Alkohol am Steuer – fahrlässig oder vorsätzlich?

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Wer betrunken gefahren ist und dabei die Grenzen einer Ordnungswidrigkeit überschritten hat, hat sich entweder einer (in tatsächlicher Hinsicht folgenlos gebliebenen) Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB oder aber der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB strafbar gemacht. Diese Straftatbestände können vorsätzlich oder auch „nur“ fahrlässig begangen werden. Worin der Unterschied liegt und welche Auswirkungen dies hat, wird im vorliegenden Beitrag erläutert.



I.) Fahrlässigkeit


Hierunter ist grundsätzlich das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu verstehen. Fahrlässig handelt hiernach, wer weiß oder bei hinreichendem Nachdenken zumindest wissen kann, dass er Alkohol konsumiert hat und hiernach nicht mehr in der Lage ist, ein Fahrzeug zu führen.


Probleme bereiten in der Praxis insbesondere Fehl-Einschätzungen dazu, welche Auswirkungen bestimmte konsumierte Getränke haben. Gerade Rest-Alkohol vom Vorabend wird häufig verkannt. In jüngeren Zeiten ging es zudem oftmals darum, dass Verkehrsteilnehmern unbekannt war, dass auch das Fahren mit dem E-Scooter unter Alkoholeinfluss verboten ist.



II.) Vorsatz


Ein vorsätzliches Vergehen mit Alkohol am Steuer setzt demgegenüber voraus, dass der/die Fahrer(in) die rauschbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, aber gleichwohl am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt.



III.) Auswirkungen auf die Rechtsfolgen


Bei einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt oder Verkehrsgefährdung fällt die Strafe in der Regel schwerer aus. Dies bedeutet eine höhere Geldstrafe und häufig auch eine längere Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.


Sofern im Zuge des Wiedererteilungsverfahrens von der zuständigen Führerscheinstelle eine medizinisch-psychologische Begutachtung (MPU) angeordnet wird, ist das positive Bestehen der Begutachtung bei einer vorangegangenen Vorsatz-Tat ebenfalls schwieriger als bei Fahrlässigkeit.



IV.) Gerichtliche Praxis zur Unterscheidung zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz


Das Tatgericht muss sich eine Überzeugung darüber verschaffen, ob ein(e) Angeklagte(r) Kenntnis von der Fahruntüchtigkeit hatte oder nicht. Zu dieser sogenannten inneren Tatseite müssen somit unter Heranziehung und Würdigung aller Umstände Feststellungen vom Gericht getroffen werden.


In vielen Fällen kann nach einem solchen Abwägungsprozess keine hinreichende Gewissheit erlangt werden, dass jemand vorsätzlich im oben beschriebenen Sinne nach vorangegangenem Alkoholeinfluss im Straßenverkehr eine Straftat begangen hat. Anderes kann aber insbesondere dann gelten, wenn sich jemand unmittelbar nach der Tat oder auch erst später „unglücklich“ und damit selbstbelastend geäußert hat.


Daneben gibt es bei manchen Gerichten auch Tendenzen, insbesondere bei hohen Promille-Werten eine Vorsatz-Tat anzunehmen. Aus Sicht der anwaltlichen Verteidigung verbietet sich ein solcher Automatismus aber. Denn es gibt keinen gesicherten Erfahrungssatz dazu, dass sich Kraftfahrer ab einer bestimmten Alkohol-Konzentration zum maßgeblichen Zeitpunkt, sprich bei Antritt der Fahrt, ihrer Fahruntüchtigkeit bewusst sind.



V.) Tipps vom spezialisierten Verteidiger


Bereits bei einem polizeilichen Anhalte-Vorgang sollte man in vollem Umfang von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn man vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert hat.


Das heißt, dass weder Angaben zu Art und Menge des getrunkenen Alkohols gemacht werden sollten, noch dazu, in welchem Zeitraum dies geschehen ist.


Ebenfalls sollten keinerlei Tests (z.B. Finger-Nase-Probe, Stehen auf einem Bein, 30 Sekunden abschätzen etc.) mitgemacht werden.


All dies gilt auch, wenn sich nach dem Anhalte-Vorgang alles in eine Polizeidienststelle oder ein Krankenhaus zwecks ärztlicher Blut-Entnahme verlagern sollte. Auch dort gilt: Nichts sagen und nichts mitmachen. Nur die Blut-Entnahme selbst sollte man widerstandslos über sich ergehen lassen.


Und auch nach Entlassung aus dieser bedrückenden Gesamt-Situation, mithin in den kommenden Tagen und Wochen sollte stets geschwiegen werden.


All dies fördert die Chancen, dass am Ende statt Vorsatzes nur fahrlässige Tatbegehung unterstellt werden kann.


Es ist zudem dringend anzuraten, schnellstmöglich nach der Tat Kontakt zu einem anwaltlichen Verteidiger seiner Wahl zu suchen. Dieser kann nicht nur nach Erhalt und Prüfung der Ermittlungsakte eine Prognose über den Verlauf des Verfahrens und etwaige Rechtsfolgen treffen, sondern auch wichtige Maßnahmen absprechen und helfen, schwerwiegende Fehler zu vermeiden. Sollte das sprichwörtliche Kind bereits in den Brunnen gefallen sein, weil vorschnell bei der Polizei belastende Äußerungen zum Trink-Konsum gemacht wurden, wird überprüft, ob derartige Ausführungen unschädlich gemacht werden können.


Mit Blick auf die schärferen Rechtsfolgen sollte in jedem Fall versucht werden, gegen die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung anzukämpfen.



VI.) Ergänzende Informationen

Informieren Sie sich gerne weiter durch unsere anderen Beiträge zum Thema "Alkohol am Steuer": 



Dr. Sven Hufnagel

Fachanwalt für Strafrecht
Fachanwalt für Verkehrsrecht


Rechtsanwalt Dr. Sven Hufnagel ist auf die Verteidigung von Trunkenheitsfahrern spezialisiert. Er führte in mehr als 20 Berufsjahren auf dem gesamten Bundesgebiet hunderte derartige Strafverfahren durch. Im FOCUS- und STERN-Magazin kam es zwischen 2015 und 2023 zu 13 Auszeichnungen. Weitere Informationen: www.anwalt-strafrecht.com .


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