Arbeitszeitbetrug: Kündigung unwirksam, weil fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats

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Arbeitsrecht für Arbeitgeber bedeutet vor allem auch, die rechtliche Bedeutung sowie Tragweite der Anhörung eines Betriebsrats vor Augen zu haben. In dem Fall des LAG Köln (11. Kammer), Urteil vom 27.11.2012 - 11 Sa 546/12, kommt zwar das LAG zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitszeitbetrug vorliegen könnte, da aber die Anhörung an den Betriebsrat fehlerhaft ist, ist die gesamte Kündigung als unwirksam zurückzuweisen.

LAG Köln wie folgt herausstellend: „Selbst wenn man entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zu der Annahme käme, es lägen hinreichende Tatsachen für den Verdacht des Arbeitszeitbetrugs vor, so könnte sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen.“ Quelle: Beck-online.de

Wie kann das sein? Arbeitszeitbetrug wird bejaht, trotzdem ist die Kündigung unwirksam

„LAG Köln: „Für die Mitteilungspflicht im personalvertretungsrechtlichen Anhörungsverfahren gelten die für die Anhörung nach § 102 BetrVG entwickelten Regeln. Danach ist der Grundsatz der sog. "subjektiven Determination“ maßgeblich, wonach die Personalvertretung immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihr die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG, Urt. v. 27.03.2003 - 2 AZR 699/01 - m. w. N.). Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der im Tatvorwurf nicht enthalten ist. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, er beabsichtige dem Arbeitnehmer wegen einer nach dem geschilderten Sachverhalt für nachgewiesen erachteten Straftat zu kündigen und stützt die Kündigung später bei unverändert gebliebenem Sachverhalt auch auf den Verdacht dieser Straftat, so ist der nachgeschobene Kündigungsgrund der Verdachtskündigung wegen insoweit fehlender Anhörung des Betriebsrats im Kündigungsschutzprozess nicht zu verwerten (BAG, Urt. v. 03.04.1986 - 2 AZR 324/85 - m. w. N.).“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitgeber muss sich – vor Anhörung des Betriebsrats – entscheiden, ob er eine Tat- oder eine Verdachtskündigung aussprechen will

LAG Köln: „Die Beklagte hat gegenüber dem nichtwissenschaftlichen Personalrat in der Anhörung vom 04.08.2011 zunächst ihre ursprünglichen Verdachtsmomente geschildert und sodann ausgeführt, dass die Mitarbeiter S, K, S und R den ihnen zur Last gelegten Arbeitszeitbetrug zugegeben und gleichzeitig u. a. die Teilnahme des Klägers am Arbeitszeitbetrug bestätigt hätten. Im Hinblick auf die Aussagen und der „Beweislage“ sei eine Anhörung des Klägers - ungeachtet dessen Weigerung - nicht zwingend erforderlich. Diese Ausführungen der Beklagten musste der nichtwissenschaftliche Personalrat so verstehen, dass die Beklagte den Arbeitszeitbetrug des Klägers als erwiesen betrachtete und nicht schon aufgrund des Verdachtes, sondern wegen hinreichend nachgewiesener Tat das Arbeitsverhältnis zu kündigen beabsichtigte. Sie ist daher aus kollektivrechtlichen Gründen nach den dargelegten Grundsätzen gehindert, den Kündigungsgrund der Verdachtskündigung im Kündigungsschutzprozess nachzuschieben.“ Quelle: Beck-online.de

Fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats führt von vornherein zur Unwirksamkeit der Kündigung

LAG Köln: „Im Ansatz zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Auch ein Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Der Verdacht muss auf konkrete Tatsachen gestützt und dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag.“ Quelle: Beck-online.de

In Ergebnis zeigt dieser Fall des LAG Köln sehr anschaulich auf, dass der Arbeitgeber sich darüber bewusst sein sollte, dass im Besonderen auch die Anhörung an den Betriebsrat eine Fehlerquelle darstellen kann, die darüber entscheidet, ob die Kündigung unwirksam ist oder nicht. Die Frage, ob eine schwerwiegende Arbeitsvertragspflichtverletzung vorliegt, wie hier der Arbeitszeitbetrug, ist rechtlich bedeutungslos, sofern die Anhörung an den Betriebsrat fehlerhaft formuliert worden ist.

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