Weniger Geld für Frauen - Ihre Rechte gegenüber Arbeitgebern

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Rechtsanwalt Dr. Bert Howald, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Stuttgart, erklärt, wie die Regeln nach Einführung des Entgelttransparenzgesetzes aussehen:

Das Bundesfamilienministerium hat noch vor der Bundestagswahl ein Entgelttransparenzgesetz („Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“) vorgelegt, welches vom Bundestag verabschiedet wurde und seit Juli 2017 gilt.

1. Habe ich als Frau denn wirklich einen Anspruch darauf, gleich viel zu verdienen wie meine männlichen Kollegen?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Howald:

Bereits vor Einführung des Entgelttransparenzgesetzes galt das Gebot der „Entgeltgleichheit“, also des gleichen Lohns oder Gehalts für Männer und Frauen bei gleichwertiger oder gleicher Arbeit. Dies folgt bereits aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts verbietet (§ 3 AGG).

§ 8 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes lautet:

„Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.“

Damit ist z. B. gemeint, dass Frauen nicht deshalb weniger verdienen dürfen, weil sie gerade in Mutterschutz sind. Dies ist schon wieder etwas sehr Spezielles, die Regelung zeigt aber, dass es einen Grundsatz der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen geben muss, sonst machte die Regelung keinen Sinn.

Das Entgelttransparenzgesetz enthält nunmehr auch diesen Grundsatz:

§ 3 Absatz 1 des Entgelttransparenzgesetzes lautet:

„Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten.“ Absatz 2 der Vorschrift lautet dann: „Eine unmittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt erhält, als eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts erhält, erhalten hat oder erhalten würde.“

Die Benachteiligung „wegen des Geschlechts“ ist also nach der hier vertretenen Auffassung nicht erst dann gegeben, wenn neben der Wenigerbezahlung von Vertretern des anderen Geschlechts noch weitere benachteiligende Umstände hinzukommen. Die geringere Bezahlung selbst stellt bereits die Benachteiligung dar. Sie ist auch so gut wie nie gerechtfertigt. Denn das will das Gesetz ja gerade nicht: Dass Frauen am Ende doch weniger als Männer verdienen, nur weil sie Frauen sind.

Die Antwort lautet also: Frauen dürfen bei der Bezahlung nicht deshalb schlechtergestellt werden wie Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, nur weil sie Frauen sind. Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gibt es fast nie eine Rechtfertigung für eine schlechtere Bezahlung von Frauen.

2. Der Arbeitgeber bestreitet, dass meine männlichen Kollegen mehr verdienen oder dass sie gleiche oder gleichwertige Arbeit machen. Was nun?

Antwort von Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Howald:

Die Benachteiligte muss darlegen, dass ihre Kollegen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit mehr verdienen. Bislang war dies nahezu unmöglich. In der weit überwiegenden Zahl der bekannten Gerichtsfälle haben Frauen es nicht geschafft, die hohen Nachweishürden für eine benachteiligende Geringerbezahlung zu erklimmen.

In einem – wegen der Einzelheiten besonderen – Fall hatte der Arbeitgeber im Rahmen einer Beförderungsentscheidung zugunsten männlicher Bewerber der nicht zum Zuge gekommenen weiblichen Beschäftigten gesagt, sie solle sich „doch auf ihr Kind freuen.“ Diese Aussage wertete die Kammer des Landesarbeitsgerichts als Indiz für eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

LAG Berlin-Brandenburg v. 28.06.2011 − 3 Sa 917/11

Auch heute noch besteht im Normalfall mangels weiterer Indizien, die für eine Geschlechterbenachteiligung sprechen, die entscheidende Schwierigkeit darin, überhaupt erst einmal Tatsachen zusammenzutragen, die auf eine geschlechterbasierende Entgeltbenachteiligung schließen lassen. Das Entgelttransparenzgesetz kann hier weiterhelfen, denn es regelt einen sogenannten Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber.

