Wenn der Staat zur Presse wird – die Staatsferne der Presse als Marktverhaltensregel

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In Zeiten, in denen immer mehr private Verlage um ausreichend Käufer für ihre Zeitungen und Zeitschriften bangen und insbesondere im ländlichen Raum kleine Lokalzeitungen vor zunehmenden Problemen stehen, ist zusätzliche staatliche Konkurrenz besonders ungern gesehen. Vor diesem Hintergrund ist die Klage eines Zeitungsverlages gegen die Stadt Crailsheim zunächst wenig verwunderlich. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben jedoch zu enormer Aufmerksamkeit geführt und letztendlich sogar den Bundesgerichtshof beschäftigt.

Aus dem Amtsblatt wurde ein Stadtblatt

Die Stadt Crailsheim brachte seit 1968 ein Amtsblatt heraus, das schon damals den Namen „Stadtblatt“ trug. Neben den amtlichen Mitteilungen und einem Anzeigenteil gab es jedoch auch einen zunehmend professionalisierten redaktionellen Teil. Ab 2016 wurde das Stadtblatt dann sogar kostenfrei an Bürgerinnen und Bürger der Stadt Crailsheim verteilt.

Hiergegen ging ein privater Zeitungsverlag vor, der in der staatlich finanzierten, redaktionellen Publikation einen Verstoß gegen das aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse sah. Auch sah er in dieser verfassungsrechtlichen Regelung eine sog. Marktverhaltensregel – und den Verstoß hiergegen damit als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.

BGH bestätigt: Staatsferne der Presse ist Marktverhaltensregel

Der zuletzt angerufene BGH entschied mit Urteil vom 20.12.2018 (Az.: I ZR 112/17), dass die Stadt ein derart aufbereitetes Stadtblatt nicht (mehr) kostenfrei verteilen dürfte. Das Gebot der Staatsferne der Presse setze der öffentlichen Hand zugunsten anderer Marktteilnehmer – insbesondere der institutionell geschützten privaten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung – enge Grenzen. Auch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) rechtfertigt es letztlich nicht, dass die Stadt hier eine ernsthafte und sogar kostenfreie Konkurrenz zu den privat verlegten Zeitungen herausbringt.

Dabei ist aber nicht jede kommunale Publikation mit einer Art redaktionellem Teil direkt eine rechtswidrige Konkurrenz. Vielmehr müsse eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, bei der Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde, unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds, untersucht werden.

Die Betrachtung im Einzelfall kann schwierig sein

Von Gemeinden herausgegebene Zeitschriften sind auch heute noch üblich und werden in Zeiten, in denen bereits viele private Verlage vom Markt verschwunden sind, auch in den Gemeinderäten populärer. Da die Gemeinden sich aber zugleich zunehmend privater Hilfe bedienen, werden hier die Grenzen des Zulässigen schnell aus den Augen verloren. Dies geht zu Lasten etablierter und institutionell geschützter Lokalzeitungen. 

Trotzdem ist es schwierig im Einzelfall die Grenzen festzulegen, wann die Gemeindezeitschrift zu presseähnlich wird und wann sie noch ein rechtmäßiges Informationshandeln darstellt. Hier ist professionelle Hilfe sinnvoll.

Neben der Staatsferne der Presse gilt es eine Vielzahl weiterer Marktverhaltensregeln zu befolgen – sowohl für Gemeinden als auch private Zeitungsverlage. Sollten Sie Unterstützung bei der Beurteilung der eigenen oder Angebote Dritter haben, zögern Sie nicht sich vertrauensvoll an uns zu wenden.

Rechtsanwalt Dennis Tölle 

Tölle Wagenknecht Rechtsanwälte Partnerschaft mbB



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