Unpünktlichkeit – Abmahnung: Wenn Abmahnungen wegen Zeitablaufs unwirksam werden

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„Wiederholte Unpünktlichkeiten eines Arbeitnehmers bilden dann einen wichtigen Grund i. S.v. § 626 Abs. 1 BGB, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreichen. Das trifft zu, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen zu wollen.“ So das LAG Rheinland-Pfalz (Kammer), Urteil vom 03.02.2016 - 4 Sa 147/15; Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Rheinland-Pfalz: „Am 15.01.2014 erschien der Kläger um 7.26 Uhr statt um 7.00 Uhr, am 17.01.2014 um 7.56 Uhr statt um 7.00 Uhr und am 21.01.2014 um 7.19 Uhr statt um 7.00 Uhr. Wegen dieser und einer von der Beklagten behaupteten weiteren Verspätung vom 23.01.2014 wurde der Kläger mit Schreiben vom 24.01.2014 abgemahnt. Die Beklagte behauptet, weil es auch am 24.01.2014 noch zu einer Verspätung gekommen sei, habe man den Kläger in einem Personalgespräch vom 07.02.2014 nochmals darauf hingewiesen, dass weitere Unpünktlichkeiten nicht akzeptiert würden und im Falle einer erneuten Verspätung das Arbeitsverhältnis gekündigt werde. Der Kläger behauptet demgegenüber, am 07.02.2014 sei lediglich der Inhalt des Abmahnungsschreibens vom 24.01.2014 besprochen worden. Weil der Kläger am 25.08.2014 statt um 9.15 Uhr erst um 9.18 Uhr die Arbeit nach Pausenschluss wieder aufnahm, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.08.2014 fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 28.02.2015.“

Kündigung wäre grundsätzlich gerechtfertigt gewesen, wenn nicht bestimmte Abmahnungen „zu alt“ gewesen wären

LAG Rheinland-Pfalz: „Die Abmahnungen aus den Jahren 2005, 2006 und 2007 können indessen keine Berücksichtigung mehr finden. Sie sind nämlich infolge Zeitablaufs und Hinzutretens weiterer Umstände wirkungslos geworden. Der Kläger hat sich - soweit ersichtlich - nach der Abmahnung vom 12.01.2007 bis Januar 2014, und somit über einen Zeitraum von sieben Jahren, nichts zuschulden kommen lassen, wurde mit Schreiben der Beklagten vom Dezember 2012 für seine „gute und harmonische Zusammenarbeit“ belobigt und in einem Zwischenzeugnis vom Januar 2014 u. a. mit „stets zuverlässig und gewissenhaft“ beurteilt. Der Kläger musste daher keinesfalls mehr damit rechnen, dass ihm die sieben Jahre zurückliegenden Abmahnungen zur Stützung einer Kündigung entgegengehalten werden.“ Quelle: Beck-online.de

Prüfungspunkt: Interessenabwägung – fällt wegen 16 jähriger Betriebszugehörigkeitszeit zugunsten des Arbeitnehmers aus, deshalb ist neben der fristlosen auch die ordentliche Kündigung zurückzuweisen

LAG Rheinland-Pfalz: „Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert jedoch jedenfalls am Ergebnis der vorzunehmenden Interessenabwägung. Zwar ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie zweifellos ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der vorgegebenen Arbeitszeiten hat und daher diesbezügliche Verstöße nicht dulden muss. Als im Rahmen der Interessenabwägung unerheblich erweist sich indessen der Hinweis der Beklagten darauf, dass der Kläger auch ein eigenes Unternehmen betreibt. Diesbezüglich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Nebentätigkeit des Klägers in irgendeinem Zusammenhang mit den Pflichtverletzungen steht, und ob der Kläger hieraus ein nennenswertes Einkommen erzielt. Zugunsten des Klägers sind jedoch nicht nur dessen langjährige Betriebszugehörigkeit von über 16 Jahren und seine zumindest gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen, sondern auch, dass er sich ausweislich des Belobigungsschreibens vom Dezember 2012 und nach dem Inhalt des Zwischenzeugnisses vom Januar 2014 in der Vergangenheit als guter und stets zuverlässiger Mitarbeiter erwiesen hat. Darüber hinaus hat der Kläger unstreitig allein in der Zeit von Dezember 2013 bis August 2014 157,72 Überstunden geleistet, woraus deutlich wird, dass er zur Erbringung überobligatorischer Leistungen bereit ist. Zu Störungen im Betriebsablauf haben die Verspätungen des Klägers - soweit ersichtlich - nicht geführt. Es kann auch keinesfalls davon ausgegangen werden, dass durch das Fehlverhalten des Klägers die Disziplin im Betrieb der Beklagten beeinträchtigt wurde. Die diesbezügliche pauschale Behauptung der Beklagten erweist sich als unsubstantiiert. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die seitens der Beklagten nicht näher konkretisierten fragwürdigen Einschätzungen des Klägers zu Produkten der Beklagten auf einer Internetplattform im November 2014. Da es sich hierbei um ein Geschehnis nach Kündigungsausspruch handelt, welches nicht geeignet ist, das Fehlverhalten des Klägers in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, kann der betreffende Vorgang ohnehin nicht mehr in die gerichtliche Beurteilung der streitbefangenen Kündigung einfließen. In Anbetracht all dieser Umstände überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf seiner ordentlichen fünfmonatigen Kündigungsfrist fortzusetzen, deutlich gegenüber dem Interesse der Beklagten an dessen sofortiger Beendigung.“ Quelle: Beck-online.de

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