Widerruf: EuGH stärkt die Rechte der Verbraucher

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Inhaltsverzeichnis 

  1. Mögliche Widerrufsgründe
  2. Wann besteht ein Widerrufsrecht?
  3. Was passiert, nachdem der Widerruf erklärt wurde?
  4. Was sagt der EuGH in seiner Entscheidung vom 09.09.2021 
  5. Welche Feststellungen hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 09.09.2021 getroffen?
  6. Kann sich die finanzierende Bank auf die „Verwirkung“ berufen?
  7. Fallbeispiele
  8. Empfohlene Vorgehensweise für Autokreditnehmer


Das Wichtigste vorab:            

Rund 90 % der seit 2010 geschlossenen Autokreditverträge sind widerrufbar. Der Widerruf beendet den Kreditvertrag und der Autokauf wird rückabgewickelt. Gegen die Rückgabe des Autos erhalten die Verbraucher von der finanzierenden (Auto-)Bank die Raten und eine etwaig gezahlte Anzahlung zurück.

1. Mögliche Widerrufsgründe

In der Vergangenheit wurden zahlreiche (Immobilien-)Kredite widerrufen, da sich das sinkende Zinsniveau zu Gunsten der Verbraucher änderte. Geschlossene Kreditverträge konnten ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung beendet und ein neuer Kreditvertrag mit günstigeren Zinskonditionen abgeschlossen werden.

Auch Autokäufer haben in der Vergangenheit etliche Kredite widerrufen. Mit den widerrufenen Kreditverträgen wurden meist vom Diesel-Skandal betroffene Fahrzeuge finanziert. Aber auch der Wunsch nach einem anderen Fahrzeug kann der Grund für den Widerruf sein. Verbraucher sollten die vom Europäischen Gerichtshof (kurz: EuGH) gestärkten Rechte nutzen.

2. Wann besteht ein Widerrufsrecht?

Verbrauchern, die einen Darlehensvertrag abschließen, steht grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB zu. Über dieses Widerrufsrecht müssen die Banken belehren. Darüber müssen die Banken Verbrauchern weitere Verbraucherkreditinformationen zur Verfügung stellen, § 247 EGBGB.

Binnen 14 Tagen ist der Verbraucherkreditvertrag widerrufbar. Wird über das Widerrufsrecht gar nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrt, kann der Widerruf auch später wirksam erklärt werden. Auch unterlassene oder fehlerhaft erteilte Informationspflichten verlängern das Widerrufsrecht.

Die Belehrung- und Informationsfehler sind vielfältig, nicht auf alle kann hier eingegangen werden.

3. Was passiert, nachdem der Widerruf erklärt wurde?

Wird der Widerruf erklärt, muss der Verbraucher den Kreditvertrag nicht weiter bedienen. Zudem kann er von der finanzierenden Bank die Raten sowie eine etwaig geleistete Anzahlung für das Fahrzeug zurückverlangen. Im Gegenzug ist das finanzierte Auto an die Bank zurückzugeben.

Voraussetzung ist, dass der Kaufvertrag und der Kreditvertrag sogenannte verbundene Verträge sind. Von einem solchen Verbundgeschäft ist regelmäßig auszugehen, wenn das Auto über den örtlich ansässigen Händler verkauft wurde und dieser auch die Finanzierung des Autokaufs vermittelt hat.

Weist die Bank den Widerruf zurück, sollte spätestens dann rechtlicher Rat eingeholte werden. Wir empfehlen Verbrauchern, sich schon vor der Widerrufserklärung beraten zu lassen. Die Kosten der Rechtsverfolgung werden regelmäßig von Rechtsschutzversicherungen übernommen. Dahingehende Deckungsanfragen stellen wir regelmäßig kostenlos und begleiten unsere Mandaten von Beginn an.

4. Was sagt der EuGH in seiner Entscheidung vom 09.09.2021 

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 09.09.2021 die Rechte der Verbraucher gestärkt. Das Landgericht Ravensburg (Az. 2 O 294/19, 2 O 328/19, 2 O 315/19) hat im Rahmen sogenannter Vorabentscheidungsersuchen mehrere Fragen dem europäischen Gerichtshof vorgelegt (C-33/20, C-155/20, C-187/20). Bankseits waren die Volkswagen Bank GmbH, die Skoda Bank, Zweigniederlassung der Volkswagen Bank GmbH und die BMW Bank GmbH verklagt worden.

