Anbieten sozialer Auslauffrist kann Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zur Folge haben

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In dem vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 14. Juni 2018 entschiedenen Fall (Az: 15 Sa 214/18) wurde es dem Arbeitgeber zum Verhängnis, dass er der Arbeitnehmerin vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende soziale Auslauffrist angeboten hat, während der er die Arbeitnehmerin auch tatsächlich beschäftigen wollte. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg kam zu dem Ergebnis, dass die fristlose Kündigung deswegen aufgrund der Umstände des Einzelfalls unwirksam sei.

Der Ausgangsfall

Die Arbeitnehmerin hat im August 2017 und September 2017 an vier Tagen den Arbeitsbeginn um insgesamt 135 Minuten zu früh in die entsprechende Excel-Tabelle eingetragen. Der Arbeitgeber bemerkte dies. Er hörte die Arbeitnehmerin hierzu an und teilte ihr im weiteren Verlauf mit, dass er ja eigentlich berechtigt sei, das Arbeitsverhältnis fristlos, verhaltensbedingt zu kündigen. Allerdings bot er ihr an, ihr dahingehend entgegenzukommen, dass das Arbeitsverhältnis entsprechend der ordentlichen Kündigungsfrist bis Ende des Jahres bestehen bleibe, damit die Arbeitnehmerin ausreichend Zeit habe, sich eine neue Beschäftigung zu suchen und sie die Jahressonderzahlung erhalte. Die Arbeitnehmerin lehnte dieses Angebot ab. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos. Die Arbeitnehmerin erhob hiergegen eine Kündigungsschutzklage, die sie gewann.

Anders als das erstinstanzliche Gericht (Arbeitsgericht Potsdam), kam das Landesarbeitsrecht Berlin-Brandenburg zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam sei.

Wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB

Zwar waren die Richter der Auffassung, dass die gegenüber der Arbeitnehmerin erhobenen Vorwürfe, die Arbeitszeit an vier Tagen vorsätzlich falsch dokumentiert zu haben, zutreffend sei. Demgemäß läge ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB, der die die fristlose, außerordentliche Kündigung rechtfertigt, vor.

Bewertung des Verhaltens des Arbeitgebers

Bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 BGB seien aber immer auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so die Richter. Damit einhergehend sei das eigene Verhalten des Arbeitgebers – hier: das vor Ausspruch der fristlosen Kündigung – ebenfalls zu bewerten. Von Relevanz war hierbei das Angebot des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden und die Arbeitnehmerin bis dahin weiter zu beschäftigen. Die Richter waren der Auffassung, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei, mithin kein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegen habe; denn das Angebot des Arbeitgebers an die Arbeitnehmerin, sie bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen, lasse den Schluss zu, dass dem Arbeitgeber diese Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist auch zumutbar sei.

Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung

Auch eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung ließen die Richter nicht zu. Dies mit der Begründung, dass diese nach der Rechtsbrechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann möglich/wirksam sei, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat bei der Anhörung zur Kündigung deutlich darauf hingewiesen habe, dass diese Kündigung auch hilfsweise als ordentliche gelten solle. Dies sei nicht der Fall gewesen. Da der Betriebsrat auch nicht ausdrücklich und vorbehaltlos der außerordentlichen Kündigung zugestimmt habe und einer ordentlichen Kündigung erkennbar nicht entgegengetreten wäre, sahen die Richter für die Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine fristgemäße, ordentliche Kündigung keinen Raum. Es blieb somit bei der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis weiter fortbesteht.

Fazit

Undank ist der Welten Lohn – Arbeitgeber sollten keine halben Sachen machen, wenn sie die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung ziehen. Insbesondere sollte mit dem Angebot, den Mitarbeiter bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen und ihm mithin eine soziale Auslauffrist zu gewähren, sehr vorsichtig umgegangen werden. Arbeitnehmer hingegen ist anzuraten, sich nach Erhalt einer fristlosen Kündigung unbedingt von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen.

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