Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Ankündigung einer Krankheit rechtfertigt nicht zwingend fristlose Kündigung

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Wer als Arbeitgeber meint, er dürfe sofort fristlos kündigen, weil der Arbeitnehmer seine Krankheit ankündigt, dürfte von der Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.04.2022, 2 Sa 279/21, äußerst überrascht sein.

Laut LAG muss sich der Arbeitgeber über folgendes klar werden: „Zwar kann eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer versucht, einen ihm nicht zustehenden Vorteil durch eine unzulässige Drohung zu erreichen und er damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt, welche es verbietet, die andere Seite, seinen Arbeitgeber, unzulässig unter Druck zu setzen (BAG, Urteil vom 05.11.1992 – 2 AZR 147/20 – Rn. 49, juris).“

Erkrankung darf nicht als „Druckmittel“ gegenüber dem Arbeitgeber eingesetzt werden

LAG: „Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liegt jedoch in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen (BAG, Urteil vom 05.11.1992 – 2 AZR 147/92 – Rn. 49, juris). Der wichtige Grund zur Kündigung besteht hierbei in der ausdrücklich oder konkludent erklärten Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich die begehrte Freistellung oder einen anderen ihm verweigerten Vorteil notfalls durch eine in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob der Arbeitnehmer später tatsächlich erkrankt oder nicht (BAG, Urteil vom 12.03.2009 – 2 AZR 251/07 – Rn. 24, juris). Es ist dem Arbeitnehmer verwehrt, eine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber als „Druckmittel“ einzusetzen, um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen.“

Bloße Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, stellt hingegen noch keinen Kündigungsgrund dar

LAG klarstellend: „Die bloße Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, stellt hingegen noch keinen Kündigungsgrund dar, so lange es sich dabei auch um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann…Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 28.05.2021 erklärt, er werde nicht mehr arbeiten, sondern sich krankschreiben lassen. Damit hat der Kläger keine Drohung ausgesprochen für den Fall, dass ihm die Beklagte einen begehrten Vorteil nicht gewährt. Der o.g. wichtige Grund zur Kündigung kann deshalb nicht darin liegen, dass ein Arbeitnehmer erklärt, er werde sich die begehrte Freistellung oder einen anderen ihm verweigerten Vorteil notfalls durch in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit verschaffen. Der Arbeitnehmer also seinen Arbeitgeber unter Druck setzt, um etwas unberechtigt zu erhalten.“

Ankündigung muss zum Ausdruck bringen, dass Arbeitnehmer sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschleichen will

„Diese Situation war auch nach den Schilderungen der Beklagten nicht gegeben. Sollte der Kläger jedoch tatsächlich lediglich angekündigt haben, nicht mehr zu arbeiten, sondern sich krankschreiben zu lassen, bildet allein diese Ankündigung keine Pflichtverletzung, welche zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Eine solche Pflichtverletzung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Kläger selbst nach erfolgter Abmahnung weiterhin auf diese Ankündigung beharrt, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschleicht oder tatsächlich beharrlich der Arbeit unentschuldigt fernbleibt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.“ – so das LAG die Zurückweisung der Kündigung erklärend.

Laut Gericht liegt keine Drohung vor, wenn der Arbeitnehmer meint, er werde nicht mehr arbeiten, sondern sich krankschreiben lassen

LAG: „Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe am 28.05.2021 erklärt, er werde nicht mehr arbeiten, sondern sich krankschreiben lassen. Damit hat der Kläger keine Drohung ausgesprochen für den Fall, dass ihm die Beklagte einen begehrten Vorteil nicht gewährt. Der o.g. wichtige Grund zur Kündigung kann deshalb nicht darin liegen, dass ein Arbeitnehmer erklärt, er werde sich die begehrte Freistellung oder einen anderen ihm verweigerten Vorteil notfalls durch in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit verschaffen. Der Arbeitnehmer also seinen Arbeitgeber unter Druck setzt, um etwas unberechtigt zu erhalten. Diese Situation war auch nach den Schilderungen der Beklagten nicht gegeben. Sollte der Kläger jedoch tatsächlich lediglich angekündigt haben, nicht mehr zu arbeiten, sondern sich krankschreiben zu lassen, bildet allein diese Ankündigung keine Pflichtverletzung, welche zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte. Eine solche Pflichtverletzung könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn der Kläger selbst nach erfolgter Abmahnung weiterhin auf diese Ankündigung beharrt, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschleicht oder tatsächlich beharrlich der Arbeit unentschuldigt fernbleibt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.“

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