Arbeitsrecht für Arbeitgeber - "Wilder Streik" rechtfertigt fristlose Kündigung

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„Wilder Streik“ meint Arbeitsniederlegungen, die nicht von der Gewerkschaft organisiert sind. Der „wilde Streik“ stellt einen Arbeitsvertragsbruch dar, der den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte jetzt in zwei Fällen über einen „wilden Streik“ zu entscheiden und stellte fest, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochenen fristlosen Kündigungen rechtmäßig sind; Urteile vom 25.04.2023 (16 Sa 868/22, 16 Sa 869/22 und 16 Sa 871/22).

In der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.04.2023, Nr. 12/23, heißt es wie folgt:

„Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in zwei Verfahren entschieden, dass die durch den Lieferdienst Gorillas erklärten fristlosen Kündigungen gegenüber als Fahrradkurieren (sog. Rider) beschäftigten Arbeitnehmern wirksam waren. Beide Rider hatten sich im Oktober 2021 an einem „wilden“ Streik beteiligt und in diesem Zusammenhang fristlose Kündigungen erhalten. In einem weiteren Verfahren ist die fristlose Kündigung der Gorillas nicht bestätigt worden, weil die Teilnahme des Arbeitnehmers an dem „wilden“ Streik nicht feststand…“

Zugänge zu den Filialen des Lieferdienstes wurden blockiert; Lieferfahrräder auf den Kopf gestellt

„Bei dem Lieferdienst Gorillas hatten sich Anfang Oktober 2021 eine Vielzahl von als Rider beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu Protesten vor einzelnen Filialen des Lieferdienstes versammelt, den Zugang zu den Filialen blockiert und Lieferfahrräder auf den Kopf gestellt. Der Lieferdienst hatte daraufhin fristlose Kündigungen gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgesprochen, die nach seiner Einschätzung an der als „wilder“ Streik bezeichneten Aktion beteiligt waren.“

Die Beteiligung an einem „wilden Streik“ begründet eine erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzung

„Das Landesarbeitsgericht hat die Beteiligung an den „wilden“ Streiks als erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen bewertet und ist davon ausgegangen, dass die nicht gewerkschaftlich organisierte Protestaktion nicht als zulässige Ausübung des Streikrechts gemäß Artikel 9 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz zu beurteilen sei, dies auch nicht unter Berücksichtigung von Teil II Artikel 6 Nr. 4 der Revidierten Europäischen Sozialcharta (RESC). In den beiden Verfahren, in denen die Beteiligung der Rider an der Protestaktion feststand, wurden die außerordentlichen Kündigungen bestätigt,“ – heißt es in der Pressemitteilung.

Kein „wilder Streik“, wenn von der Gewerkschaft organisiert

So heißt es bei Henssler, Münchener Kommentar zum BGB, 9.Auflage 2023, Rn 266:

„Beteiligt sich ein Arbeitnehmer an einem rechtswidrigen, von einer Gewerkschaft geführten Streik, so soll nach der ….Rspr. des BAG ein außerordentliches Kündigungsrecht regelmäßig entfallen, da sich der Arbeitnehmer auf die Einschätzung der Rechtslage durch die für ihn zuständige Gewerkschaft verlassen können müsse.“

Das „Streikmonopol“ liegt bei den Gewerkschaften; auch Kündigung von Betriebsräten grundsätzlich möglich, wenn sie sich an einem „wilden Streik“ beteiligen

Die Kündigung von Betriebsräten ist grundsätzlich ebenfalls möglich, wenn diese sich an einem „wilden Streik“ beteiligen. Der Sonderkündigungsschutz spielt insoweit keine Rolle.

Arbeitsrecht für Arbeitgeber heißt: Wissen des rechtlich Möglichen

Arbeitsrecht für Arbeitgeber heißt zum ersten das Wissen des rechtlich Möglichen. Zum zweiten stellt sich grundsätzlich für jeden Arbeitgeber in einer solchen Situation die Frage wie er damit in der Praxis umgeht. Im Vordergrund sollte das Signal an die Belegschaft stehen. Wenn Arbeitnehmer sich an einem „wilden Streik“ beteiligen, dann sollte der Arbeitgeber handeln. Anderenfalls droht der Eindruck, rechtswidriges Verhalten im Betrieb, nicht zu sanktionieren. Das wiederum dürfte sich auf die Betriebsdisziplin im Unternehmen äußerst negativ auswirken, weil diejenigen in der Belegschaft frustriert reagieren werden, die sich stets rechtmäßig verhalten. Die Botschaft des Arbeitgebers sollte eindeutig und unmissverständlich sein: Rechtswidriges Handeln wird nicht geduldet; völlig egal, ob es sich um einen "wilden Streik" handelt oder um Diebstahl oder Arbeitszeitbetrug. Wer als Arbeitnehmer eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begeht muss mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechnen.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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