Verstöße gegen das Waffengesetz bei und im Vorfeld von Notwehrhandlungen

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Das Notwehrrecht gemäß § 32 StGB 

Das Notwehrrecht erlaubt eine umfangreiche Verteidigung. Zulässig ist gemäß § 32 StGB jede Verteidigung, die erforderlich und geboten ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Auch der Einsatz von Schusswaffen kann unter bestimmten Voraussetzungen durch Notwehr gerechtfertigt sein. Doch auch wenn der Einsatz einer Schusswaffe zur Verteidigung gerechtfertigt war, führt dies nicht immer zu einer vollständigen Straflosigkeit. Meist kommt eine Strafbarkeit wegen Verstößen gegen das Waffengesetz in Frage.  

Verstöße gegen das Waffengesetz trotz Notwehr

Mit der Frage, wann trotz Notwehr eine Strafbarkeit wegen Verstößen gegen das Waffengesetz in Betracht kommt, musste sich auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2019 (3 StR 400/18) auseinandersetzen.

Der Entscheidung lag der folgende Fall zugrunde:

Der Angeklagte hatte sich mit dem Nebenkläger in seinen Geschäftsräumen verabredet, um bestehende Streitigkeiten zu klären. Da er sich von dem Nebenkläger bedroht fühlte und damit rechnete, dass dieser bewaffnet auftauchen würde, nahm der Angeklagte etwa eine Stunde vor dem Treffen die Pistole Walther 22 aus der Schublade seines Geschäftspartners an sich. Wie von dem Angeklagten befürchtet, eskalierte das Zusammentreffen zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger, der zur Unterstützung auch seinen Bruder mitgebracht hatte. Als der Angeklagte dann zunächst die Polizei verständigen wollte, riss ihm der Nebenkläger das Telefon aus der Hand. Als sein Bruder dem Angeklagten dann ein Klappmesser vorhielt, zog der Angeklagte die Schusswaffe. Schoss zweimal auf den Boden und forderte die beiden Männer dazu auf, zu verschwinden. Ein Streifschuss traf den Nebenkläger am Schienbein. Der Bruder ging daraufhin mit schnellen Schritten auf den Angeklagten zu und forderte ihn auf, die Waffe fallen zu lassen. Um den lebensbedrohlichen Messerangriff abzuwehren, schoss der Angeklagte aus einer Entfernung von 50 bis 80 cm dreimal auf den Bruder, wodurch dieser tödlich getroffen wurde und zu Boden sank.

Das Landgericht Oldenburg bewertete den Totschlag als durch Notwehr gerechtfertigt und verurteilte den Angeklagten daher lediglich wegen dem Führen einer Selbstladekurzwaffe nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. B WaffG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs 

Dem schloss sich der Bundesgerichtshof jedoch nicht an. Zwar halte die Annahme der Rechtfertigung des Totschlags durch Notwehr einer rechtlichen Prüfung stand, jedoch begegne die Würdigung des Geschehens als Führen einer Selbstladekurzwaffe rechtlichen Bedenken.   

Das Führen einer Waffe setze nach dem Waffengesetz voraus, dass die Gewalt über die Waffe außerhalb der eigenen Wohn- und Geschäftsräume ausgeübt wird. Dies sei vorliegend nicht gegeben, da der Angeklagte die Waffe nur in seinen Geschäftsräumen eingesetzt hatte. Folglich lege kein Führen, sondern ein Erwerb mit tateinheitlichem Besitz der Waffe vor.

Zudem habe das Landgericht Oldenburg beim Einsatz der Schusswaffe nicht bedacht, dass sich der Angeklagte in einer Notwehrlage befand. Der Einsatz der Schusswaffe zum Zweck der Notwehr sei zulässig, da dem Angeklagten in der unmittelbaren Notwehrlage kein anderes zur Abwehr der Angriffe geeignetes Mittel zur Verfügung stand. Nach § 32 StGB waren daher nicht nur der Totschlag, sondern auch der Verstoß gegen das Waffengesetz durch die Schüsse gerechtfertigt.

Nicht gerechtfertigt seien indes der Erwerb und Besitz der Schusswaffe vor Eintritt der Notwehrlage, da zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte die Waffe an sich nahm, noch keine gegenwärtige Gefahr vorlag, die der Angeklagte nur durch das Aufnehmen der Waffe hätte abwenden können. Dem Angeklagten, der sich der abstrakten Gefahrenlage bewusst war, wäre es zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen, dem Treffen aus dem Weg zu gehen.   

Der Bundesgerichtshof änderte das Urteil des Landgerichts Oldenburg im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des unerlaubten Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition schuldig ist und im Übrigen freigesprochen wird. Auch hob er das Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Angeklagte kann also darauf hoffen, doch noch eine mildere Strafe zu bekommen.

Fazit 

Erschießt man einen Angreifer in Notwehr, ist also nicht nur das Tötungsdelikt, sondern auch der Einsatz der Schusswaffe nach § 32 StGB gerechtfertigt. Der vorgelagerte Erwerb und Besitz ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn er zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem man den gegenwärtigen Angriff nur noch durch das Aufnehmen der Waffe hätte rechtfertigen können.

Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht 

Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren als Strafverteidiger deutschlandweit auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich wegen Verstößen gegen das Waffengesetz strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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