Ausschluss der Eigenbedarfskündigung wegen hohen Lebensalters und Verwurzelung am Ort der Mietsache

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Erklärt der Vermieter die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs, kann der Mieter der Kündigung widersprechen und vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Erlangungsinteresse des Vermieters und das Bestandsinteresse des Mieters sind gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.


Mit Urteil vom 25. Mai 2021 (Az. 67 S 345/18) hat das Landgericht Berlin entschieden, dass die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs im konkreten Fall ausscheidet.


In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine inzwischen 89-jährige Mieterin ihre Wohnung bereits im Jahre 1997 von den Rechtsvorgängern der als Klägerin auftretenden Vermieterin angemietet. Im Jahr 2015 erklärte die Vermieterin die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs. Die Mieterin widersprach der Kündigung unter Verweis auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel. Das Landgericht Berlin gab der Mieterin nun Recht und wies die Räumungsklage der Vermieterin ab.


Die kündigungsbedingte Beendigung des Mietverhältnisses stelle für die Mieterin unabhängig von den gesundheitlichen Folgen der Vertragsbeendigung und unbeschadet ihrer Möglichkeiten zur Beschaffung von Ersatzwohnraum eine Härte dar. Denn die Mieterin habe den Besitz an ihrer Wohnung kündigungsbedingt zu einem Zeitpunkt aufgeben müssen, in dem sie sich in einem sehr hohen Lebensalter befunden habe und aufgrund langer Mietdauer am Ort der Mietsache verwurzelt sei. Für die Verwurzelung spreche, dass die Mieterin bereits sei 24 Jahren die Räumlichkeiten bewohne, ihre Einkäufe für den täglichen Lebensbedarf in fußläufiger Entfernung zur Mietsache erledige sowie die medizinische Versorgung der Mieterin bis heute in unmittelbarer Nähe zur Mietsache und mittlerweile sogar in der Wohnung selbst stattfinde. Auch ihre sozialen Kontakte und sonstige Aktivitäten wie der Besuch von Cafés und Gottesdiensten in der näheren Umgebung ließen auf eine tiefe Verwurzelung der Mieterin schließen. Die mit dem Wohnungsverlust einhergehenden Beeinträchtigungen führten daher bei der Mieterin zu einer Verletzung ihrer durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde. Ob Letztere vorliegend eine Berücksichtigung des Erlangungsinteresses der Vermieterin gestattete, ließ das Gericht offen. Jedenfalls habe das Erlangungsinteresse der Vermieterin zurückzutreten, da ihr Eigennutzungswunsch allenfalls auf bloßen Komfortzuwachs sowie die Vermeidung nicht ins Gewicht fallender wirtschaftlicher Nachteile gerichtet sei.


Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine Ausnahmeentscheidung handelt. Gleichwohl verdeutlicht diese Entscheidung einmal mehr, dass es stets um eine Betrachtung und des Bewertung des Einzelfalls geht. Im Zuge dessen ist eine unterstützende Beratung durch einen Fachanwalt unerlässlich.


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