Witwengeld: auch bei kurzer Ehedauer keine Versorgungsehe

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Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Urteil vom 15.06.2016; gerichtliches Aktenzeichen: 4 S 1562/15) hat entschieden, dass ein bereits vor Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung des verstorbenen Beamten getroffener Heiratsentschluss ein besonderer Umstand im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG sein kann, der die Vermutung der Ehe als bloßer Zweck zur Verschaffung einer Versorgung für die Witwe (Versorgungsehe) entkräftet.

Im entschiedenen Fall klagte eine Witwe auf Gewährung von Witwengeld aus § 19 BeamtVG. In Anbetracht dessen, dass sie im Zeitpunkt des Todes ihres damaligen Ehemanns jedoch noch nicht mindestens ein Jahr mit diesem verheiratet war, wies die zuständige Behörde ihren Antrag zurück. Sie erkannte keinen besonderen Umstand an, der die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegen würde.

Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs muss die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben, der Heiratsentschluss aber nicht aufgegeben sein. Zur Bestimmung dessen, ob ein wirklichkeitsnaher Grund vorliegt, sind auch die subjektiven Erwägungen der späteren Eheleute zu berücksichtigen.

Es ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob die für die Verschiebung der Hochzeit angeführten Gründe „objektiv“ oder „zwingend“ waren.

Darüber hinaus ist die gesetzliche Vermutung des § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG bereits dann als widerlegt anzusehen, wenn die Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen dem Versorgungszweck zumindest gleichwertig sind.

Damit schloss sich der VGH der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.01.2016, Az. 2 C 21.14) zur Bestimmung eines „besonderen Umstands“ an.

Zudem hat das Gericht einen weiteren besonderen Umstand im Zeitpunkt der Eheschließung gesehen. Die Heirat fand im März 2013 statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der damalige Lebensgefährte der Klägerin eine Chemotherapie bereits abgeschlossen und sein Gesundheitszustand hatte sich so weit gebessert, dass die Möglichkeit einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft wieder zu erwarten war.

An dem Umstand, dass dem Kläger ärztlicherseits eine kurative Operation aufgezeigt worden war, die hinsichtlich der Entfernung des Tumors auch erfolgreich verlaufen ist, zeigt sich zugleich, dass der vorliegende Fall nahe bei der Fallgruppe des Unfalltods eines verheirateten Beamten liegt, die als ein gegen eine Versorgungsehe sprechender „besonderer Umstand“ anerkannt ist. Der Ehemann der Klägerin verstarb nicht an seiner Krebserkrankung, sondern an den unerwarteten Folgen eines operativen Eingriffs.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Rechtsanwalt Andreas Klinger

Fachanwalt für Sozialrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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