Vorwurf: Fälschung von Impf-/Genesenen-Nachweisen oder Testergebnissen! Was droht dem Arbeitnehmer?

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Aufgrund des Infektionsschutzgesetzes (vgl. § 28b Abs. 1 IfSG alte Fassung) galt bis zum 20. März 2022 am Arbeitsplatz die sog. 3-G-Regelung. Dies hatte zur Folge, dass Arbeitnehmern der Zugang zum Arbeitsplatz nur noch gestattet war, wenn sie geimpft, genesen oder negativ getestet waren.

In manchen Fällen kommt beim Arbeitgeber der Verdacht auf, dass Arbeitnehmer die entsprechenden Nachweise zu ihrem Impf- oder Genesenen-Status bzw. über ein negatives Testergebnis gefälscht haben könnten.

Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen solcher Fälschungen können gravierend sein. So könnten Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen oder diesem sogar die ordentliche bzw. außerordentliche (fristlose) Kündigung aussprechen.


I. Verhaltensbedingte Kündigung

Hat der Arbeitnehmer einen (schwerwiegenden) Pflichtverstoß begangen, so kann der Arbeitgeber ihm eine sog. verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Solche Pflichtverstöße können vielseitig sein; eine Verletzung der oben genannten Nachweispflicht durch eine Fälschung würde jedenfalls hierunter fallen (vgl. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 18.2.2022 – 11 Ca 5388/21; ArbG Köln, Urteil vom 23.03.2022 - 18 Ca 6830/21).

Bei einer solchen verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber im Falle einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung die Tatsachen aber beweisen, welche die Kündigung begründen.

Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nach § 28b Abs. 3 IfSG dazu verpflichtet ist, die Einhaltung der Nachweispflichten durch Nachweiskontrollen täglich zu überwachen und regelmäßig zu dokumentieren.

Bestreitet der Arbeitnehmer jedoch die Fälschungen und kann der Arbeitgeber diese trotz seiner Dokumentationspflichten nicht entsprechend nachweisen, wird eine solche verhaltensbedingte Kündigung in der Regel unwirksam sein.


II. Verdachtskündigung

Neben einer solchen verhaltensbedingten Kündigung kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aber auch wegen des bloßen Verdachts einer Pflichtverletzung die Kündigung aussprechen. Eine solche Kündigung begründet sich dann nicht im Verhalten des Arbeitnehmers, sondern in seiner Person, weil der Verdacht der Pflichtverletzung dem Arbeitnehmer anhaftet. Für eine solche Verdachtskündigung existieren jedoch strenge Voraussetzungen.

1. Dringender Verdacht

Es muss der dringende Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung gegeben sein. Diese erhebliche Pflichtverletzung müsste eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können, wenn sie beweisbar wäre. Der Verdacht muss aber auch so konkret sein, dass der Verstoß praktisch feststeht, vom Arbeitgeber aber lediglich nicht endgültig bewiesen werden kann.

Die Fälschung der oben genannten Nachweise zum Impf- oder Genesenen-Status bzw. über einen negativen Test dürfte eine solche erhebliche Pflichtverletzung darstellen, weil damit nicht nur gegen gesetzliche Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes verstoßen, sondern unter Umständen sogar strafrechtlich relevante Handlungen begangen werden. Besteht also der dringende Verdacht, dass derartige Nachweise gefälscht wurden, kann auch eine Verdachtskündigung begründet sein.

2. Anhörung des Arbeitnehmers

Da der Vorwurf der Fälschung allerdings nicht feststeht, muss der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen.

Hierzu gehört auch die Anhörung des Arbeitnehmers zu den vorgebrachten Vorwürfen. Der Arbeitgeber muss die Vorwürfe dabei so konkret wie möglich bezeichnen. Denn der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, gegenüber diesen Vorwürfen Stellung zu beziehen und diese gegebenenfalls auszuräumen. Der Arbeitgeber muss im Anschluss der Anhörung die vom Arbeitnehmer vorgetragenen entlastenden Umstände ernsthaft prüfen.

