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Vorfahrtmissachter vs. Geisterfahrer: Welcher Radler haftet?

  • 2 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Immer wieder hört man in den Nachrichten von schweren Unfällen zwischen Auto- und Radfahrern. Dabei kommt es wohl genauso oft zu Zusammenstößen zwischen zwei Radlern. Haften muss dann stets derjenige, der den Unfall verschuldet hat. Problematisch wird es allerdings, wenn sich beide Unfallbeteiligten verkehrswidrig verhalten haben und es nur deshalb zu einer Kollision kam.

Unfall auf dem Radweg

Eine ältere Frau war mit ihrem Rad in entgegengesetzter Fahrtrichtung auf einem Radweg unterwegs. An einer Kreuzung stieß die Rad-Geisterfahrerin mit einem 14-jährigen Radler zusammen, der aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg „geschossen“ kam. Die Frau stürzte und verletzte sich schwer.

Sie verlangte daher vom jugendlichen Vorfahrtmissachter Schadenersatz – er habe damit rechnen müssen, dass Radler den Radweg auch in falscher Richtung befahren. Zu der Kollision sei es somit allein wegen der Vorfahrtmissachtung des Radlers gekommen, daher müsse er auch 100 Prozent des Schadens tragen. Der Biker verweigerte jedoch jegliche Zahlung, weshalb der Streit der beiden Radler vor Gericht endete.

Beide Radler müssen haften

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied: Die Radlerin kann 2/3 des ihr entstandenen Schadens ersetzt verlangen.

Das OLG bejahte eine Haftung des radelnden Teenagers. Schließlich hat er gegen § 10 Satz 1 StVO (Straßenverkehrsordnung) verstoßen: Er ist aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg gefahren, ohne zuvor sicherzustellen, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer durch sein Einfahren gefährdet werden. Wer aus einem verkehrsberuhigten Bereich kommt, muss daher die Vorfahrt sämtlicher anderer Verkehrsteilnehmer achten – und zwar auch die eines Geisterfahrers. Vorliegend fuhr der 14-Jährige einfach auf den Radweg, ohne auf den umliegenden Verkehr zu achten. Bei angemessener Aufmerksamkeit hätte er die Rad-Geisterfahrerin bemerkt und durch ein Abbremsen einen Zusammenstoß mit ihr vermeiden können. Er hat den Zusammenstoß daher überwiegend allein verursacht.

Die Radlerin musste sich jedoch ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen. Immerhin ist sie in der falschen Fahrtrichtung unterwegs gewesen, als der Unfall passierte. Sie hat damit gegen § 2 IV StVO verstoßen: Fehlt ein Verkehrsschild, das eine Radwegbenutzungspflicht vorschreibt, so darf der „linke Radweg“ zwar befahren werden. Das gilt aber nur, wenn es durch das Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ explizit erlaubt wurde. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall – die Radlerin war somit als Geisterfahrerin unterwegs. Sie hätte aus diesem Grund nicht darauf vertrauen dürfen, dass der wartepflichtige Biker das ihr zustehende Vorfahrtsrecht achtet. Stattdessen hätte sie eine Fahrweise wählen müssen, die es ihr ermöglicht, von links kommenden Fahrzeugen rechtzeitig auszuweichen.

(OLG Hamm, Urteil v. 06.06.2014, Az.: 26 U 60/13)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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