Vorwurf: Betriebsrat soll verhindert werden oder Betriebsratswahl wurde manipuliert – ​Gericht: kein Missbrauch gegeben

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Südkurier titelt am 28.08.2023 wie folgt: „Fall vor Arbeitsgericht ist abgesagt: Wird jetzt ein Betriebsrat gegründet? Zwei gekündigte Mitarbeiter konnten sich mit einem Villinger Unternehmen einigen. Was jetzt mit einer geplanten Arbeitnehmervertretung passiert?

Automobilwoche.de schreibt am 16.06.2023: „Porsche - Streit um Betriebsratswahl geht weiter - Die für ungültig erklärte Betriebsratswahl bei Porsche wird die Gerichte weiterhin beschäftigen: Sowohl das Unternehmen als auch der Betriebsrat haben Rechtsmittel eingelegt.“

Einigung vor dem Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen

Südkurier vom 28.08.2023: „Fortsetzungstermin beim Villinger Arbeitsgericht abgesagt: Zwei Mitarbeiter akzeptieren gegen Zahlung einer Abfindung die Kündigung, die Frage einer Betriebsratsgründung spielt dabei keine Rolle mehr.  Für einiges Aufsehen sorgte im Juli eine Güteverhandlung vor dem Villinger Arbeitsgericht: Zwei Mitarbeiter wehrten sich gegen ihre Kündigung. Die sei ihrer Ansicht nach nur ausgesprochen worden, weil sie einen Betriebsrat gründen wollten. Eskortiert wurden sie von Funktionären der IG Metall. Jetzt sollte es zu einem Fortsetzungstermin kommen. Doch der fand gar nicht statt. Warum? Er sei abgesagt, bestätigt der Sprecher des Arbeitsgerichts, …auf Nachfrage. Die zwei Mitarbeiter hätten sich mit dem Unternehmen gütlich geeinigt. „Die Arbeitsverhältnisse wurden gegen Zahlung einer Abfindung beendet.“

Anfechtung der Betriebsratswahl bei Porsche geht in die zweite Instanz

Automobilwoche.de: „Der juristische Streit um die Betriebsratswahl beim Autobauer Porsche AG am Standort Zuffenhausen geht weiter. Sowohl Porsche als auch der Betriebsrat legten Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart ein, welches die Wahl im April für unwirksam erklärt hatte, wie eine Unternehmenssprecherin am Freitag mitteilte. Hintergrund der Gerichtsentscheidung war, dass knapp 100 Mitarbeiter der Porsche Dienstleistungs GmbH in Leipzig, die unter anderem für die Kantinen zuständig ist, nicht hätten mitwählen dürfen. Nun muss sich das Landesarbeitsgericht mit dem Fall befassen.“

Betriebsbegriff falsch ausgelegt, deshalb Anfechtung der Betriebsratswahl erfolgreich; laut Gericht keine Beweise für angebliche Manipulationen an den Urnen

Stuttgarter Zeitung.de schreibt am 06.04.2023„Arbeitsgericht Stuttgart - Betriebsratswahl bei Porsche in Zuffenhausen für unwirksam erklärt“…“Mitarbeiter“…“argumentierten unter anderem, dass an den Wahlurnen Plomben gefehlt hätten und Teile der Belegschaft zu kurzfristig informiert worden seien. Für all diese Punkte sah“ das Gericht „aber keine Anhaltspunkte. Es habe keine Manipulationen und keine Ungereimtheiten gegeben. Solche Anfechtungsgründe seien nicht erkennbar gewesen.“

Arbeitsgericht Stuttgart sieht keinen Raum für Manipulationen

Ein Blick in die Urteilsbegründung des Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2023 – 21 BV 54/22 -, veranschaulicht, dass die Betriebsratswahl bei Porsche nicht deshalb als unwirksam erklärt worden ist, weil es angeblich zu Manipulationen an der Wahlurne gekommen ist, sondern der Betriebsbegriff wurde falsch ausgelegt. Dass der „Betriebsbegriff“ in Deutschland ein Streitthema ist, liegt an der umfangreichen und sicherlich auch komplizierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen des Begriffs „Betrieb“.

Arbeitsgericht Stuttgart stellt wie folgt am 06.04.2023 fest: „Verkennt damit der Wahlvorstand bei einer Betriebsratswahl den Betriebsbegriff gemäß §§ 1, 4 BetrVG, führt dies regelmäßig zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl (BAG, Beschluss vom 19.11.2003 – 7 ABR 25/03 m.w.N.). Die Verkennung des Betriebsbegriffs stellt nämlich eine Verletzung wesentlicher Vorschriften des Wahlrechts (§ 7 BetrVG), der Wählbarkeit (§ 8 BetrVG) und des Wahlverfahrens dar. Sie beeinflusst auf jeden Fall das Wahlergebnis und führt daher ohne weiteres zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 1 BetrVG.“

Betriebsteil räumlich zu weit entfernt vom „Hauptbetrieb“ 

Arbeitsgericht Stuttgart: „Unter Zugrundelegung des oben Gesagten stellt der Betrieb in L. mit einer räumlichen Entfernung von über 460 km und einer einfachen Fahrzeit mit dem PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln von weit mehr als 4 Stunden zum Hauptbetrieb einen räumlich weit entfernten Betriebsteil dar. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei in der Vergangenheit bereits bei einer Wegezeit von insgesamt 50 Minuten im Einzelfall einen räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernten Betrieb angenommen (BAG, Beschluss vom 17.05.2017 – 7 ABR 21/15). Will ein Arbeitnehmer ein Betriebsratsmitglied kontaktieren, wird er mit Sicherheit regelmäßig davon abgehalten, eine reine Fahrzeit von 4 Stunden auf sich zu nehmen, dasselbe gilt für die Kosten. Eine effektive sinnvolle Betriebsratsbetreuung der im Betriebsteil L. beschäftigten Mitarbeiter ist vom Hauptbetrieb aus nach den obigen Grundsätzen nicht möglich. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Betriebsrat des Betriebs Z., wie im Kammertermin vom Betriebsratsvorsitzenden ausgeführt und von den Antragstellern nicht bestritten, in der Vergangenheit sich für den Betrieb L. effektiv und zum Wohl der Gesamtheit der dort Beschäftigten eingesetzt hat. Gleichwohl kann bei dieser räumlichen Entfernung die Ansprechbarkeit eines einzelnen Betriebsratsmitglieds durch einen Arbeitnehmer bei kurzfristigen Angelegenheiten nicht gewährleistet werden.“

Arbeitsrecht für Arbeitgeber heißt im Besonderen auch, sich von möglicherweise eher ideologisch geprägten Vorhaltungen nicht beeindrucken zu lassen. Wenn also ein Betriebsrat oder ein Wahlvorstand den rechtlichen Begriff „Betrieb“ falsch auslegt, dann liegt damit gemäß ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein Anfechtungsgrund vor, der zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führen kann. Mit „Betriebsräte verhindern“, hat das nichts zu tun. Nichts anderes gilt, wenn ein Arbeitgeber sich mit Arbeitnehmern vor Gericht einigt und einen Vergleich, gerichtet auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, abschließt, dann ist das ein Fakt, der unzählige Male in Deutschland Tag ein, Tag aus, passiert.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.


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