Experten warnen jedoch: Auch das Entgelttransparenzgesetz verhilft nur zu mehr Information, nicht aber zu einem automatischen Anspruch gegen Arbeitgeber. So ist schon umstritten, ob die Auskunft, dass der Gehaltsdurchschnitt der Männer höher liegt als der der die Auskunft begehrenden Frau, ausreicht, um eine Benachteiligung zu beweisen. Viele Juristen bezweifeln das. Denn statistische Angaben seien nicht immer geeignet, um eine Benachteiligung zu belegen.

3. Wie finde ich denn heraus, was meine männlichen Kollegen verdienen?

Wenn die männlichen Kollegen ihr Gehalt nicht preisgeben, bleibt nur übrig, den Arbeitgeber zu befragen. Der Auskunftsanspruch in § 10 des Entgelttransparenzgesetzes ist aber nur in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten gegeben. Der Gesetzgeber wollte dies so: Er wollte kleinere Betriebe ausschließen. Der oder die Benachteiligte muss seinen/ihren Auskunftsanspruch in Textform gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Dazu muss sie in zumutbarer Weise als Vergleichstätigkeit eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit benennen.

4. Was muss der Arbeitgeber mir im Rahmen der Auskunft nach § 10 EntgTranspG mitteilen?

Antwort von Fachanwalt Dr. Howald:

Die Benachteiligte kann Auskunft über das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt der vergleichbaren Mitarbeiter des anderen Geschlechts und über bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile bekommen. Zweck dieser Regelung ist, dass nicht nur Auskunft über die Gesamtvergütung, sondern auch über einzelne Entgeltbestandteile erteilt wird, bei denen die Benachteiligte die Diskriminierung bzw. Schlechterbezahlung vermutet.

Der Arbeitgeber muss also einen auf Vollzeit hochgerechneten Durchschnittswert, den „Median“ des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts, angeben, außerdem muss er die weiteren Entgeltbestandteile, jeweils bezogen auf ein Kalenderjahr, angeben.

5. Ich habe eine Auskunft bekommen. Ich verdiene tatsächlich zu wenig. Was mache ich nun damit?

Antwort von Fachanwalt Dr. Howald:

Interessanterweise steht dazu nichts im Entgelttransparenzgesetz! Aber wie oben unter Ziff. 1 gesehen, gibt es gleichwohl – das ist allgemein anerkannt – einen Rechtsanspruch auf diskriminierungsfreie gleiche Bezahlung. Dieser sollte dann gegenüber dem Arbeitgeber eingefordert werden. Außerdem kann der/die Benachteiligte eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fordern. Das genaue Vorgehen sollte jedoch mit einem Rechtsanwalt, idealerweise mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht besprochen werden.

Denn die Tatsache, dass die männlichen Kollegen, die das Gleiche machen, im Schnitt (also nicht zwingend alle) mehr verdienen, verhilft – wie gesehen – nach Auffassung vieler Juristen noch nicht zu einem Anspruch auf mehr Geld. Denn es bedarf nach Auffassung dieser Juristen weiterer Indizien für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

6. Was mache ich, wenn ich in einem kleineren Betrieb arbeite?

Antwort von Fachanwalt Dr. Howald:

In Betrieben mit 200 Beschäftigten oder weniger gilt das Entgelttransparenzgesetz nicht. Eine Entgeltbenachteiligung nach § 8 Abs. 2 AGG ist jedoch nicht durch die Betriebsgröße begrenzt. Natürlich ist auch eine Verletzung des Gebots gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit in einem kleineren Betrieb eine verbotene Benachteiligung im Sinne von § 3 AGG. Hierfür bedarf es aber des Vortrags von Indizien im Sinne von § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Hürden hierfür dürften aber noch höher sein als für die Geltendmachung einer Entgeltdifferenz nach Erteilung einer zutreffenden Auskunft durch den Arbeitgeber gemäß § 10 des Entgelttransparenzgesetzes.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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