Versetzung – Was nun? Schneller Rat ist (nicht) teuer!

  • 4 Minuten Lesezeit

Die Versetzungsklausel

Regelmäßig behält sich der Arbeitgeber in arbeitsvertraglichen Klauseln vor, die Arbeitnehmer*innen einseitig mit einer anderen Tätigkeit zu betrauen oder an einen anderen Ort versetzen zu können. Dabei handelt es sich um einen sog. Versetzungsvorbehalt.

Für Arbeitnehmer*innen können in solchen Fällen erhebliche Nachteile auftreten. Beispielsweise kann sich der Arbeitgeber durch die Verwendung einer derartigen Klausel das Recht vorbehalten, seine Beschäftigten einseitig an einen anderen Standort zu versetzen, wodurch sie auf Anweisung des Arbeitgebers ihren ständigen Wohnort wechseln müssen.

Was genau versteht man unter einer formularmäßigen Versetzungsklausel?

Nach § 106 GewO hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit mittels seines Direktionsrechts Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung seiner Arbeitnehmer*innen nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Das vertragliche Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst damit auch die Befugnis, den Arbeitnehmer*innen einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen, vgl. BAG Urteil vom 13.06.2012 – 10 AZR 296/11.

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber seine rechtlichen Möglichkeiten zur Versetzung in Formulararbeitsverträgen durch die Verwendung von sog. Versetzungsklauseln erweitern. Durch den Gebrauch erhält der Arbeitgeber ergänzend zu seinem Direktionsrecht die Möglichkeit, seinen Beschäftigten eine andere als die ursprünglich arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zuzuordnen.

Sind Versetzungsklauseln grundsätzlich im Arbeitsvertrag zulässig?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt Versetzungsklauseln in Formulararbeitsverträgen zu verwenden, um seine arbeitsrechtlichen Möglichkeiten zu erweitern. Versetzungsklauseln dienen dem Arbeitgeber zur Mobilität des Arbeitsverhältnisses.

Welcher rechtlichen Kontrolle unterstehen Versetzungsklauseln?

Grundsätzlich wird im Arbeitsvertrag durch die Festlegung des Inhalts der Arbeitsleistung die geschuldete Hauptleistung der Arbeitnehmer*innen definiert. Damit unterliegen Versetzungsklauseln einer AGB-Kontrolle nach § 307 I BGB nur dann, wenn sie über das allgemeine Direktionsrecht nach § 106 GewO hinausgehen. Ansonsten liegt keine Abweichung von einer geltenden Rechtsvorschrift vor, weshalb eine AGB-Kontrolle nicht zur Anwendung kommt, vgl. § 307 III BGB.

Daher ist bei einer Prüfung der Versetzungsklausel nach den Regelungen der §§ 305 ff. BGB zunächst der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, vgl. BAG Urteil vom 25.08.2010 – 10 AZR 275/09. Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt worden ist und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.

Wann sind Versetzungsklauseln unwirksam?

Vertragsklauseln sind im Rahmen der AGB-Kontrolle gem. § 307 BGB unwirksam, wenn sie die Beschäftigten entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 310 IV 2 BGB sind zudem bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.

Nach der Rechtsprechung ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung in der Regel dann unangemessen, wenn der Arbeitgeber missbräuchlich seine eigenen Interessen auf Kosten der Arbeitnehmer*innen durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die gegenseitigen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zu gewähren, vgl. BAGE 103, 180 = NZA 2003, 668.

Im Grundsatz sind Arbeitnehmer*innen jedenfalls dann unangemessen benachteiligt, wenn vom Arbeitgeber nicht gewährleistet werden kann, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand hat, vgl. BAG NZA 2012, 856; 2006, 1149; 2007, 145. Dies gilt auch dann, wenn durch die einseitige Zuweisung zwar die vereinbarte Vergütung gleich bleibt, allerdings die Arbeitnehmer*innen durch die geringwertigere Tätigkeit in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt werden.

Beispielsweise sind Versetzungsklauseln nach § 307 BGB unwirksam, wenn der Arbeitgeber dazu berechtigt wird, den Arbeitnehmer*innen eine andere Tätigkeit mit einer geringeren Vergütung zuzuweisen.

Höchstrichterliche Rechtsunsicherheit bei Versetzungsklauseln

Obgleich das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung geklärt hat, dass der Arbeitgeber seinen Beschäftigten keine geringwertigere Tätigkeit zuweisen darf, besteht Rechtsunsicherheit hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der Versetzungsklauseln durch den Arbeitgeber.

Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass die Formulierung der Versetzungsklausel irgendwie verdeutlichen muss, dass eine Änderung der vertraglich vereinbarten Tätigkeit nur zulässig ist, soweit es sich um eine mindestens gleichwertige Tätigkeit handelt.

Allerdings ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Versetzungsklausel auch ausdrücklich klarstellen muss, dass nur gleichwertige Tätigkeiten zugewiesen werden dürfen oder ob ein klarstellender Hinweis gerade nicht notwendig ist. Das Bundesarbeitsgericht ließ in seinem Urteil vom 21.07.2009 – 9 AZR 279/08 ausdrücklich offen, ob eine Versetzungsklausel diesen konkreten Hinweis enthalten muss.

Was passiert, wenn es an einer Festlegung des Inhalts und des Ortes der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt?

Wenn eine Festlegung des Inhalts oder des Ortes der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag fehlt, ergibt sich der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Es kommt dann auf die Zulässigkeit des darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts nicht an. Die Versetzung durch den Arbeitgeber unterliegt in diesem Fall der Ausübungskontrolle nach § 106 S. 1 GewO, § 315 III BGB, vgl. BAG Urteil v. 29.09.2012 – 10 AUR 311/11.

Die Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. § 315 BGB ist von der Vertragsinhaltskontrolle nach den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB zu unterscheiden und wird auch nicht durch sie ersetzt.

Der Arbeitgeber muss bei Ausübung des Bestimmungsrechts nach § 315 BGB die Grenzen des billigen Ermessens berücksichtigen. Dies verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls miteinzubeziehen wie beispielsweise die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beidseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltspflichten. Demnach hat der Arbeitgeber die gegebenenfalls aufkommenden Nachteile einer einseitigen Versetzung seiner Beschäftigten an einen weit vom häuslichen Umfeld entfernten Standort bei der Entscheidung vorab zu berücksichtigen.

Besteht ein Betriebsrat, ist dieser bei der Versetzung zu beteiligen, § 99 BetrVG. Häufig sind Versetzungen angreifbar. Im Zweifelsfall stehen wir Ihnen gerne mit anwaltlichem Rat zur Verfügung!

Foto(s): 71260_original_R_by_VGMeril_pixelio.de

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Lunow

Beiträge zum Thema