Zehn weitere Fragen zu Gnadengesuchen

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Im Anschluss zum ersten Artikel zu diesem Thema beantwortet Rechtsanwalt Thomas Hummel nun die nächsten Fragen zu Gnadengesuchen.


Zu welchem Zeitpunkt sollte man das Gnadengesuch stellen?

Das kommt auf die genauen Umstände an. Ein Gnadengesuch kann schon gleich nach Rechtskraft des Urteils sinnvoll sein. Bei längeren Freiheitsstrafen stehen die Chancen möglicherweise besser, wenn man schon einen gewissen Teil verbüßt hat. Bei Nebenfolgen wie dem Fahrverbot wird man natürlich vor dessen Beginn tätig werden müssen, ansonsten verliert ein Begnadigungsantrag weitgehend seinen Sinn.


Wie kann ich aus der Haft heraus ein Gnadengesuch stellen?

Das ist natürlich schwierig, weil man in der Justizvollzugsanstalt kaum Möglichkeiten der Kommunikation hat. Briefe darf man zwar ohne Einschränkungen versenden, Unterlagen oder Informationen dazu sind aber oft außer Reichweite.

Gerade in diesem Fall ist daher die Stellung des Gnadengesuchs über einen Rechtsanwalt sinnvoll, der dann auch mit Angehörigen kommunizieren kann.


Lassen sich Gnadengesuche und andere Rechtsbehelfe kombinieren?

Ja. Da ein Gnadengesuch in aller Regel erst nach Abschluss des Verfahrens sinnvoll ist, stehen normale Rechtsmittel (Berufung, Revision) dann zwar nicht mehr zur Verfügung.

Kombiniert werden kann ein Gnadengesuch aber mit außerordentlichen Rechtsbehelfen wie der Verfassungsbeschwerde, der Menschenrechtsbeschwerde, der Petition oder der Wiederaufnahme. Ebenso kann ein Antrag auf Strafrestaussetzung zur Bewährung zeitgleich versucht werden, sofern dessen Voraussetzungen vorliegen.


Können neue Gesichtspunkte in einem Gnadengesuch vorgebracht werden?

Das kommt darauf an.

Neue Gesichtspunkte, die sich auf das Verfahren beziehen (z.B. neue Beweismittel), werden regelmäßig in einem Wiederaufnahmeverfahren anzubringen sein. Denn die Gnadenbehörde ist nicht dafür da, den Prozess neu aufzugreifen.

Wenn es aber um neue Gesichtspunkte zum Leben des Verurteilten geht (z.B. eingetretene Erkrankung, zugesagte Arbeitsstelle), müssen diese natürlich vorgetragen werden, weil sie zusätzliche Munition für das Gnadengesuch bedeuten.


Kann ein Gnadengesuch mehrfach gestellt werden?

Ja, dies ist grundsätzlich zulässig. Es gibt auch keine Mindestfrist zwischen zwei Gnadenanträgen. Allerdings sollten dann auch tatsächlich neue Gesichtspunkte vorliegen, die beim letzten Gnadengesuch noch nicht bekannt waren. Es einfach ohne zusätzliche Argumente das Gesuch zu wiederholen, dürfte meist erfolglos sein und eher die Geduld der Gnadenbehörde strapazieren.


Warum ist es sinnvoll, dass zwei Anwälte das Gnadengesuch bearbeiten?

Grundsätzlich einmal: Vier Augen sehen mehr. Es ist nie schlecht, ein Gnadengesuch aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, weil man gemeinsam häufig zusätzliche Argumente findet oder im gegenseitigen Austausch neue Ansätze herausarbeitet.

Außerdem können sich die Kenntnisse gut ergänzen, vor allem bei unterschiedlichen Spezialisierungen. Das Gnadenrecht befindet sich an der Schnittstelle zwischen Staatsrecht und Strafrecht, daher sollte man auch beide Bereiche mit Experten abdecken.


Wann ist der Bund zuständig, wann das Land?

Normalerweise liegt das Begnadigungsrecht immer beim Bundesland.

Ausnahmen gibt es nur bei ganz seltenen Staatsschutzdelikten wie Hochverrat gegen den Bund. Im Disziplinarrecht sind Bundeszuständigkeiten etwas häufiger, insbesondere bei Bundesbeamten und Soldaten der Bundeswehr.


Soll man im Gnadengesuch auf seiner Unschuld beharren?

Grundsätzlich eher nicht.

Wenn Sie absolut davon überzeugt sind, dass Sie Ihre Unschuld lückenlos und im Gegensatz zum Urteil der Gerichte belegen können, dann wäre das ein Ansatzpunkt. Dann müssen Sie aber auch noch der Meinung sein, dass diese Belege so durchschlagend sind, dass die Gnadenstelle beim bloßen Lesen keinen Zweifel daran hat, dass sie dieses Urteil genau deswegen aufheben muss, um Gerechtigkeit herzustellen. Das wird so gut wie nie der Fall sein.

Ansonsten sollte man akzeptieren, dass ein (aus eigener Sicht falsches) rechtskräftiges Urteil vorliegt. Auf dieser Grundlage müssen dann Argumente gesucht werden, die einen Gnadenerweis nahelegen.


Gibt es einen Anspruch auf Gnade?

Nein. Es handelt sich um eine subjektive Entscheidung der Gnadenbehörde. Daher gibt es keinen Anspruch darauf, dass in bestimmten Situationen Gnade gewährt wird. Auch ein Hinweis auf vergleichbare Fälle bringt nichts, da es auch keinen Gleichbehandlungsanspruch gibt.


Ist eine Verschlechterung möglich?

Nein. Die Gnadenstelle kann die Strafe nicht von sich aus erhöhen. Auch ein „Austausch“ von Strafen, der dem Verurteilten möglicherweise ganz recht wäre, bspw. eine höhere Geldbuße anstelle eines Fahrverbots, ist in der Regel nicht zulässig.


Mehr Informationen:

Das Gnadengesuch - letzter Hoffnungsschimmer bei einer Verurteilung

Gnadengesuch durch die Kanzlei Abamatus



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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