VW-Abgasskandal: Neuwagenkäufer haben bis 10 Jahre nach Kauf Anspruch auf Restschadenersatz

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Neuwagenkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (Motor EA 189) können noch bis zu zehn Jahre nach Kauf Restschadenersatz vom Hersteller fordern: Dies gilt, sofern sie das Fahrzeug noch vor dem 22.09.2015 erworben haben. Der Anspruch ergibt sich aus § 852 S. 1 BGB und gesteht dem Käufer auch dann Schadenersatz zu, wenn der Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB bereits verjährt ist. Dies hat der BGH mit seinen Urteilen vom 21.02.2022 (Az. VIa ZR 8/21 und Az. VIa ZR 57/21) entschieden.   

1. Höhe des Restschadenersatzes

Der zu fordernde Restschadenersatz nach § 852 S. 1 BGB umfasst das bei der Volkswagen AG „Erlangte“: dies betrifft in der Regel den Kaufpreis (im Fall des Direkterwerbs vom Hersteller) bzw. den Händlereinkaufspreis (im Fall des Erwerbs des Fahrzeugs über einen Händler). Hierauf muss sich der Käufer eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer anrechnen lassen und das Fahrzeug herausgeben.

2. nicht vom Restschadenersatz umfasste Aufwendungen

Finanzierungskosten für den Kauf (Zinsen) bzw. vor einer Klage anfallende Kosten eines Rechtsanwalts sind nach § 852 S. 1 BGB hingegen nicht erstattungsfähig.

Der Herstellerin ist es verwehrt, auf die Kaufpreise Herstellungs- und Bereitstellungskosten anzurechnen, da diese bewusst sittenwidrig und damit bösgläubig gehandelt hat.

3. kein Ausschluss des Anspruchs wegen vorher zumutbarer Klage nach § 826 BGB

Dem Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB steht nicht entgegen, dass der Schadenersatz gegen die Herstellerin auch vor Ablauf der Verjährungsfrist für den Anspruch aus § 826 BGB ohne Schwierigkeiten hätten eingefordert werden können. Die Vorinstanzen hatten den Anspruch der Kläger nach § 852 BGB deshalb noch verneint.

4.  Im Zweifel ist Eile geboten

Neuwagenkäufern steht damit immer noch ein Weg offen, den Kauf eines Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 (überwiegend) rückgängig zu machen. Im Zweifel ist aber Eile geboten, da auch der Anspruch nach § 852 S. 1 BGB verjährt. Dies erfolgt taggenau zehn Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags. Zudem setzt der Anspruch weiterhin voraus, dass die Volkswagen AG sittenwidrig handelte. Dies trifft nach Auffassung des BGH nur für Käufe zu, die vor dem 22.09.2015 abgeschlossen worden sind. Eine spätere Zahlung des Kaufpreises – nach dem 22.09.2015 - ist hingegen unschädlich.

5. Rechtslage bei Gebrauchtwagenkäufern

Gebrauchtwagenkäufern, die ihr Fahrzeug nicht unmittelbar von der Volkswagen AG erworben haben, steht demgegenüber kein Anspruch aus § 852 S. 1 BGB zu. So hat der BGH entschieden, dass die Herstellerin aus einem Gebrauchtwagenverkauf (Zweitverkauf) nichts mehr erlangt (vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2022, Az. VII ZR 365/21, VII ZR 396/21 u. a.). Etwas anderes kann gelten, wenn der Gebrauchtwagen von der Volkswagen AG direkt erworben worden ist.

Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der Telefonnummer 069-770 394 690 bzw. per Mail unter neumann@kanzlei-2vier2.de zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit über 15 Jahren in der Prozessführung tätig. Er vertritt seit 2016 Geschädigte (Aktionäre und Autokäufer) im Abgasskandal gegen verschiedene Hersteller.



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