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Unterhalt für (pflegebedürftige) Eltern – Regress des Sozialamts

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Müssen Kinder Unterhalt für ihre Eltern zahlen?

Auch Kinder sind ihren Eltern gegenüber zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet, sollten diese mangels hinreichendem eigenen Einkommen oder Vermögen bedürftig sein und daher ihren notwendigen Bedarf nicht selbst decken können. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Menschen immer älter werden, gibt es immer mehr Pflegebedürftige, für die hohe Kosten in Pflegeheimen anfallen. Dementsprechend steigt die Zahl der im Alter bedürftigen Personen, da die Kosten des Pflegeheims oftmals die monatlichen Einkünfte übersteigen. Reichen die eigenen finanziellen Mittel der pflegebedürftigen Person trotz der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und einer eventuell vorhandenen privaten Pflegeversicherung nicht zur Deckung aller Kosten aus, springt das Sozialamt ein. Das Sozialamt versucht jedoch, die geleisteten Kosten bei den unterhaltspflichtigen Kindern wieder einzutreiben (der sog. Sozialhilferegress bzw. Unterhaltsregress). Wie dieses Verfahren abläuft und Sie sich als Betroffene/r bei diesem Sozialhilferegress verhalten können und welche Rechte Ihnen zustehen, soll hier in groben Zügen erläutert werden.

Rechtswahrungsanzeige des Sozialamtes 

Das Sozialamt wendet sich zunächst schriftlich, meist per Einschreiben, an die Personen, bei denen es vermutet, dass die bedürftige Person gegen sie Unterhaltsansprüche haben könnte. Das Sozialamt teilt die Überleitung etwaiger zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche auf sich mit und erläutert, dass ab diesem Zeitpunkt keine befreienden Leistungen mehr wirksam an andere erbracht werden können und der möglicherweise Unterhaltsverpflichtete seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht durch Verfügungen, die nach Erhalt dieser rechtswahrenden Mitteilung getroffen werden, verringern oder gar ausschließen könne.

Auskunftspflicht zu den finanziellen Verhältnissen gegenüber dem Sozialamt

Nachdem das Sozialamt die Überleitung möglicher Unterhaltsansprüche angezeigt hat, verlangt es von den potenziellen Unterhaltsschuldnern Auskunft zu deren finanziellen Verhältnissen. Dieses Auskunftsverlangen stellt einen Verwaltungsakt dar. Es kommt daher die Einlegung eines Widerspruchs in Betracht. Da es sich allerdings bis zu diesem Zeitpunkt nur um ein Auskunftsverlangen handelt, gibt es nur wenige Gründe, um ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren zu führen und im Ergebnis die Erteilung über die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse abzuwehren. Neben formalen Mängeln (ein Verwaltungsakt muss bestimmte Formvorschriften einhalten) kommt beispielsweise die offensichtliche Unbilligkeit der Inanspruchnahme in Betracht – die Rechtsprechung setzt allerdings sehr strenge Maßstäbe an, was die „Offensichtlichkeit“ anbelangt.

Da die unberechtigte Verweigerung der Auskunftserteilung eine Ordnungswidrigkeit darstellt und folglich ein Bußgeld nach sich ziehen kann, bietet es sich bei Zweifeln an, schon in diesem Verfahrensstadium einen auf das Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwalt einzuschalten.

Grundsicherung im Alter oder Hilfe zur Pflege?

Die Berechnung einer möglichen Unterhaltspflicht unterscheidet sich je nachdem, welche Leistungen das Sozialamt für die bedürftige Person erbringt. Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen den Leistungen der „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ und den Leistungen der „Hilfe zur Pflege“.

Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung dient der Sicherung des Existenzminimums. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die Kosten einer sozialrechtlich angemessenen Wohnung oder eines Eigenheims (je nach Kommune unterschiedlich hoch) plus den sozialrechtlichen Betrag für die Dinge des täglichen Bedarfs (ab 01.01.2018 pauschal 416,- für erwachsene Alleinstehende). Mehrbedarfe, z. B. bei einer aus gesundheitlichen Gründe notwendigen kostenaufwändigeren Ernährung, können hinzutreten. 

