Aufrechnung des Jobcenters mit Anspruch auf Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens rechtswidrig?

  • 1 Minuten Lesezeit

Jobcenter rechnen einen Anspruch auf Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens häufig durch einen monatlichen Einbehalt i.H.v. 10 % des, dem Bürger eigentlich zustehenden Regelsatzes gemäß § 42a Abs. 2 SGB II auf.

Die so verfügte Leistungskürzung durch monatliche Aufrechnung i.H.v. 10 % des maßgeblichen Regelsatzes verstößt meiner Auffassung nach gegen die Verfassung, vgl. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG. Denn die Aufrechnung führt dazu, dass Bürgern für lange Zeiträume Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur unterhalb des Existenzminimums zur Verfügung stehen. Die Aufrechnung ist im Übrigen meines Erachtens unverhältnismäßig, weil Jobcenter in der Regel durch Abtretungserklärungen (Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruchs gegen den Vermieter an das Jobcenter) ausreichend abgesichert sind.

Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2016, L 32 AS 516/15 B PKH, und auch nach in der Literatur vertretener Ansicht, ist eine Unterdeckung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über einen unzumutbar langen Zeitraum hinweg verfassungsrechtlich bedenklich, da „das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind“; BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in seiner oben erwähnten Entscheidung ein Unterschreiten des Existenzminimums infolge einer Aufrechnung für einen Zeitraum von 21 Monaten als verfassungsrechtlich bedenklich bewertet.

Eine Entscheidung des Bundessozialgerichts steht noch aus. Bürger sollten deshalb gegen Bescheide, mit denen ein Kautionsdarlehen aufgerechnet wird, Widerspruch einlegen, notfalls einen Überprüfungsantrag stellen oder besser noch, einen Anwalt mit ihrer Vertretung gegen das Jobcenter beauftragen.

Bei Bewilligung von Beratungshilfe durch ein Amtsgericht kostet die Beauftragung des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren gegen das Jobcenter nur 15,- € Selbstbeteiligung – so die Rechtslage in Berlin.

Ich stehe Ihnen für eine Beratung oder Ihre Vertretung gegen das Jobcenter gern zur Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Moritz Sandkühler

Beiträge zum Thema