Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarungen und die Auswertung personenbezogener Daten

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Feststellung des Arbeitszeitbeginns

Im vorliegenden Fall ging es zum unter anderem darum, wie eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossene Betriebsvereinbarung die Feststellung des Arbeitszeitbeginns betreffend auszulegen ist. 

Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen

Zum anderen stand die Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen, die der Arbeitgeber zum Zwecke der Arbeitszeiterfassung gesammelt und letztlich zur Darlegung eines möglichen Arbeitszeitbetruges durch seinen Arbeitnehmer, während der Gerichtsverhandlung vorlegte im Fokus. Die Kameras befanden sich an den Werkstoren des Betriebes und dokumentierten das Kommen und Gehen der Arbeitnehmer.

Inhalt der Betriebsvereinbarung


Inhalt der Betriebsvereinbarung war die Einführung einer elektronischen Anwesenheitserfassung in Gestalt eines sog. „elektronischen Hakens“. Dieser sollte den betrieblichen Vorgesetzten frühzeitig darüber informieren, wann der Arbeitnehmer an der Betriebsstätte anwesend war und wann nicht. Die Anwesenheitserfassung sollte durch Kartenleser an den Werkstoren erfolgen. Der vorliegend streitige Punkt dieser Vereinbarung, war ein Passus, der ausdrücklich klarstellte, dass keine personenbezogene Auswertung von Daten erfolgen sollte. Da jedoch allein schon durch die Erfassung durch das Kartenlesegerät eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die damit verbundene Anwesenheitskontrolle erfolgte, legte das Gericht diese Regelung dahingehend aus, dass eine personenbezogene Auswertung über diese Kenntnisnahme der Anwesen- bzw. Abwesenheit hinaus nicht erfolgen dürfe. Der Arbeitgeber habe sich somit unmittelbar und zwingend an diese Betriebsvereinbarung zu halten, da hierdurch, nach Ansicht des Gerichts, dem Arbeitnehmer eigene Rechte eingeräumt würden, an die der Arbeitgeber gebunden sei.


„Dies gilt selbst für den Fall, dass, wie [der Arbeitgeber] behauptet, das örtlich und sachlich zuständige Betriebsratsgremium der Verwertung der durch die Kartenlesegeräte gewonnenen Erkenntnisse über die Bewegungen [des Arbeitnehmers] nachträglich zugestimmt haben sollte. Eine rückwirkende Beseitigung der dem [Arbeitnehmer] durch die Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechte ist nicht möglich, da der [Arbeitnehmer] insoweit Vertrauensschutz genießt. Mindestens hat [der Arbeitgeber den Arbeitnehmer] durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung „in Sicherheit gewiegt“, so dass eine „berechtigte Privatheitserwartung“ des [Arbeitnehmers] bestand und daraus folgend im vorliegenden Verfahren ein Verbot der Verwertung der durch die Kartenlesegeräte gewonnenen Daten besteht.“


Willigt also der Arbeitnehmer in eine Betriebsvereinbarung ein, die dem Arbeitgeber die Erhebung und Verwertung seiner personenbezogenen Daten erlaubt, ist dem Arbeitgeber keine Auslegungstoleranz zuzugestehen, was diese Vereinbarung betrifft.

LAG Niedersachsen Urt. v. 6.7.2022 – 8 Sa 1148/20

Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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