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Bundesverfassungsgericht kassiert Berliner Ladenöffnungsgesetz

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz der zwei großen Landeskirchen stattgegeben und den Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe hierzulande bestätigt. Weil dieses Grundsatzurteil bundesweit Auswirkungen für Familien, Arbeitnehmer und den Einzelhandel hat, stellt die Redaktion von anwalt.de diese bahnbrechende Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts vor.

Ladenöffnungsgesetze der Bundesländer

Seit der Föderalismusreform 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz bzgl. der Ladenöffnungszeiten auf die Bundesländer übertragen. Im Vergleich zu den Regelungen anderer Bundesländer hat Berlin mit dem Berliner Ladenöffnungsgesetz die weitestgehende Freigabe der Ladenöffnungszeiten umgesetzt. Danach sollten insbesondere alle vier Adventssonntage generell jeweils von 13.00 bis 20.00 Uhr verkaufsoffen sein, ohne dass weitere Voraussetzungen vorliegen. Darüber hinaus sollten weitere vier Sonn- oder Feiertage im öffentlichen Interesse durch Allgemeinverfügung der Senatsverwaltung freigegeben werden können. An zwei weiteren Sonn- und Feiertagen sollte darüber hinaus aus besonderen Anlässen ebenfalls eine Ladenöffnung möglich bleiben, z.B. bei Straßenfesten.

Religionsfreiheit, Artikel 4 GG

Die Kirchen stützten ihre Verfassungsbeschwerde auf Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz (GG), wonach generelle Ladenöffnung gegen die Religionsfreiheit verstoße. Darüber hinaus mussten die Richter auch Art. 139 der Weimarer Verfassung (WRV) beachten, der gemäß Artikel 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes ist und bestimmt:

„Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt."

Interessenabwägung mit Religionsfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat nun erstmals klargestellt, dass die grundgesetzlich verankerte Sonn- und Feiertagsruhe nur unter gewichtigen Gründen erfolgen darf. Nach Ansicht der Verfassungsrichter ist die Sonn- und Freiertagsruhe und eine Ladenöffnung in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehen, d.h. an Feiertagen und Sonntagen ist die Arbeitsruhe die Regel, von der nur wegen eines Sachgrundes eine Ausnahme gemacht werden darf. Dabei muss der Religionsfreiheit eine umso wichtigere Rolle bei einer Entscheidung eingeräumt werden, je gewichtiger der Eingriff in die Sonn- und Feiertagsruhe ist, also auch etwa wann und wie lange die Ladenöffnung andauern soll. Hier berücksichtigte das Verfassungsgericht z.B. auch, dass in Berlin an den Werktagen ohnehin die Läden rund um die Uhr geöffnet haben dürfen. Das Berliner Ladenöffnungsgesetz bestimmt allerdings eine generelle Freigabe der Ladenöffnungszeiten für alle vier Sonntage ohne Angaben von Gründen und ohne dies von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen.

Karlsruhe sieht Religionsfreiheit verletzt

Folglich bewertete der Erste Senat das Berliner Ladenöffnungsgesetz zumindest in Hinblick auf die Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen für verfassungswidrig.

Nach ihrer Ansicht ist die sonn- und feiertägliche Arbeitsruhe eine wesentliche Grundlage für den Menschen zur Wahrnehmung der Religionsfreiheit, aber auch anderer Grundrechte im Interesse von Familien und Arbeitnehmern. Diese Basis für ein soziales Miteinander muss gemäß dem Grundgesetz geschützt werden und darf nicht bloß aufgrund rein wirtschaftlicher Interessen und ohne sachlich gerechtfertigte Gründe eingeschränkt werden.

Wichtiger Hinweis: Für dieses Jahr bleibt es aber trotz des Urteils bei den vier verkaufsoffenen Adventssonntagen in Berlin. Die Karlsruher Richter ordneten eine Neuregelung diesbezüglich erst für das neue Jahr an.

Die Regelung im Berliner Ladenöffnungsgesetz bezüglich der weiteren vier verkaufsoffenen Sonntage, die von der Senatsverwaltung mittels einer Allgemeinverfügung bei vorliegen eines öffentlichen Interesses festgelegt werden können, bewertete das Bundesverfassungsgericht nicht per se als verfassungswidrig. Denn in diesen Fällen wird die Entscheidung durch die Verwaltung festgelegt, die anhand des jeweiligen Einzelfalls sachgerecht reagieren kann.

Weitere Informationen rund um das Thema Ladenschluss finden Sie auch im anwalt.de-Rechtstipp Aktuelles zu Ladenschluss, Verkaufsverbot & Co.

(WEL)

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