Anspruch auf Überstundenzuschlag für Lehrer bei Klassenfahrt?

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Haben Lehrer Anspruch auf Überstundenzuschlag oder Mehrarbeitsvergütung bei einer Klassenfahrt? Darüber hatte der VGH Mannheim mit Beschluss vom 28.1.2020 im Falle einer teilzeitbeschäftigten verbeamteten Lehrkraft zu entscheiden (vgl. Quelle: Pressemitteilung des VGH Mannheim vom 05.02.2020).

Sachverhalt

Zugrunde lag der Fall einer (mit 13/25) teilzeitbeschäftigte Gymnasiallehrerin, die gemeinsam mit einem vollzeitbeschäftigten Kollegen an einer mehrtägigen Klassenfahrt nach Berlin teilnahm (a. a. O.). Deren Antrag auf „gehaltsanteilige Vergütung von Mehrarbeit“ bzw. „Zahlung von Vergütung für Mehrarbeitsunterrichtsstunden (MAU)“ wegen der Vollzeitbeschäftigung während der Klassenfahrt führte zunächst zur Zahlung von 628,68 EUR für 12 Stunden Mehrarbeit durch das Landesamt für Besoldung (LBV; a. a. O.).

Nachdem das Regierungspräsidium die Personalräte informiert hatte, die Teilnahme an einer außerunterrichtlichen Veranstaltung stelle rechtlich „keine MAU“ dar, forderte das LBV die ausbezahlte Vergütung für 12 Stunden zurück (a. a. O.). Auf den Widerspruch der Klägerin reduzierte das LBV wegen Mitverschuldens des Dienstherrn (30 %) den Rückzahlungsbetrag auf 440,08 EUR (a. a. O.).

Prozessgeschichte

Die hiergegen von der Lehrerin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10.9.2019 ab (a. a. O.).

Der Klägerin sei Vergütung für 12 Stunden „zu viel gezahlt“ worden. Ihr stehe weder aus § 8 LBesG (sie habe auch während der Klassenfahrt nur einen 13/25-Besoldungsanspruch gehabt) noch aus § 67 Abs. 3 LBG (es liege schon keine „Mehrarbeit“ vor; zudem fehle es an einer entsprechenden „Anordnung oder Genehmigung“) ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung bei Klassenfahrten zu (a. a. O.).

Vielmehr habe sie (lediglich) Anspruch auf innerschulischen Ausgleich durch geringere Heranziehung zu Lehrerdienstleistungen in anderen Bereichen oder der Teilnahme etwa nur an jeder zweiten Klassenfahrt (a. a. O.). Gegen dieses Urteil hatte sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung an den VGH gewandt (a. a. O.).

Entscheidung des VGH Mannheim

Der VGH hat die Berufung nicht zugelassen und das Urteil in der Sache bestätigt. Zwar bedeute die Teilnahme des begleitenden und Aufsicht führenden Lehrers an einer Klassenfahrt für ihn auch beamtenrechtlich durchaus ggf. einen „24-Stunden-Dienst“ (a. a. O.). 

Insoweit bestehe z. B. auch Dienstunfallschutz (a. a. O.). Die Teilnahme einer verbeamteten Lehrkraft an einer Klassenfahrt gehöre dennoch auch bei Teilzeitkräften zum „normalen Schuldienst“ und stelle damit im Rechtssinne grundsätzlich keine „Mehrarbeit“ dar (a. a. O.).

Teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte hätten allein Anspruch darauf, nicht über ihre Teilzeitquote hinaus zur Dienstleistung herangezogen zu werden (a. a. O.). Die Schulleitung müsse der Teilzeitquote entweder bei der Übertragung von Lehrerarbeit Rechnung tragen oder aber einen zeitlichen Ausgleich durch entsprechend geringere Heranziehung zu bestimmten Aufgaben gewähren (a. a. O.). 

Auch unter rein wochenarbeitszeitlicher Betrachtung überobligatorischer Dienstleistung entstehe aber grds. kein zusätzlicher Geldanspruch gegen den Dienstherrn (a. a. O.).

Auch stelle die Anordnung oder Genehmigung einer regulären, im Lehrplan oder üblicherweise vorgesehenen Klassenfahrt durch die Schulleitung grundsätzlich keine Anordnung oder Genehmigung von „Mehrarbeit“ dar (a. a. O.).

Aus den sog. „Besonderheiten des Lehrerberufes“ folge, dass regelmäßig nur die Unterrichtsverpflichtungen konkret festgelegt würden, obwohl die Dienstpflichten einer Lehrkraft nach Ansicht des VGH weit darüber hinausgingen (a. a. O.). Der Gesetzgeber gehe dabei zulässigerweise pauschalierend davon aus, dass die Summe aller Lehrerpflichten bei vollem Deputat trotz rund 12 Wochen Schulferien im Wesentlichen der Jahresarbeitszeit anderer Beamter (derzeit 1.804 Stunden) entspreche (a. a. O.). 

Auch vor diesem Hintergrund sei nach Auffassung des VGH klar, dass eine Tätigkeit, die über die Unterrichtsverpflichtung hinausgehe, aber typischerweise zum Lehrerberuf gehöre, dienstrechtlich grundsätzlich nicht als „Mehrarbeit“ bewertet werden könne (a. a. O.).

Rechtliche Bewertung

Der o. g. Beschluss vom 28.1.2020 (Az. 4 S 2891/19) betrifft demnach zahlreiche Fragestellungen zur dienstrechtlichen Gestaltung der Arbeitszeit/Mehrarbeit (und Abgeltung derselben) im Schuldienst.

Diese Fragen werden beispielsweise für angestellte Lehrkräfte in ständiger Rechtsprechung, etwa des BAG durchaus anders als hier durch den VGH Mannheim bewertet (demnach bestehe Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung oder auf zusätzliche anteilige Vergütung – vgl. BAG, Urteil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 566/04 –, BAGE 115, 12-18 unter Hinw. auf: BAG, Urteil vom 22. August 2001 – 5 AZR 108/00 – BAGE 98, 368).

Dieser vertritt weitgehend die bisherige „Linie“ des BVerwG (vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 – 2 C 61/03 –, BVerwGE 122, 65-75).

Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zur Pflicht des Arbeitgebers zur Einrichtung eines Systems zur Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit (Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit – Art 3, 5 und 6 EGRL 88/2003 – Art 31 Abs 2 EUGrdRCh – EWGRL 391/89 – tägliche und wöchentliche Ruhezeit – wöchentliche Höchstarbeitszeit) vom 14.5.2019 (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – C-55/18 –, juris), die grds. auch für Lehrkräfte im Beamtenverhältnis in der BRD gilt, ist äußerst fraglich, ob die o. g. Begründung auch im Beamtenbereich bei Lehrkräften weiterhin tragen kann.

Die Frage nach dem Anspruch auf Überstundenzuschlag bzw. finanzielle Abgeltung von Mehrarbeit für Lehrer z. B. bei Klassenfahrten wird daher weiter kontrovers diskutiert und in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter Berücksichtigung des höherrangigen Gemeinschaftsrechts beantwortet werden müssen.

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