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Absprachen im Strafprozess: Bundesverfassungsgericht sieht große Defizite

  • 2 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

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Unter der allgemeinen Bezeichnung „Deal" wurden mit § 257c Strafprozessordnung (StPO) Absprachen im Strafprozess auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Heute hat das Bundesverfassungsgericht über drei Verfassungsbeschwerden entschieden, in denen die Angeklagten auf Grundlage eines Deals ein Geständnis abgelegt hatten.

Hintergrund und Historie

Das Institut der Absprachen bestand bereits in der Praxis, als es vom Bundesgerichtshof im Jahr 1997 bestätigt wurde. Im Jahr 2005 appellierte der Große Strafsenat, der Gesetzgeber möge die Grundsätze in der StPO verankern. Am 4. August 2008 trat der neue § 257c StPO in Kraft. Und heute war es dann so weit: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) musste darüber entscheiden, ob die Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Absprachen gemäß § 257c StPO

In § 257c StPO ist ausdrücklich geregelt, dass das Gericht in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten, also Staatsanwalt und Angeklagter bzw. Verteidiger, über die Rechtsfolgen der Verurteilung eine Vereinbarung treffen kann. Allerdings ist das Gericht gemäß § 244 Abs. 2 StPO zur Aufklärung verpflichtet. Diese Verpflichtung soll laut § 257c StPO nicht durch die Absprache berührt werden. Wie das in der Praxis gelingt und wie solche Deals mit dem Rechtsstaat vereinbar sind, stand nun in Karlsruhe auf dem Prüfstand.

Vielfacher Anlagebetrug

Den Verfassungshütern lagen drei Verfassungsbeschwerden vor. Zwei wegen vielfachem Anlagebetrug Verurteilte hatten ein Geständnis abgelegt. Einer von ihnen beantwortete im Anschluss die Fragen des Gerichts. Der andere Angeklagte legte nur ein Geständnis ab, war aber zu keiner weiteren Aufklärung des Sachverhalts bereit. Entgegen § 257c Abs. 5 StPO waren sie aber nicht darüber aufgeklärt worden, dass das Gericht unter bestimmten Umständen nicht mehr an die Vereinbarung gebunden ist.

Schwerer Raub

Im dritten Fall ging es um einen Polizisten, der wegen schweren Raubes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war, nachdem er infolge einer Vereinbarung ein ungeprüftes Formalgeständnis abgelegt hatte. Zuvor war ihm eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren als Mindeststrafe vom Gericht für den Fall in Aussicht gestellt worden, er würde kein Geständnis ablegen. Hier ging es darum, ob der Angeklagte durch eine solche sogenannte „Sanktionsschere" in Hinblick auf das in Aussicht gestellte Strafmaß unzulässig unter Druck gesetzt wurde.

Aufhebung der Strafurteile

Das Urteil der Verfassungsrichter fiel vernichtend aus. Grundsätzlich sind zwar Vereinbarungen im Strafprozess gemäß § 257c StPO unter engen Grenzen verfassungskonform. Allerdings sind informelle Absprachen unzulässig, die nicht die gesetzlichen Vorgaben einhalten.

Das BVerfG attestierte in den drei Fällen dahingehend erhebliche Vollzugsdefizite, sodass keine fairen, rechtsstaatlichen Verfahren im Sinne des Grundgesetzes vorlagen. Mit anderen Worten: Gerichte und Staatsanwälte haben sich nicht ausreichend an die strengen gesetzlichen Vorgaben gehalten. Sollte sich das nicht ändern, könnte die Regelung verfassungswidrig werden. Die Urteile der Strafgerichte hob das Verfassungsgericht auf.

(BVerfG, Urteil v. 19.03.2013, Az.: 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11)

(WEL)
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