Die mit den vorgenannten Banken geschlossenen Kreditverträge konnten auch nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist widerrufen werden, da die Widerrufsbelehrung und/oder die Verbraucherkreditinformationen (von den Banken oft als „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ bezeichnet) fehlerhaft waren.

5. Welche Feststellungen hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 09.09.2021 getroffen?

Seit der EuGH-Entscheidung vom 09.09.2021 steht fest:

  • Die Bank muss den Verzugszinssatz zu Beginn des Vertrages mit einem konkreten Prozentzinssatz angeben.

  • Die Bank muss die Anpassung des Verzugszinssatzes konkret beschreiben.

Was bedeutet das? 

Leistet der Kreditnehmer seine monatlich vereinbarten Zins- und/oder Tilgungsraten nicht rechtzeitig, gerät er mit der Zahlung in Verzug. Der Bank steht im Falle des Verzugs ein sogenannter Verzugszins zu. Eben dieser Zins ist konkret anzugeben.

Unser Fazit:    

Viele Kreditverträge enthalten keinen konkreten Prozentsatz und sind schon aus diesem Grund widerrufbar. Hinzu kommt, dass eine große Anzahl der abgeschlossenen Verträge die Anpassung des Verzugszinses während der Laufzeit nicht nachvollziehbar darstellen. Beide Informationen sind nach der Entscheidung des EuGH allerdings zwingend. Verstöße ermöglichen einen Widerruf auch nach Ablauf von 14 Tagen.

 In den meisten Fällen steht den Verbrauchern wegen dieses Verstoßes ein Widerrufsrecht zu!

  • Der Durchschnittsverbraucher muss anhand der Angaben im Kreditvertrag die von ihm zu leistende Vorfälligkeitsentschädigung ermitteln können.

Was bedeutet das?

Wird der Kreditvertrag durch den Kreditnehmer/Verbraucher vorzeitig beendet, ist die Bank grundsätzlich berechtigt eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung muss anhand der Informationen im Kreditvertrag von einem durchschnittlichen Verbraucher bestimmt werden können.

Unser Fazit:    

In der überwiegenden Zahl der von uns geprüften Kreditverträge werden nur die finanzmathematischen Rahmenbedingungen erläutert. Der Grund für diese allgemeinen Angaben, die nach der EuGH Entscheidung jedoch nicht ausreichend sind, war, dass der BGH nur die Angabe der Rahmenbedingungen verlangte. 

 In den meisten Fällen steht den Verbrauchern wegen dieses Verstoßes ein Widerrufsrecht zu!

  • Die finanzierende Bank muss den Verbrauchern die wesentlichen Informationen zu den außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitteilen.

Was bedeutet das?

Die finanzierende Bank muss den Verbraucher nicht nur darüber informieren, dass ein außergerichtliches Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren existiert, sondern auch über die Kosten, die formalen Voraussetzungen etc.

Unser Fazit:    

Die meisten Verträge verweisen nur auf die Homepage der Beschwerdestelle. Ein solcher Verweis auf die Homepage reicht dem EuGH nicht aus. Mit den Beschwerdestellen sind die Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetztes (kurz: VSBG) gemeint. Unser Partner, Rechtsanwalt Sascha Borowski, ist seit Jahren u.a. im Bereich der alternativen Streitbeilegung nach dem VSBG tätig und Mitherausgeber sowie Autor des Standardkommentars zum VSBG [Verlinkung zum Kommentar].

 In den meisten Fällen steht den Verbrauchern wegen dieses Verstoßes ein Widerrufsrecht zu!

VI. Kann sich die finanzierende Bank auf die „Verwirkung“ berufen?

Widerrufsrechte können nicht verjähren, allerdings kann das Recht des Verbrauchers verwirkt sein. Der EuGH hat am 09.09.2021 dem Einwand der Banken eine Absage erteilt. Auf die Verwirkung kann sich die finanzierende Bank nicht berufen, wenn sie fehlerhaft belehrt und/oder unzureichend informiert hat.

VII. Fallbeispiele: 

1. Fall: Widerruf eines laufenden Kreditvertrages 

Der Käufer erwirbt ein Auto zu einem Kaufpreis von 15.200,00 €. Einen Betrag von 5.000,00 € zahlt er an, der verbleibende Betrag von 10.200,00 € sowie die einmalige Prämie für die Restschuldversicherung von weiteren 471,63 € finanziert er anteilig über die vom Verkäufer angebotene Bank.

