Arbeitsrecht: Videoüberwachung am Arbeitsplatz führt zu keinem generellen Verwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess

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Grundsätzlich ist in einem Prozess um den Schutz vor unrechtmäßiger Kündigung kein generelles Verwertungsverbot für Videoaufzeichnungen vorgesehen, die dazu dienen, ein vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers nachzuweisen. Dies gilt sogar, wenn die Methode der Überwachung durch den Arbeitgeber nicht in allen Aspekten datenschutzkonform ist.


Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29. Juni 2023, Az.: 2 AZR 296/22 zu Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 6. Juli 2022, Az.: 8 Sa 1149/20) hat sich mit einer interessanten Frage befasst: Besteht in einem Kündigungsschutzprozess grundsätzlich ein Beweisverwertungsverbot einer öffentlichen Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers darlegen soll? Die Antwort lautet: nein.


Im vorliegenden Fall war der Kläger als Teamleiter in einer Gießerei tätig und wurde beschuldigt, vorsätzlich eine Schicht nicht geleistet zu haben, obwohl er dafür eine Vergütung erhalten wollte. Obwohl der Kläger zugab, das Firmengelände betreten zu haben, zeigten Videoaufzeichnungen, die aufgrund eines anonymen Tipps ausgewertet wurden, dass er das Gelände vor Arbeitsbeginn wieder verlassen hatte. Daraufhin wurde ihm sowohl fristlos als auch vorsorglich ordentlich gekündigt. Der Begriff des „Verwertungsverbots“ bezieht sich auf die rechtliche Einschränkung, bestimmte Beweismittel in einem Prozess zu verwenden. Das Verwertungsverbot kann sich auf unterschiedliche Arten von Beweismitteln beziehen, und seine Anwendung ist oft abhängig von den spezifischen Umständen des Falls sowie der Art des erfassten Beweismittels. Im Kontext des Arbeitsrechts kann ein Verwertungsverbot beispielsweise dann relevant sein, wenn ein Arbeitgeber versucht, die Ergebnisse einer rechtswidrigen Überwachung als Beweis in einem Kündigungsverfahren zu nutzen.


„Der Kläger machte in seiner Klage geltend, dass die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertet werden dürften. Dies stützte er auf ein Verwertungsverbot, das sich auf datenschutzrechtliche Grundlagen bezieht. Das hat das Bundesarbeitsgericht nicht akzeptiert. Es ist kein generelles Verwertungsverbot für Videoaufzeichnungen, die dazu dienen, ein vorsätzliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers nachzuweisen, in einem Prozess um den Schutz vor unrechtmäßiger Kündigung vorgesehen. Dies gilt sogar dann, wenn die Methode der Überwachung durch den Arbeitgeber nicht in allen Aspekten datenschutzkonform ist“, sagt der Mönchengladbacher Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich neben der Beratung von Betroffenen des Abgasskandals auf die Durchsetzung von Ansprüchen von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos und Online-Sportwettenanbieter und die Vertretung von Betroffenen bei Kündigungsschutzklagen und sämtlichen anderen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten spezialisiert.

Das Bundesarbeitsgericht verwies die Sache also zurück an das Landesarbeitsgericht und eröffnete die Möglichkeit, die Videobeweise zu berücksichtigen. Dies beruht auf Bestimmungen des EU-Rechts sowie des nationalen Prozess- und Verfassungsrechts. Die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) oder des Bundesdatenschutzgesetzes spielte in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Das Urteil stellt klar, dass die Anforderungen der DSGVO unter bestimmten Bedingungen nicht unbedingt erfüllt sein müssen, damit die Videoaufnahmen als Beweis verwertet werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen hat. „Es gilt also in Kündigungsschutzverfahren, genau auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und Details bei der Argumentation zu achten, da das Arbeitsrecht in der Rechtsordnung höher angesiedelt ist als andere Rechtsbereiche“, betont Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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