Aktuelle Rechtsprechung: Neue Krankheit nach 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit? Was Arbeitnehmer nun beachten müssen

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Erneut hat das Bundesarbeitsgericht die Last des Arbeitnehmers, der eine neue Erkrankung darlegen möchte, erschwert. In diesem Artikel erfahren Sie, was Arbeitnehmer nach dem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.2023 (5 AZR 93/22) und dem bestehenden Rechtsverständnis seit dem Urteil des BAG vom 11.12.2019 (5 AZR 505/18) unbedingt beachten müssen, um ihren Lohnanspruch nach 6 Wochen bei einer neuen Krankheit nicht zu verlieren.

Rechtlicher Hintergrund

In den ersten 6 Wochen einer Krankheit besteht grundsätzlich ein Lohnanspruch des Arbeiters gegenüber dem Arbeitgeber.

Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger dauert, entfällt dieser Anspruch. Es sei denn, die Leistungsverhinderung beruht auf einer anderen Krankheit.

Das bedeutet:

Legt also der Arbeitnehmer dar, dass nicht die alte Krankheit fortbesteht, sondern eine neue vorliegt, muss der Arbeitgeber weitere 6 Wochen den Lohn zahlen.

Neues Urteil des Bundesarbeitsgericht

Im vorliegenden Fall hat der Beschäftigte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aufgrund einer Ersterkrankung geltend gemacht.

Im fraglichen Zeitraum legte er mehrere Erstbescheinigungen vor und meinte, dass er aus Datenschutzgründen nicht verpflichtet sei, sämtliche Erkrankungen aus der davorliegenden Zeit offenzulegen.

Die Beklagte bestritt, dass keine Fortsetzungserkrankungen vorgelegen hätten. Es sei Sache des Arbeitnehmers hierzu umfassend Stellung zu nehmen. Einzelne Diagnosen würden hierfür nicht genügen.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 18.01.2023  - 5 AZR 93/22) gab der Arbeitgeberin recht.

Das muss der Arbeitnehmer nach dem Urteil tun, wenn er nach 6 Wochen eine neue Krankheit darlegen möchte:

1. Stufe: Der Beschäftigte muss eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die grundsätzlich vom vorherigen Arzt ausgestellt wurde.

Das Gericht hat klargestellt, dass eine Erstbescheinigung von einem anderen Arzt grundsätzlich keinen Darlegungswert darüber hat, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt.

Eine ärztliche Bescheinigung genügt in erster Linie. Jedoch kann der Arbeitgeber beanstanden, dass eine neue Krankheit besteht. Dann kommt es zur zweiten Stufe.

2. Stufe: wenn der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit bestreitet, muss der Angestellte zwei Darlegungspflichten erfüllen:

a) Umfassender substantiierter Vortrag:

,,Das heißt er muss bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden und

b) die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.“

3. Konsequenzen

Falls der Beschäftigte diesen Pflichten nicht nachkommt, wird eine Fortsetzungserkrankung angenommen und er verliert seinen Lohnfortzahlungsanspruch bei längerer Arbeitsverhinderung als 6 Wochen.

Bedeutung für die Praxis – maßgeblicher Zeitraum

Aus dem maßgeblichen Zeitraum lässt sich Folgendes herleiten:

Wenn jemand in den letzten 12 Monaten insgesamt bereits sechs Wochen arbeitsunfähig war, außer er war in den letzten 6 Monaten gar nicht mehr krank, 

kann nun der Arbeitgeber pauschal, trotz Vorliegen von ordnungsgemäßen ärztlichen Bescheinigungen, das Bestehen einer neuen Krankheit bestreiten und damit die 2. Stufe auslösen. Um seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht zu verlieren, muss der Arbeitnehmer dann dies ernst nehmen und ordnungsgemäß reagieren.

Wer muss was beweisen?

Seit dem Urteil des BAG vom 11.12.2019 (5 AZR 505/18) muss der Arbeitnehmer das Bestehen einer neuen Krankheit beweisen, wenn die vorherige und die im Wege der ,,Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Sachverhalt

Die Beschäftigte war aufgrund psychischen Leidens bereits seit dem 7. Februar 2017 arbeitsunfähig.

Nachdem sie am 19. Mai 2017 wegen einer Gebärmuttersenkung operiert wurde, attestierte ihre niedergelassene Frauenärztin mit einer „Erstbescheinigung“ Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai bis zunächst 16. Juni 2017.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Verhinderung wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet und mit der Operation sei ab dem 19. Mai 2017 eine neue Krankheit vorliegend.

Entscheidungsgründe

Es sei die gleiche Krankheit (bzw. einheitlicher Verhinderungsfall) vorliegend, wenn die vorherige noch zum Zeitpunkt der hinzutretenden Krankheit fortbesteht. Somit könne eine neue Erkrankung nur vorliegen, wenn die erste Krankheit bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt.

Bei einem engen zeitlichen Zusammenhang werde das Fortbestehen der Vorerkrankung indiziert. Deshalb müsse der Arbeitnehmer gegen diese Vermutung, durch einen konkreten Vortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende bzw. Beginn der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit ggf. vollen Beweis erbringen.

Konsequenzen für die Praxis

Falls Sie im Anschluss an die vorherige Krankheit wegen einer neuen Erkrankung arbeitsunfähig werden, sollten Sie (idealerweise bei dem vorherigen Arzt) auch attestieren lassen, dass die frühere Erkrankung beendet ist.


Beratung durch den Fachanwalt für Arbeitsrecht

Bei sämtlichen Fragestellungen zu Krankheit im Beruf und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall berät Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Simon Bürgler.

Die Rechtsanwaltskanzlei BÜRGLER ist auf alle Fragen des Arbeitsrechts spezialisiert.

Foto(s): iStock.com/Liubomyr Vorona

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