Eine Pflicht des Arbeitnehmers, etwaige alte Testzertifikate dem Arbeitgeber erneut vorzulegen, dürfte aber nicht bestehen. Denn grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Dokumentationspflicht. Der Arbeitnehmer kann selbstverständlich die Vorwürfe durch die Vorlage ordnungsgemäßer Testergebnisse entkräften. Der Arbeitgeber darf im Umkehrschluss aber nicht die Schlussfolgerung ziehen, die Zertifikate seien gefälscht gewesen, wenn der Arbeitnehmer diese nicht mehr vorlegen kann oder will.

Eine solche Anhörung kann im Übrigen schriftlich oder im Rahmen eines Personalgesprächs erfolgen. Entsteht beim Arbeitgeber ein solcher dringender Verdacht, so muss die Anhörung außerdem in der Regel innerhalb einer Woche erfolgen.

Ist eine solche vorherige Anhörung nicht erfolgt, ist die Verdachtskündigung in jedem Fall unwirksam.


III. Ordentliche bzw. außerordentliche Kündigung

Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit eine ordentliche Kündigung (mit Kündigungsfrist) oder eine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung auszusprechen. Hierbei gibt es Unterschiede.

1. Außerordentliche bzw. fristlose Kündigung

Bei erheblichen Pflichtverstößen wird der Arbeitgeber in der Regel eine außerordentliche bzw. fristlose Kündigung aussprechen. Für diese gelten weitere wichtige Voraussetzungen.

Der Pflichtverstoß muss so gravierend sein, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zumutbar ist. Das Interesse des Arbeitgebers an der unmittelbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss also das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers und ob es zuvor bereits zu Pflichtverletzungen (und Abmahnungen) gekommen ist oder ob der Arbeitnehmer bislang völlig beanstandungsfrei gearbeitet hat.

Außerdem gilt für die außerordentliche Kündigung eine zwei Wochen Frist nach § 626 Abs. 2 BGB. Das heißt, der Arbeitgeber muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen, nachdem er von den Umständen Kenntnis erlangt hat, die die Kündigung begründen. Diese Frist beginnt aber erst dann zu laufen, wenn der Arbeitgeber infolge der Anhörung des Arbeitnehmers weitere Nachforschungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat und sich der Verdacht sodann bestätigt bzw. verhärtet hat.

2. Ordentliche Kündigung

Eine ordentliche Verdachtskündigung ist ebenfalls nur wirksam, wenn der dringende Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung besteht und der Arbeitnehmer zuvor angehört wurde.

Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist darüber hinaus auch nur dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer wegen desselben Verhaltens zuvor bereits abgemahnt wurde. Eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen wirksam.


IV. Was tun, wenn man die Kündigung erhält?

Wichtig ist: Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann nur innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang beim Arbeitnehmer gerichtlich geltend gemacht werden. Ist diese Frist verstrichen, so gilt die Kündigung grundsätzlich als wirksam. 

Ein solcher Kündigungsschutzprozess ist außerdem fast immer sinnvoll. Denn in vielen Fällen wird der Arbeitgeber den Verstoß nicht beweisen können oder an anderen Kündigungsvoraussetzungen wie der oben beschriebenen Anhörung scheitern. Außerdem enden viele solcher Prozesse in einem Vergleich zwischen den Parteien, wodurch der Arbeitnehmer unter Umständen noch eine Abfindung erlangen und etwaige negative Folgen der Kündigung abwenden kann.

Deshalb sollte sich der Arbeitnehmer nach Erhalt der Kündigung unmittelbar rechtlich beraten lassen, wenn er dagegen vorgehen möchte.

Haben Sie eine solche Kündigungen wegen Fälschungen von Nachweisen über den Impf- bzw. Genesenen-Status oder Testergebnissen erhalten? Sind Sie sich unsicher, ob diese wirksam ist? Dann kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung. Wir überprüfen die Wirksamkeit der Kündigung und helfen Ihnen dabei, diese gerichtlich überprüfen zu lassen.


Rechtstipps zu den strafrechtlichen Konsequenzen beim Vorwurf der Fälschung der Impf-/Genesenen- oder Testnachweise finden Sie hier:

  1. Fälschung von Corona-Impfpässen hier. 
  2. Geldstrafe/ Strafbefehl wegen Corona-Impfpassfälschung hier
  3. Hausdurchsuchung wegen Corona-Impfpassfälschung hier
  4. Einstellung des Verfahrens wegen Corona-Impfpassfälschung hier. 




Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/beziehung-mann-frau-k%c3%bcndigung-2822420/

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