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Verbot von Verteidigertelefonaten zulässig?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]Ein Inhaftierter hat ein Recht auf freien Kontakt mit seinem Verteidiger. Werden Telefonate mit dem Anwalt verboten, ist darin ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren zu sehen.

Besteht beispielsweise die Gefahr, dass ein Beschuldigter Beweismittel, die ihn einer Straftat überführen könnten, vernichtet, kann Untersuchungshaft angeordnet werden. In dieser Zeit hat der Inhaftierte nach § 148 I StPO (Strafprozessordnung) das Recht, mit seinem Anwalt schriftlich oder mündlich effektive Verteidigungsmöglichkeiten zu erörtern. Dazu gehört auch das Recht, mit dem Juristen zu telefonieren. Eine Einschränkung dieses Rechts ist nach § 148 II StPO nur in engen Grenzen möglich.

Telefonat aus organisatorischen Gründen verboten

Eine Frau saß in Untersuchungshaft und wollte mit ihrem Verteidiger telefonieren. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) verbot einen Anruf jedoch. Zur Begründung führte sie aus, dass bei einem Telefonat nicht gewährleistet werden könne, dass tatsächlich der Anwalt am anderen Ende der Leitung spreche. Hinzu komme unter anderem auch, dass das Gespräch aus Sicherheitsgründen nur auf dem Geschäftszimmer der Dienstleitung im Beisein eines Vollzugsbeamten geführt werden könne. Das führe zu einem hohen organisatorischen und personellen Aufwand und sei deshalb nur in dringenden Fällen zulässig. Die Frau solle sich vielmehr zusätzlich einen Anwalt vor Ort suchen, den sie dann persönlich treffen könne. Daraufhin zog die Frau vor Gericht.

Inhaftierte hätte telefonieren dürfen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sah in dem Anrufverbot einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Nach § 148 I StPO dürfen Inhaftierte mündlichen oder schriftlichen Kontakt mit ihrem Verteidiger haben. Zwar kann die Kommunikation nach § 119 I StPO zur Abwehr einer Flucht- Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr beschränkt werden. Das gilt aber nur, wenn der Beschuldigte in U-Haft gemäß § 148 II StPO einer Straftat nach den §§ 129a, 129b StGB (Strafgesetzbuch) verdächtig ist. Das war vorliegend aber nicht der Fall.

Im Übrigen kann ein Vollzugsbeamter beim Anwalt anrufen, um festzustellen, ob der Anwalt tatsächlich der Gesprächspartner ist, bevor er den Hörer an den Inhaftierten weitergibt. Außerdem genießt der Strafverteidiger einen Vertrauensvorschuss; es ist somit davon auszugehen, dass die vom Juristen angegebene Telefonnummer zu seiner Kanzlei gehört. Außerdem hat der Inhaftierte grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Verteidigerkommunikation nicht überwacht wird. Das Argument des hohen organisatorischen und personellen Aufwands greift daher nicht.

(BVerfG, Beschluss v. 07.03.2012, Az.: 2 BvR 988/10)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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