Veröffentlicht von:

Wer im Internet Hass und Hetze liked, kann vom Richter ein Dislike bekommen

  • 3 Minuten Lesezeit

In sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter agieren viele Internet-Nutzer bekanntlich besonders asozial und stoßen aus der (vermeintlichen!) Anonymität heraus Hasskommentare, Beleidigungen und Hetze aus. Etwas zurückhaltendere Nutzer beschränken sich darauf, solche Posts zu „liken“ bzw. den „Daumen nach oben“ oder „Gefällt mir“ zu klicken.

Viele Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind der Ansicht, dass das Klicken des Like-Buttons kaum weniger schlimm ist als die Hassnachricht selbst und legen entsprechend ähnliche straf- und zivilrechtliche Bewertungsmaßstäbe an.

Das kann für den „Liker“ erstaunlich unangenehme Folgen haben…

„Der Liker macht sich den Beitrag zu eigen“

Zunächst hatten sich vermehrt Arbeitsgerichte mit der Frage zu befassen, wie „Like“, „Gefällt mir“ oder auch das „Herzchen“ im Hinblick auf rechtswidrige Kommentare und Nachrichten zu werten sind.

Einzelne Gerichte vertraten hier die Ansicht, dass das „Liken“ (gleich mittels welcher Symbolik) keine große Aussagekraft habe und insofern kein eigenes Unrecht darstellt. Andere Gerichte urteilten jedoch in der Folgezeit in entgegengesetzter Stoßrichtung und setzten den begangenen Unrechtsgehalt von „Hass-Poster“ und „Liker“ quasi auf eine Stufe. Denn, so manch Tenor, der „Liker“ mache sich den Hass-Beitrag im Grunde zu eigen.

Letztere Ansicht hätte strenggenommen die Konsequenz, dass ein „Like“ unter einem beleidigenden Post folgerichtig eine eigene Verwirklichung von § 185 StGB darstellte. Entsprechendes gilt demnach für Volksverhetzung, Verleumdung und weitere einschlägige Straftatbestände.

Ebenso folgerichtig drohten dem „Liker“ dann auch zivilrechtliche Ansprüche durch die jeweiligen Opfer von Hate Speech. Auf Abmahnungen könnten Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen folgen. Hatten die „gelikten“ Inhalte einen arbeitsrechtlichen Bezug, drohten auch insoweit Konsequenzen.

Bzw. kann es hier noch gravierender kommen: Auch wenn das „Like“ zunächst keinerlei Bezug zu einem Arbeitsverhältnis hatte, können selbst zeitlich weit zurückliegende „Likes“ für Probleme sorgen, wenn der potenzielle „Chef von Morgen“ beim Bewerber-Screening auf einschlägige „Likes“ stößt.

Auch im Falle einer bereits erfolgten Einstellungszusage durfte etwa die Bundespolizei einem Bewerber die Einstellung noch verwehren, nachdem zwischenzeitlich ungebührliche „Likes“ des Bewerbers bekannt geworden sind (siehe VG Aachen, Beschluss vom 26.08.2021 – 1 L 480/21).

Die designierte „Quarks“-Moderatorin Nemi El-Hassan erfuhr gar eine Art mediales Bewerber-Screening, das unter anderem vergangene „Likes“ der Journalistin unter jedenfalls fragwürdigen Inhalten aufgriff. Als Reaktion beendete der WDR die Zusammenarbeit letztlich endgültig, noch bevor sie wirklich begonnen hatte.

1 „Like“ = 1 Strafbefehl

Ein besonderes Zeichen setzte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Diese verfolgte konsequent alle identifizierbaren „Liker“ von Hassrede in Bezug auf die rechtsextremen Terrorakte von Hanau. Wer hier Nachrichten und Kommentare, die die vorgenannten Taten verherrlichten, etwa mit einem „Daumen nach oben“ bei Facebook goutierte, fand mitunter postwendend einen Strafbefehl in seinem Briefkasten vor. ‚Belohnung und Billigung von Straftaten‘ gemäß § 140 StGB lautete der Tatvorwurf.

Gab es Zeiten, in denen selbst die „gelikte“ Hassnachricht an sich kaum einmal von den Strafverfolgungsbehörden verfolgt wurde, lässt sich insoweit ein Paradigmenwechsel feststellen. Scheinbares Motto der Behörden: In puncto Internetkriminalität – insbesondere im Bereich Hate Speech – ist mit uns nicht mehr gut Kirschen essen.

Verklickt? Is‘ klar…

Wer sich mit der Ausrede „aber ich hab‘ mich bei dem Like doch nur verklickt“ aus der Verantwortung stehlen möchte, wird damit regelmäßig auf taube (Ermittler- bzw. Richter-) Ohren stoßen. Denn meist wird das betreffende Nutzerverhalten in dem jeweiligen (a)sozialen Netzwerk ein eindeutiges Bild zeichnen. Denn wer einmal Hassrede „liked“, der macht das tendenziell auch ein zweites und drittes Mal. Und so oft kann man sich gar nicht verklicken…

Tipp: Elterliches Augenmerk auch auf den Mobber-Anhang

Wenn Eltern feststellen, dass ihre Kinder von strukturellem Cybermobbing betroffen sind, sollte das Augenmerk durchaus auch auf die „Liker“ gelegt werden. Denn es ist für das Kind besonders verletzend, wenn der schreibende Mobber auch noch sichtbaren Rückhalt genießt.

Ist dann eruiert, dass es immer dieselben Leute sind, die die digitale Seelenzerstörung honorieren und unterstützen, sollte ggf. zusätzlich zum Verfasser der Kommentare auch die feige und „treue“ Gefolgschaft zur entsprechenden Unterlassung aufgefordert werden.

Das kann dann erstmal auf die sanfte Art und Weise probiert werden. Fruchtet das nicht, darf es dann auch gerne mal eine Strafanzeige mitsamt „Abmahnung“ sein. Denn wer nicht hören will, muss fühlen. Und die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte werden in puncto Hass und Hetze im Netz erfreulicherweise immer einfühlsamer.

RA Robin Nocon, www.nocon-recht-digital.de

PS: Auch in Internet-Bewertungen muss es gesittet zugehen. Bei Interesse: Bewertungen löschen (lassen) von A bis Z


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Robin Nocon

Beiträge zum Thema