Vermieter muss keine pauschale Mietminderung um 50% akzeptieren

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Der BGH hat am 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) das Urteil zur Gewerbemiete bei coronabedingter Geschäftsschließung veröffentlicht – der Vermieter muss danach keine pauschale Mietminderung um 50% akzeptieren. Der BGH hat vorliegend das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Landgericht Chemnitz – 4 O 639/20, Urt. vom 26.08.2020

Das Landgericht Chemnitz verurteilte die Beklagte auf Zahlung der Miete in einer Höhe von 7.854.000€.

Ein Recht auf Mietminderung nach § 536 BGB bestehe nicht. Auch sei die Gebrauchsüberlassung nicht nach § 275 BGB unmöglich. Damit ist die Gegenleistung, die Miete, auch nicht nach § 326 I BGB entfallen. Die behördlichen Maßnahmen fallen in den Risikobereich des Mieters. Die Nutzung des Objekts sei weiter möglich.

Dagegen bestehe aber eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 I BGB. Allerdings sei ein Festhalten an der normalen Miethöhe für den Mieter nicht unzumutbar, sodass eine Vertragsanpassung gem. § 313 I BGB nicht in Betracht komme. Es sei nicht existenzgefährdend.

Oberlandesgericht Dresden - 5 U 1782/20, Urt. vom 24.02.2021

Das Oberlandesgericht dagegen verurteilte die Beklagte lediglich zu 3.720,09€.

Begründet wurde dies mit § 313 I BGB. Es bestehe eine Störung der Geschäftsgrundlage durch die Schließungsanordnung in der Allgemeinverfügung. Dadurch sei der Vertrag anzupassen. Eine existenzgefährdende Lage sei nicht notwendig. Es genüge eine sog. Äquivalenzstörung zwischen Gebrauchsüberlassung und Mietzahlungspflicht. Diese müsse aber andauern und nicht nur unerheblich sein. Die Erheblichkeit sei gegeben, denn die Schließung dauere zwei Monate – nach mietrechtlichen Wertungen genüge dies auch für eine außerordentliche Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Die Kaltmiete sei damit um die Hälfte zu reduzieren.

Auch nach der Ansicht des OLG sei sowohl § 536 BGB als auch § 275 BGB nicht gegeben.

Urteil des BGH

Nach dem BGH komme für den Gewerbemieter bei einer Geschäftsschließung aufgrund der Corona-Pandemie grundsätzlich ein Anspruch auf Mietanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

Kein Ausschluss nach Art. 240 § 2 EGBG

Ein Ausschluss nach Art. 240 § 2 EGBGB bestehe nicht. Dieser lautet:

„§ 2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen

(1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.

(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.

(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.“
 

Sowohl der Wortlaut als auch der Zweck der Vorschrift sollen lediglich eine mögliche Kündigung durch den Vermieter beschränken. Eine Aussage zur Mietzahlungspflicht wurde hier nicht getroffen.

§ 536 Abs. 1 BGB – Anspruch auf Mietminderung

Auch ein Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 BGB bestehe nicht. Dadurch sei auch kein Anspruch auf Mietminderung nach dieser Vorschrift gegeben.

Die Beschränkung des Gebrauchs der Mieträume stehe nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Beschaffenheit, der Lage oder aber dem Zustand der Mietsache, sondern knüpfe an den Geschäftsbetrieb des Beklagten als Mieterin an. Die Mietsache stehe weiterhin zum vereinbarten Mietzweck zur Verfügung. Auch aus der Vereinbarung „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“ ergebe sich kein Mangel nach § 536 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus Sicht des Vermieters sei darin keine unbedingte Einstandspflicht zu sehen.

§ 313 Abs. 1 BGB – Anspruch auf Vertragsanpassung

In Betracht könnte ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB kommen. Dieser lautet:

„§ 313 Störung der Geschäftsgrundlage

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage

Die Geschäftsgrundlage habe sich durch die Corona-Pandemie schwerwiegend verändert. Bei Abschluss des Vertrages ging keine der beiden Parteien davon aus, dass es zu einer Pandemie kommen werde und damit erhebliche Eingriffe in den Betrieb des Mieters verbunden seien und damit auch eine eingeschränkte Nutzung der Mieträume. Es sei damit die sog. große Geschäftsgrundlage betroffen. Der BGH beschreibt dies: „die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde“. 

Dies werde vor allem durch Art. 240 § 7 EGBGB unterstrichen, denn dieser vermutet, „dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind.“

Parteien hätten Vertrag so nicht geschlossen

Es konnte auch davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie die mögliche Pandemie gekannt hätten.

Unzumutbarkeit für den Mieter

Weiterhin ist erforderlich, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

§ 313 Abs. 1 BGB ist nicht anzuwenden, wenn die Umstände in den Risikobereich einer Person fallen. Eine pandemiebedingte Schließung fällt aber nicht allein den Risikobereich des Mieters. 

Grundsätzlich trägt zwischen Mieter und Vermieter zwar der Mieter das Verwendungsrisiko hinsichtlich der Mietsache. Doch „beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 951 f.; KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 487; Streyl NZM 2020, 817, 822; Warmuth COVuR 2020, 16; 20; Römermann NJW 2021, 265, 268). Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann.“ Es habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. 

Die Unzumutbarkeit für den Mieter muss aber in einer weiteren auf den Einzelfall bezogenen Abwägung festgestellt werden. Dabei sind die Nachteile für den Mieter durch die Schließung des Geschäfts und auch die Dauer der Schließung zu beachten (v.a. Umsatzrückgang). Dem stehen aber auch die Vorteile des Mieters gegenüber, die er aus staatlichen Mitteln erhalten hat. Einer tatsächlichen Existenzgefährdung des Mieters bedarf es aber nicht. Die Vermieterinteressen sind bei der Einzelfallabwägung ebenfalls einzubeziehen. 

Das OLG muss nun prüfen, ob die Nachteile für den Mieter eine Unzumutbarkeit rechtfertigen.

Keine pauschale Mietminderung um 50%

Eine einfache Senkung der Kaltmiete um 50% sei nach BGH nicht möglich. Es wird vielmehr „eine konkret auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller relevanten Umstände erfordert, die nicht durch eine pauschale Aufteilung der Miete ersetzt werden kann.“ Damit besteht keine Pflicht für den Vermieter, eine pauschale Mietminderung um 50% zu akzeptieren.

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