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Ungleichbehandlung beim Splittingtarif verfassungswidrig

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Auch eingetragenen Lebenspartnerschaften steht der Splittingtarif zu. Und das laut Bundesverfassungsgericht uneingeschränkt. Ein von der Ehe abhängiger Splittingtarif verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Die Regelungen dazu im Einkommensteuergesetz benachteiligen Menschen mittelbar wegen ihrer sexuellen Orientierung und sind daher verfassungswidrig. Vom Gesetzgeber fordern die Richter eine unverzügliche Neuregelung. Lebenspartner haben außerdem rückwirkend bis zur Einführung der Lebenspartnerschaft Anfang August 2001 einen Anspruch auf Zusammenveranlagung. Allerdings darf kein bestandskräftiger Steuerbescheid vorliegen.

Lebenspartnerschaft mit der Ehe vergleichbar

Zuvor haben Entscheidungen des Verfassungsgerichts bereits zur Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartner bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, der Grunderwerbsteuer und beim Familienzuschlag im Rahmen einer Besoldung geführt. Mit dem Splittingtarif fällt nun ein weiteres Eheprivileg. Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigten, konnte das Gericht auch hier nicht erkennen. Bereits seit dem Jahr 2001, dem Jahr der Einführung der im Sprachgebrauch als Homo-Ehe bezeichneten eingetragenen Lebenspartnerschaft, sei diese mit der Ehe vergleichbar. Lebenspartner trügen wie Eheleute einander gegenüber umfangreiche Verantwortung. Später erfolgte Gleichstellungen, wie etwa die seit 2005 auch bei Lebenspartnern automatisch eintretende Zugewinngemeinschaft, bestätigten diese Beurteilung.

Splittingtarif knüpft nur an bestehende Ehe an

Daran ändere auch der maßgeblich für eine unterschiedliche Behandlung ins Feld geführte Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz nichts. Dieser stellt Ehe und Familie unter besonderen staatlichen Schutz. Den Richtern zufolge hängt der Splittingtarif aber nur von einer bestehenden Ehe ab, deren Partner nicht dauernd getrennt leben. Auf Kinder komme es beim seit 1958 existierenden Splittingtarif dagegen nicht an. In diesem Punkt gehen die Richter dabei einen Schritt weiter. Mit Blick auf die Kinderfrage weisen sie zum einen darauf hin, dass es auch nicht in jeder Ehe Kinder gebe. Zum anderen diskriminiere das Ausblenden der Tatsache, dass auch in Lebenspartnerschaften Kinder aufwüchsen, deren Mitglieder erneut wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Die Ehe als Grundlage der Zusammenveranlagung sei verfassungsrechtlich als Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch angelegt. Jeder Partner unterstützt den anderen nach Kräften und teilt das Leid mit ihm. Dass ein Partner dabei den Haushalt führt und der andere für den Broterwerb sorgt oder sie ihr Zusammenleben anders organisieren, bleibt Paaren selbst überlassen. Ob dahinter eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft stehe, sei dabei jedoch kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung.

Sondervotum kritisiert geforderte Rückwirkung

Dass die Entscheidung nicht einstimmig, sondern mit sechs gegen zwei Richterstimmen fiel, ist nicht ungewöhnlich. Selbst Senate ein und desselben Finanzgerichts urteilten bereits unterschiedlich zum Splittingtarif, wie folgender Beitrag zeigt. Ihre abweichende Meinung erläuterten der Richter Landau und die Richterin Kessal-Wulf in einem Sondervotum. Dabei lehnen auch sie eine Gleichstellung nicht ab. Sie kritisierten aber insbesondere die Rückwirkung der Entscheidung bis ins Jahr 2001. Ohne diese hätte die Verfassungsbeschwerde der beiden Lebenspartner, die sich damit gegen die Nichtanerkennung ihrer Zusammenveranlagung in den Jahren 2001 und 2002 wehrten, keinen Erfolg gehabt.

Zur Begründung knüpfen die beiden Richter zum einen an die erst im Jahr 2005 nachträglich geregelte güterrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnern mit Verheirateten an. Erst mit den dadurch eingetretenen Verpflichtungen sei die Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Sinne einer Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch vergleichbar geworden. Vorher könne daher noch keine Ungleichbehandlung vorgelegen haben.

Außerdem kritisierten sie die Meinung ihrer Kollegen in der Kinderfrage. Denn 1958, als der Gesetzgeber den Splittingtarif schuf, sei das Vorhandensein von Kindern in der Ehe selbstverständlich gewesen. Die damaligen Politiker hätten das nicht als erwähnenswert erachten müssen. Auch heute entfällt 91 Prozent des Splittingvolumens auf Ehepaare mit Bezug zu steuerlich relevanten Kindern. Bei Lebenspartnerschaften hätte bei der Entscheidung in diesem Punkt eine eingehendere Betrachtung erfolgen müssen. Es sei jedenfalls nicht von Anfang an selbstverständlich, dass Kinder auch in Lebenspartnerschaften aufwüchsen. Aufgrunddessen wäre allenfalls Lebenspartnerschaften mit Kindern der Splittingtarif rückwirkend zuzuerkennen gewesen. Schließlich verfüge der Gesetzgeber auch über einen Einschätzungsspielraum bei dieser insbesondere familienpolitisch geprägten Steuerfrage, solange deren Vereinbarkeit mit der Verfassung noch nicht hinreichend klar war. Angesichts dessen habe das Bundesverfassungsgericht mit der rückwirkenden Unvereinbarkeitserklärung des derzeitigen Splittingtarifs jedenfalls seine bisherige Rechtsprechungspraxis mit dieser Entscheidung erheblich geändert.

(BVerfG, Beschluss v. 07.05.2013, Az.: 2 BvR 909/06)

(GUE)

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