Folge für den Kreditnehmer:      Widerruft der Käufer/Kreditnehmer den Kreditvertrag, muss er die künftigen Raten nicht mehr zahlen. Der Kreditvertrag ist beendet. Die Anzahlung sowie die bereits geleisteten Raten kann der Kreditnehmer gegen Rückgabe des Autos an die Bank von dieser zurückverlangen.

2. Fall: Widerruf des Kreditvertrages nach vollständiger Erfüllung des Vertrages 

Der Käufer erwirbt ein Auto zu einem Kaufpreis von 15.940,00 €. Einen Betrag von 8.900,00 € zahlt er an, der verbleibende Betrag von 7.040,00 € sowie die einmalige Prämie für die Restschuldversicherung von. weiteren 292,34 € finanziert er anteilig über die vom Verkäufer angebotene Bank.

Folge für den Kreditnehmer:      Widerruft der Käufer/Kreditnehmer den Kreditvertrag, kann er die Anzahlung sowie die Tilgungsleistung gegen Rückgabe des Autos von der Bank verlangen.

3. Fall: Widerruf des Kreditvertrages nach vollständiger Erfüllung des Vertrages und Veräußerung des Autos

Der Käufer erwirbt ein Auto zu einem Kaufpreis von 23.900,00 €. Einen Betrag von 7.500,00 € zahlt er an, den verbleibende Betrag von. 16.400,00 € finanziert er über die vom Verkäufer angebotene Bank. Nach Zahlung der Schlussrate verkauft der Käufer das Auto für 8.031,46 €.

Folge für den Kreditnehmer:         Widerruft der Käufer/Kreditnehmer den Kreditvertrag, kann er die Anzahlung sowie die Tilgungsleistung unter Anrechnung des Verkaufspreises von. 8.031,46 € von der Bank verlangen.

8. Empfohlene Vorgehensweise für Autokreditnehmer

Finanzierte Autokäufe können regelmäßig widerrufen werden. Autokäufern, die den Kauf zumindest teilweise über eine Bank finanzierten, raten wir, den Widerruf prüfen und sich beraten zu lassen.

  • Im Rahmen der kostenlosen Erstberatung sichten wir die überlassenen Unterlagen und geben Ihnen eine Einschätzung, ob der Vertrag widerrufbar ist. Unsere Ersteinschätzung erfolgt durch ausgewiesen spezialisierte Rechtsanwälte, die Ihnen das Ergebnis gerne telefonisch oder per E-Mail erläutern.
  • Sollten Sie sich für den Widerruf des Vertrages entscheiden, begleiten wir Sie von Anfang an.
  • Wir stellen für Sie eine Deckungszusage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung und zeigen Ihnen in jeder Lage des Verfahrens etwaige Kosten auf.
  • Sollte der Widerruf zurückgewiesen werden, erarbeiten wir für Sie individuell die effektivste Strategie zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche.

Der Klageweg ist dabei nur eine von zahlreichen Möglichkeiten.

Die außergerichtliche Streitbeilegung stellt oft eine kostengünstige Alternative zur Klage dar, wie unser Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Sascha Borowski bestätigt. An hunderten Streitbeilegungsverfahren war er beteiligt und konnte für seine Mandanten sehr gute Ergebnisse erzielen. Seine Expertise ist durch zahlreiche Fachveröffentlichungen in diesem Bereich belegt VSBG Verbraucherstreitbeilegungsgesetz von Borowski , Röthemeyer , Steike -  978-3-8487-6798-4 | Nomos Online-Shop (nomos-shop.de) .

Unsere Erstberatung ist kostenlos.

Wir prüfen für Sie, ob auch Ihr Kreditvertrag von der neuen EuGH-Entscheidung betroffen ist und unterstützen Sie außergerichtlich und gerichtlich dabei, Ihr Widerrufsrecht gegenüber der Autobank durchzusetzen. 

Seit über zwölf Jahren vertrete ich, Rechtsanwalt Sascha Borowski, als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrechts sowie geprüfter ESUG-Berater, DIAI sowie Partner der Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp erfolgreich Investoren sowohl bei der Durchsetzung als auch bei der Abwehr von Ansprüchen in- und außerhalb des Insolvenzverfahrens.

Buchalik Brömmekamp Rechtsanwälte zählt zu den markführenden Insolvenz- und Sanierungsberatern und wurde vielfach, so u. a. vom FOCUS zur TOP Wirtschaftskanzlei im Bereich Insolvenz & Sanierung ausgezeichnet.

Setzen Sie sich gern mit uns in Verbindung:

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Foto(s): Canva


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