Vorladung, Strafbefehl wegen Stalking/ Nachstellung – wie sind die neuen Grenzen seit der Verschärfung?

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Die Straftat der Nachstellung – besser bekannt als Stalking – wurde im Jahre 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügt und ist seitdem zwei Mal geändert worden. 

Seit dem 1. Oktober 2021 gilt die neue Fassung des § 238 StGB, welche einige Änderungen, insbesondere Verschärfungen der Strafbarkeit, enthält.


Welche Strafe droht bei einer Verurteilung wegen Stalking?

Die angedrohte Strafe für Stalking blieb von der Änderung des § 238 StGB unberührt.   

Erweitert und konkretisiert wurden die strafbaren Handlungen, die den Vorwurf „Nachstellung“ nach sich ziehen.


Die Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sanktioniert werden.  


In einem sogenannten besonders schweren Fall (Abs. 2) liegt der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren (z.B. bei einer besonderen Vielzahl an Nachstellungshandlungen). Eine Geldstrafe kommt dann also grundsätzlich nicht mehr in Betracht. 


Die zu erwartende Strafe erhöht sich auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, sofern durch die Tat der Tod des Opfers oder einer dem Opfer angehörigen oder nahestehenden Person verursacht wird. 


Wodurch macht man sich wegen Stalking strafbar?

Die strafbare Handlung des § 238 StGB ist das „Nachstellen“. Der Begriff beschreibt ein Gesamtverhalten, welches sich aus mehreren verschiedenen Handlungen zusammensetzt und sich üblicherweise über einen längeren Zeitraum erstreckt.  Das Verhalten basiert auf einer von dem Täter interpretierten persönlichen Beziehung zu der betroffenen Person. 

In § 238 Abs. 1 Nr. 1-7 StGB sind entsprechende Einzelhandlungen aufgeführt, welche das Merkmal „Nachstellen“ ausgestalten können.


1. Stalking durch Aufsuchen räumlicher Nähe

Von dem „Aufsuchen räumlicher Nähe“ (Nr. 1) erfasst ist, wenn der Täter aktiv eine Entfernung zum Opfer herstellt, durch welches dieses beeinträchtigt werden könnte. 

Typischerweise wird der Person aufgelauert, die Arbeitsstätte aufgesucht oder die Verfolgung vorgenommen.  


2. Strafbares Stalking durch Kontaktierungsversuch durch Kommunikationsmittel 

Der „Versuch des Kontakt-Herstellens durch Kommunikationsmittel“ (Nr. 2) meint das gegen- oder einseitige Senden von Informationen. Dies kann in Gestalt von Bildern, Texten oder Symbolen geschehen und über Telefon, SMS, Post usw.


3. Stalking durch Aufgeben von Bestellungen oder Veranlassung anderer Personen zur Kontaktaufnahme mit dem Opfer

Weitere Handlungen sind das „Aufgeben von Bestellungen“ oder die „Veranlassung Dritter zu Kontaktaufnahme“, jeweils unter missbräuchlicher Verwendung personenbezogener Daten der betroffenen Person (Nr. 3). 

Die Daten der betroffenen Person werden also für Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen verwendet und ihr zugerechnet, z.B. Essenslieferungen oder Annoncen im Namen des Opfers


Beziehungsweise veranlasst der Täter dritte Personen, Kontakt zum Opfer aufzunehmen, indem die personenbezogenen Daten beispielsweise in Annoncen oder Beiträgen in Chatrooms oder Internetforen veröffentlicht werden und die Kontaktaufnahme erbeten wird. Missbräuchlich ist die Verwendung, wenn sie vom Opfer nicht gewollt ist. 


4. Strafbares Stalking durch Bedrohung

Die Bedrohung (Nr. 4) bedeutet, dass der Täter in Aussicht stellt, dass dem Opfer, bzw. einer ihm angehörige oder nahestehende Person eine Körperverletzung o.Ä. zugefügt wird und dies in seiner Hand liegt. 

Entscheidend ist, dass das Opfer diese Drohung ernst nimmt. 


Mit der Gesetzänderung sind die Handlungen Nr. 5 bis 7 eingefügt worden. Die Nr. 8 war in der alten Fassung bereits als Nr. 5 enthalten. 


