Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Kündigung wegen heimlicher Aufzeichnung eines Personalgesprächs erfolgreich

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Ein Arbeitnehmer zeichnet ein Personalgespräch auf; normalerweise dürfte das ein klarer Fall für eine fristlose Kündigung sein. Das ArbG Freiburg sieht das anders und hat in seinem Urteil v. 27.10.2022 – 2 Ca 193/22 – die fristlose Kündigung zurückgewiesen. Allerdings sah das Arbeitsgericht die Voraussetzungen für eine – ordentliche – verhaltensbedingte Beendigung als gegeben an.

Gericht: Interessenabwägung spricht gegen die fristlose Kündigung

Das Arbeitsgericht Freiburg stellt wie folgt klar: „Das heimliche Aufzeichnen eines Personalgesprächs eines Arbeitnehmers verletzt die Vertraulichkeit des Wortes im Sinne von § 201 I Nr. 1 StGB und auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I iVm Art. 1 GG) der weiteren Gesprächsteilnehmer und ist damit als wichtiger Grund „an sich“ zu qualifizieren, der eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigt. Die Umstände des Einzelfalls lassen aber eine außerordentliche Kündigung im Einzelfall dann als rechtsunwirksam erscheinen, wenn im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung unter anderem festgestellt wird, dass sich der seit ca. 20 Jahren für die Arbeitgeberin tätige Arbeitnehmer in einem Verbotsirrtum befand, nicht aus Böswilligkeit, sondern Unsicherheit gehandelt hat, obwohl er das aufgezeichnete Gespräch im arbeitsgerichtlichen Verfahren als Beweismittel angeboten hatte.“

Straftat der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes liegt vor

Arbeitsgericht Freiburg: „Dass der Kl. am 31.1.2022 heimlich das mit Herrn C und Frau A geführte Personalgespräch aufgezeichnet hat, rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Der Kl. hat unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufgenommen. Er hat sich mit unmittelbarem Bezug zum Arbeitsverhältnis der Straftat der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 I Nr. 1 StGB) schuldig gemacht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I iVm Art. 1 I GG) seiner Gesprächspartner verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt unter anderem das Recht am gesprochenen Wort, das die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen gewährleistet. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, wem der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte – eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung – bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen (LAG Rheinland-Pfalz 19.11.2021 – 2 Sa 40/21, BeckRS 2021, 48498 Rn. 25).“

Strafrechtliche Würdigung ist für die Frage des Kündigungsgrundes nicht entscheidend

„Für die Relevanz als Kündigungsgrund kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf die Verletzung der dem Kl. nach § 241 II BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Bekl. Diese hat ihre Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen darf – auch im Betrieb – nicht heimlich mitgeschnitten werden (vgl. BAG 19.7.2012 – 2 AZR 989/11, BAGE 142, 351 Rn. 40 = NZA 2013, 143).“ – so das Arbeitsgericht Freiburg feststellend.

Die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ist so gravierend, dass sie im Grundsatz eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann

„Ungeachtet dessen hat sich das Arbeitsgericht Freiburg gegen die fristlose Kündigung entschieden, und zwar mit folgender Begründung: „Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand im Kündigungszeitpunkt bereits seit gut 19 Jahren. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis als junger Mann begonnen und sich zum Schichtleiter hochgearbeitet.“

Betriebszugehörigkeitszeit von rund 19 Jahren ist zu berücksichtigen und spricht gegen eine fristlose Kündigung

„Es handelt sich um ein besonders langjähriges Arbeitsverhältnis. Auch wenn die Beklagte zuletzt mit der Zusammenarbeit unzufrieden war und deshalb die Versetzung aussprach, hatte das Arbeitsverhältnis – bezogen auf etwaige frühere Pflichtverletzungen des Klägers – einen störungsfreien Verlauf. Der Kläger ist zwei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte hält die Kammer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Kündigungsfrist für die Bekl. zumutbar. Zwar liegt eine gravierende Pflichtverletzung vor. Bestünde das Arbeitsverhältnis erst wenige Jahre, so hielte die Kammer die außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt. Da während der Kündigungsfrist kein vergleichbares Fehlverhalten zu erwarten ist, ist das Arbeitsverhältnis aber angesichts seiner langen Dauer und der damit verbundenen verfestigten Vertrauensbeziehung aus sozialen Erwägungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Ein Arbeitnehmer, der mehr als 19 Jahre im selben Unternehmen arbeitet, hat seine private Situation auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses abgestellt. Es ist der Bekl. zumutbar, dem Kl. eine gewisse Zeit zu geben, um sich auf die neue Lage einzustellen.“

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