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Voller Urlaub trotz kurzer Arbeitsunterbrechung?

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Wie viel Urlaub steht mir zu? Diese Frage lässt sich nicht immer leicht beantworten. So etwa bei einem nicht ununterbrochenen bestehenden Arbeitsverhältnis. Wie sich kurzzeitige Lücken hier unter Umständen auswirken können, entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Voller Urlaubsanspruch erst nach 6 Monaten

Wer eine neue Stelle antritt, kennt das vermutlich: Den Anspruch auf den vollen Urlaub im Kalenderjahr erhält man erst nach 6 Monaten. Diese sogenannte Wartezeit regelt § 4 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). Dort steht: Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach 6-monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.

Vorher nur Anspruch auf Teilurlau

Was passiert, wenn das Arbeitsverhältnis vorher endet, steht im darauffolgenden § 5 BUrlG. Diesem zufolge hat ein Arbeitnehmer vor Ablauf der 6 Monate nur einen Anspruch auf Teilurlaub. Dieser beträgt ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlausanspruch erwirbt. Aufgrund dessen wird dies auch als sogenannte Zwölftelregelung bezeichnet. Was sich hinter dieser etwas umständlich formulierten Regelung verbirgt, zeigt folgende Rechnung. Doch zuvor erst die Frage: Wie viel Jahresurlaub muss ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mindestens geben?

Jährlich mindestens 24 Urlaubstage

Ausgehend vom gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch hat ein Arbeitnehmer, der 6 Tage in der Woche arbeitet, einen jährlichen Urlaubsanspruch von 24 Werktagen (§ 3 BUrlG). Umgerechnet auf eine 5-Tage-Woche sind es damit 20 Werktage, bei einer Vier-Tage-Woche sind es 16 Werktage usw., sodass sich für Arbeitnehmer, die nur einen Tag pro Woche arbeiten, ein Mindestjahresurlaubsanspruch von 4 Werktagen ergibt. Vertraglich weniger als den Mindestanspruch zu gewähren, verbietet § 13 BUrlG.

7 Urlaubstage nach 4 Monaten

Der Anspruch auf Teilurlaub nach der Zwölftelregelung berechnet sich demnach wie folgt: Ein Arbeitnehmer mit einer 5-Tage-Woche, dessen Arbeitsverhältnis am 01.01. begonnen hat, hat im Februar und damit nach dem ersten vollen Monat der Zwölftelregelung zufolge einen Mindestanspruch von:

20 Urlaubstage / 12 x 1 Monat = 1,66 Urlaubstage

Im Mai, wenn das Arbeitsverhältnis 4 Monate besteht, sind es entsprechend 1,66 Urlaubstage x 4 = 6,64 Urlaubstage. Dabei sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ausmachen, auf volle Urlaubstage aufzurunden (§ 5 BUrlG). Somit ergeben sich letztlich 7 Urlaubstage. Hat das Arbeitsverhältnis im selben Kalenderjahr 6 Monate lang bestanden, erwirbt man den vollen Anspruch auf die 20 Urlaubstage. Der Bezug auf das Kalenderjahr ergibt sich wiederum aus dem Bundesurlaubsgesetz, das den Urlaubsanspruch mit dem Kalenderjahr verbindet (§ 1 BUrlG).

Zwölftelregelung trotz erfüllter Wartezeit

Im Übrigen kann die Zwölftelregelung auch bei erfüllter Wartezeit zur Anwendung kommen. Dazu muss ein Arbeitnehmer in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden (§ 5 BUrlG). Unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis zuvor bereits mehrere Jahre bestanden hat, besteht für jeden vollen Monat zwischen Jahresanfang und dem 30.06. – also in der ersten Jahreshälfte – nur ein Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Anspruch auf den vollen Jahresurlaub gibt es wiederum erst, wenn das Arbeitsverhältnis frühestens am 01.07. eines Jahres endet, also in der zweiten Jahreshälfte endet. Der Arbeitgeber ist dabei verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsbescheinigung auszuhändigen. Diese dient zur Information des neuen Arbeitgebers über den bereits im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub.

Arbeitnehmer gekündigt und wieder eingestellt

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem das Arbeitsverhältnis für lediglich einen Tag unterbrochen war. Das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers bestand bereits seit mehr als 3 Jahren, als sein Arbeitgeber es im Jahr 2012 zum 30.06. kündigte. Somit wäre er in der ersten Jahreshälfte aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Infolgedessen hätte wiederum die Zwölftelregelung gegolten. Statt der dem Mann laut Arbeitsvertrag zustehenden 26 Urlaubstage im Jahr hätte er gegenüber seinem Arbeitgeber dementsprechend nur Anspruch auf 13 Urlaubstage gehabt (26 Tage Jahresurlaub / 12 x 6 Monate).

Wenige Tage vor dem 30.06. unterzeichnete der Mann bei demselben Arbeitgeber einen neuen Arbeitsvertrag. Arbeitsbeginn des weiteren Arbeitsverhältnisses war, vermutlich weil es sich um einen Montag handelte, erst der 02.07.2012. Das Arbeitsverhältnis war somit am 01.07.2012 für einen Tag unterbrochen.

Neue Wartezeit, da ein Tag ohne Arbeitsverhältnis?

Normalerweise muss ein Arbeitnehmer auch bei einer kurzfristigen Unterbrechung eine erneute Wartezeit hinnehmen. Auf diesen Grundsatz stützte sich auch der Arbeitgeber, als das weitere Arbeitsverhältnis am 12.10.2012 fristlos gekündigt wurde. Da wiederum die Zwölftelregelung gegolten hätte – diesmal aufgrund der nicht erfüllten Wartezeit – hätte der Arbeitnehmer auch hier wieder nur einen Anspruch auf Teilurlaub bekommen. Somit hätten sich, da das Arbeitsverhältnis zwischen 02.07. und 12.10. für 2 volle Monate bestand, nämlich im August und im September, weitere 4 Urlaubstage ergeben (26 / 12 x 2 = 4,33 Tage, die hier, weil sich hinter dem Komma nicht mindestens ein halber Tag ergibt, nicht aufzurunden sind).

Diese 4 Urlaubstage ergaben mit dem Teilurlaub aus der ersten Jahreshälfte von 13 Urlaubstagen aus Sicht des Arbeitgebers somit einen Urlaubsanspruch von 17 Urlaubstagen. Für den Arbeitnehmer spielte die kurzfristige Unterbrechung dagegen keine Rolle. Er beanspruchte den vollen Jahresurlaub. Von den somit 26 Urlaubstagen waren lediglich 3 bereits von ihm genommene Urlaubstage abzuziehen. Statt der 17 Urlaubstage, die der Arbeitgeber gewähren wollte, blieben damit immer noch 23 Urlaubstage übrig. Für diese verlangte der Beschäftigte eine entsprechende Urlaubsabgeltung, da der Arbeitgeber den Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewähren konnte (§ 7 BUrlG).

Voller Urlaubsanspruch bei vereinbarter Fortsetzung

Das oberste deutsche Arbeitsgericht entschied nun zugunsten des Arbeitnehmers. In den Fällen, in denen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach einer kurzen Unterbrechung bereits feststeht, haben Arbeitnehmer laut BAG Anspruch auf den vollen, ungekürzten Urlaub. Das Urteil hat insbesondere Auswirkungen auf Fälle, in denen sich bereits abzeichnet, dass es wieder zu einem Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber kommt.

(BAG, Urteil v. 20.10.2015, Az.: 9 AZR 224/14)

(GUE)

 

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