5. Stalking durch Begehung von Straftaten – Hacking und Ausspähen von Daten 

Die Begehung bestimmter Straftaten (Nr. 5), welche den Lebens- und Geheimnisbereichs der betroffenen bzw. einer ihr angehörigen oder nahestehenden Person verletzen, ist eine weitere Handlung des Stalkings. 

Es wird das Ausspähen von Daten und die Vorbereitung dessen bestraft, zum Beispiel durch Hacking von technischen Geräten oder sozialen Netzwerken.  


6. Stalking durch das Verbreiten von Fotos oder Videos

Werden Abbildungen, d.h. Zeichnungen, Fotos oder Filmaufnahmen verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Nr. 6) liegt ebenfalls eine strafbare Handlung vor. 


7. Strafe wegen Stalking durch Identitätstäuschung

Die Verbreitung oder Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit von bestimmten Inhalten unter falscher Identität (Nr. 7) erfasst Fälle, in welchen z.B. Texte oder Fotos veröffentlicht werden und der Eindruck entsteht, sie würden von der betroffenen Person stammen. Es muss sich um Inhalte handeln, durch welche das Opfer sich verachtungswürdig erscheinen könnte. 


Diese Auflistung möglicher strafbarer Verhaltensweisen ist nicht abschließend. Auch mit den eben aufgelisteten Handlungen vergleichbare Handlungen können eine Strafe wegen Stalkings nach sich ziehen. Vergleichbare Handlungen (Nr. 8) können jegliche Verhaltensweisen sein, die nicht von den Nr. 1-7 erfasst sind, aber eine gewisse Vergleichbarkeit aufweisen. 


Wann mache ich mich wegen Stalking strafbar?

Allein die Vornahme einer solchen Stalking – Handlung genügt noch nicht, um sich wegen Stalking strafbar zu machen. 


Weiterhin ist notwendig, dass diese Handlungen wiederholt vorgenommen werden. Wiederholt bedeutet, dass objektiv mehrfach, d.h. mindestens zwei Mal eine solche Handlung vorgenommen wurde. 

In der Gesetzesänderung hat der Begriff „wiederholt“ die „Beharrlichkeit“ ersetzt. Damit wurde das Erfordernis gestrichen, dass der Täter bewusst den entgegenstehenden Willen der betroffenen Person missachtet oder Gleichgültigkeit gegenüber deren Interessen zeigt und erkennen lässt, auch weiterhin dazu bereit zu sein. 


Nunmehr ist allein die objektive Komponente der Wiederholung ausreichend. 


Darüber hinaus muss das Stalking dazu geeignet sein, die Lebensgestaltung der betroffenen Person nicht unerheblich zu beeinträchtigen.  

Die Beurteilung wird anhand von objektivierenden Kriterien vorgenommen. Ausreichend ist, dass nach diesen Gesichtspunkten ein Anlass für eine Verhaltensänderung besteht, wobei beispielsweise die Häufigkeit, Kontinuität und Intensität von Handlungen oder bereits eingetretene Folgen eine Rolle spielt. 


Nicht unerheblich ist zum Beispiel die Aufgabe der Wohnung oder Arbeitsstelle sowie die Verstärkung von Sicherheitsvorkehrungen. 

Nicht erheblich ist eine Beeinträchtigung dagegen wohl beispielsweise bei dem Betrieb eines Anrufbeantworters oder der Wechsel der E-Mail-Adresse. 


Auch bezüglich dieses Merkmals wurde die Schwelle zur Strafbarkeit gesenkt. Vor der Gesetzesänderung war die Eignung zur „schwerwiegenden“ Beeinträchtigung Voraussetzung. 


Der Täter muss zudem unbefugt handeln, das heißt ohne Einverständnis des Opfers oder sonstige Befugnis.  


Wann droht eine höhere Strafe für Stalking?

In § 238 Abs. 2 StGB sind die besonders schweren Fälle geregelt, welche seit der Gesetzesänderung 2021 existieren. 


Der erhöhte Strafrahmen ist „in der Regel“ für die in Nr. 1-7 aufgezählten Fälle vorgesehen. Allerdings können auch andere Verhaltensweisen als besonders schwere Fälle kategorisiert werden. Gleichzeitig kann das Vorliegen eines besonders schweren Falls des Stalkings für ein dort aufgelistetes Beispiel abgelehnt werden, obwohl die Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind. 

