen wird. Weiter kann der Arbeitnehmer verlangen die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen und bei Weigerung des Arbeitgebers diesen Anspruch gerichtlich verfolgen. Stellt das Gericht fest, dass die Abmahnung ungerechtfertigt ist, so muss der Arbeitgeber dieses aus der Personalakte entfernen und verliert somit Ihre Wirkung. Eine Abmahnung ist ungerechtfertigt wenn, sie entweder

- auf unzutreffende Tatsachen beruht

oder

- auf Tatsachen beruht, die vor Gericht nicht bewiesen werden können

oder

- unverhältnismäßig ist

oder

- verwirkt ist

oder

- sie die Grenzen des vertraglichen Rügerrechts überschreitet oder unsachliche Werturteile enthält

oder

- wenn sie nur vermeintliche Verstöße enthält, weil der Arbeitgeber eine rechtlich falsche Wertung vorgenommen hat

oder

- wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte hat.

XIII. Streitigkeiten

1. Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber muss im Streitfalle beweisen, dass der Arbeitnehmer die Abmahnung erhalten hat. Weiter muss er darlegen und beweisen, dass die in der Abmahnung formulierten Vertragsverstöße auch tatsächlich durch den Arbeitnehmer begangen wurden.

2. Streitwert

Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird der Streitwert von den Gerichten regional unterschiedlich bewertet. Die Landesarbeitsgerichte Berlin-Brandenburg und Baden-Württemberg bewerten den Streitwert einer Abmahnung mit einem Bruttomonatslohn.

Aus diesem Streitwert berechnen sich dann auch die Gerichts- und Anwaltskosten. Der Anwalt ist jedoch berechtigt ein höheres Honorar zu verlangen.

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel lediglich als Orientierungshilfe dient und in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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