Ein Regress des Sozialhilfeträgers, der lediglich die zuvor genannten Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung erbringt, kommt gegenüber den Kindern nur ab einem jährlichen Gesamteinkommen von über 100.000, - EUR in Betracht.

Diese Einschränkung gilt indes nicht, wenn Leistungen in Form der Hilfe zur Pflege, beispielsweise Pflegeheimkosten, erbracht werden. Sind leistungsfähige Kinder vorhanden, nimmt das Sozialamt sie – aktuell noch – in Regress. Derzeit wird das sog. Angehörigen-Entlastungsgesetz beraten. Der Gesetzentwurf sieht vor, die 100.000, - EUR-Grenze auf die Pflegekosten zu erweitern; geplantes Inkrafttreten des Gesetzes ab 01.01.2020.

Unterhaltspflicht bei wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird anhand des bereinigten Einkommens abzüglich eines sog. Selbstbehalts ermittelt. Das Einkommen wird um bestimmte Beträge wie z. B. berufsbedingte oder krankheitsbedingte Aufwendungen, aber auch Freibeträge für eigene, unterhaltsberechtigte Kinder, bereinigt. Von diesem bereinigten Einkommen steht einer alleinstehenden Person sodann seit 01.01.2017 mindestens ein Selbstbehalt von 1.800,- EUR zu, bei Verheirateten für den Ehepartner zusätzlich ein Selbstbehalt von 1.440, - EUR. Erst wenn das bereinigte Einkommen den Selbstbehalt überschreitet, ist Unterhalt tatsächlich zu leisten.

Neben dem Einkommen ist auch Vermögen einzusetzen. Jedoch sind Rücklagen für die eigene Altersvorsorge oder für Notlagen zulässig. Feste Schonbeträge gibt es hier nicht, jeder Einzelfall muss geprüft werden, wenigstens 10.000, - EUR sind aber anzusetzen. Eine selbstbewohnte Immobilie ist in der Regel ebenfalls geschützt.

Sämtliche Kinder haften nebeneinander, aber ggf. unterschiedlich hoch

Alle Kinder der hilfebedürftigen Person müssen gegenüber dem Sozialamt Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilen und werden bei wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in Regress genommen. Allerdings muss jedes Kind nur im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit zahlen, es kann daher zu unterschiedlichen hohen Zahlungsverpflichtungen bei Geschwistern kommen.

Ausschluss des Unterhaltsanspruchs / Verwirkung

Unter strengen Voraussetzungen kommt es in Betracht, dass ein Unterhaltsanspruch verwirkt ist. Dazu muss eine schwere, vorwerfbare Verfehlung der hilfebedürftigen Person vorliegen. Hat beispielsweise die jetzt hilfebedürftige Person vormals die eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem nun in Anspruch zu nehmenden Kind grob verletzt, kann sich das Kind ggf. auf Verwirkung berufen. Auch die vorsätzliche, schuldhafte Herbeiführung der eigenen Hilfebedürftigkeit kann zum Verlust des Unterhaltsanspruchs gegenüber den eigenen Kindern führen. Der konkrete Einzelfall ist hier entscheidend. Allein, dass langjährig kein Kontakt zum hilfebedürftigen Elternteil bestand, ist nicht ausreichend um der Unterhaltspflicht zu entgehen.

Fazit

Der Sozialhilferegress wird aufgrund der demographischen Entwicklung und höherer Pflegekosten zunehmen. Es können nicht unerhebliche, Jahre andauernde Unterhaltsforderungen des Sozialamtes auf die Kinder hilfebedürftiger Eltern zukommen. 

Kommen Sie aufgrund höheren Einkommens oder aufgrund von Vermögenswerten als Unterhaltspflichtiger in Betracht, sollten Sie frühzeitig Rechtsrat einzuholen und sich zu den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung oder Verringerung eines Unterhaltsregresses in der Zukunft beraten lassen. Spätestens, wenn das Sozialamt mit einem Auskunftsverlangen an Sie herantritt, sollten Sie einen spezialisierten Rechtsanwalt beauftragen, der die Einhaltung der formellen Verfahrensanforderungen und die Berechnungen des Sozialamtes überwacht. Gerne können Sie sich hierzu an die Kanzlei Blume Rechtsanwälte wenden.

Tobias Blume

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht, Berlin


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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