Ob ein besonders schwerer Fall von Stalking vorliegt und entsprechend eine höhere Strafe verhängt wird, ist eine Entscheidung des konkreten Einzelfalles. Hier zeigt sich der Vorteil der Hinzuziehung eines spezialisierten Fachanwalts für Strafrecht. Dieser weiß, welche Faktoren hier eine Rolle spielen können und kann seine Verteidigungsstrategie entsprechend danach ausrichten.


Ein besonders schwerer Fall von Stalking kann vorliegen, wenn der Täter durch die Tat eine Gesundheitsschädigung verursacht (Nr. 1). Diese kann das Opfer oder eine ihm nahestehende oder angehörige Person betreffen und erfasst physische oder psychische Schädigungen. 


Die Verursachung einer Todesgefahr oder Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (Nr. 2) war zuvor bereits gesetzlich geregelt, stellt nunmehr aber einen besonders schweren Fall dar. Die jeweilige Gefahr muss im konkreten Fall tatsächlich angelegt sein und kann z.B. bei Suizidalität oder bestimmten Panikreaktionen wegen einer Verfolgung o.Ä. angenommen werden. 


Eine Vielzahl an Tathandlungen (Nr. 3) setzt mindestens zehn Handlungen über einen Zeitraum von sechs Monaten voraus. Auch die Frequentierung der Handlungen spielt dabei eine Rolle. 


Der Einsatz eines Computerprogrammes zum Ausspähen von Daten (Nr. 4) wird ebenfalls höher bestraft, wenn das Programm speziell dem Ausspähen dient. 


Geregelt ist außerdem die Verwendung von Abbildungen, insbesondere Bildaufnahmen, welche durch das Ausspähen von Daten der betroffenen Person erlangt wurden (Nr. 5). Dies erfasst unter anderem die Weiterleitung von Fotos, die mittels Hacking erlangt wurden. 


In Nr. 6 ist die Verwendung von Inhalten, die durch ein Ausspähen von Daten erlangt wurden, um die betroffene Person öffentlich herabzuwürdigen, geregelt. 


Zuletzt wird an Altersgrenzen angeknüpft, sodass bei einem Täter über 21 Jahren und einem Opfer unter 16 Jahren ein besonders schwerer Fall in der Regel bejaht wird (Nr. 7). 


Höhere Strafe für Stalking, wenn deswegen das Opfer stirbt

Der in § 238 Abs. 3 StGB geregelte Fall, dass der Tod des Opfers oder einer ihm angehörigen oder nahestehenden Person verursacht wird, sieht verschärfte rechtliche Konsequenzen vor. 


Dies ist erfüllt, wenn der Täter eine der dargestellten Handlungen vornimmt und dadurch zumindest fahrlässig eine der o.g. Personen stirbt. Der Tod muss also im unmittelbaren Zusammenhang mit der Tat stehen und eine vorhersehbare Folge dessen darstellen. 


Bei einem Suizid, der in Folge des Stalkings begangen wurde, kann oftmals von einer Verursachung des Todes ausgegangen werden. 


Wann wird wegen Stalking die Strafverfolgung aufgenommen?

Seit der Gesetzesänderung handelt es sich bei dem § 238 StGB grundsätzlich nicht mehr um ein sogenanntes Antragsdelikt. 

Zuvor wurde die Tat in bestimmten Fällen lediglich verfolgt, wenn von der betroffenen Person ein Strafantrag gestellt wurde. Ohne einen solchen Antrag fand eine Strafverfolgung nur statt, wenn ein „besonderes öffentliches Interesse“ vorlag, also beispielsweise, wenn zu befürchten war, dass das Opfer aus Angst keinen Antrag stellen würde oder diesen möglicherweise zurücknimmt. 

Grund dafür war, dass dem Opfer die Entscheidung überlassen werden sollte, ob es sich den Belastungen eines Strafverfahrens aussetzen will. 


Nunmehr wird die Tat auch ohne einen Strafantrag verfolgt, sobald die Ermittlungsbehörden Kenntnis erlangen. Es besteht dann eine Verfolgungspflicht; auf den Willen der betroffenen Person kommt es nicht an. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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