Zum Inhalt eines zugestellten Schreibens muss der Empfänger Stellung nehmen

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Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 07.12.2022 (Az. 4 Sa 123/21)


Manche Schriftstücke müssen ihren Empfänger im Original erreichen. Das gilt zum Beispiel für Kündigungen, die dem Schriftformgebot unterliegen. Hier ist außerdem nicht nur der Nachweis, dass das Schreiben zugegangen ist wichtig, sondern auch wann. Auch wenn keine strenge Schriftform gilt: Alle Willenserklärungen im Arbeitsleben sind empfangsbedürftig, der Nachweis ihrer Zustellung also entscheidend im Fall eines (Rechts-)Streits.


Zustellung per Post - Varianten und Empfehlungen


Wird das Schreiben dem Empfänger nicht persönlich in Anwesenheit eines/einer vertrauenswürdigen Zeugen/-in übergeben, kann auch über den Postkasten eine recht sichere Zustellung geschehen. Grundsätzlich gilt: Ein Schreiben ist zugegangen, sobald der gewöhnliche Empfänger unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat. Für Privatpersonen wird angenommen, dass diese einmal werktäglich zu einer üblichen Tageszeit den Briefkasten leeren. Unabhängig davon, ob das auch so geschehen ist, gilt das Schreiben also als in dieser Weise zugestellt.


Die gerne gewählte Variante der Zustellung mit Einschreiben hat dabei ihre Tücken. Ganz besonders die Zustellung per „Einschreiben mit Rückschein“. Denn hier entzieht sich Ihrer Kontrolle, ob der Empfänger der postalischen Aufforderung, sein Einschreiben in der Postfiliale abzuholen, überhaupt nachkommt und vor allem, wann.


Im Fall des Standard-Einschreibens erhalten Sie im Idealfall immerhin den Beleg, dass ein Postmitarbeiter den von Ihnen aufgegebenen Briefumschlag in den Postkasten des Empfängers eingelegt hat. Noch nicht nachgewiesen ist damit allerdings, welchen Inhalt dieser Briefumschlag hatte.


Am sichersten ist daher tatsächlich die Zustellung in Eigenregie. Hierzu wählen Sie einen vertrauenswürdigen Zeugen bzw. eine vertrauenswürdige Zeugin und legen das Schreiben in Gegenwart dieser Person selbst in den Postkasten des Empfängers ein oder Sie beauftragen eine vertrauenswürdige Person hiermit. In beiden Fällen müssen die Zeugen das Schriftstück vorher gelesen haben und zudem zugegen gewesen sein, als es in den Briefumschlag eingelegt wurde.


Allerdings: Die Gerichte stärken Einschreiben-Nutzern zunehmend den Rücken, auch wenn es sich hierbei noch nicht um höchstrichterliche arbeitsgerichtliche Rechtsprechung handelt. So auch in einem kürzlich durch das Landesarbeitsgericht Thüringen entschiedenen Fall, in dem die Arbeitnehmerin für ihre Geltendmachung ein Standard-Einschreiben nutzte.


Zustellung erfolgt = einfaches Bestreiten des Inhalts nicht ausreichend


Unstreitig blieb in dem Rechtsstreit, dass der Arbeitgeberin ein Schreiben zugegangen war und dass es sich um die Postsendung handelte, die die Arbeitnehmerin tags zuvor bei der Post aufgegeben hatte. Fraglich war, ob die Arbeitnehmerin beweisen konnte, dass es sich hierbei um das Geltendmachungsschreiben handelte, von welchem sie dem Gericht eine Kopie vorlegte. Dessen fristgerechter Zugang war entscheidend für den Anspruch, die Arbeitgeberin bestritt jedoch ohne nähere Erklärungen, dieses Schreiben erhalten zu habe.


Das Landesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung (Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 07.12.2022, Az. 4 Sa 123/21). Bei dem nachweislich zugegangenen Schriftstück konnte es sich nach der Überzeugung des Gerichts nur um das Geltendmachungsschreiben der Klägerin gehandelt haben. Dass die Arbeitgeberin dessen Erhalt schlicht bestritt, ohne sich zum Inhalt der nachweislich erhaltenen Postsendung zu erklären, ließ das Gericht nicht gelten. Vielmehr habe die Arbeitgeberin die zumutbare Möglichkeit, zu ermitteln, welchen Inhalt die besagte Briefsendung gehabt habe. Sie hätte konkret dazu vortragen müssen, wenn nicht das von der Klägerin behauptete Schreiben Inhalt des Briefumschlages gewesen sei, was denn sonst konkret Inhalt des Briefumschlages gewesen sei. Dies jedoch hatte sie trotz richterlicher Hinweise nicht getan.



Weitere Hinweise zum Thema und zum Urteil können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/blog/was-in-dem-brief-stand-weiss-ich-nicht-mehr-reicht-nicht-empfaenger-muss-konkret-stellung-zum-inhalt-nehmen/ nachlesen.




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