Beteiligung an der nicht fachgerechten Tötung von Ferkeln im Werk von Tönnies – Fristlose Kündigung verhältnismäßig?

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Vor dem Landesarbeitsgericht Hamm fand am 15. August 2023 der Berufungstermin in einem Kündigungsschutzprozess zwischen dem Kreis Gütersloh und einem dort angestellten Tierarzt statt; Aktenzeichen: 6 Sa 21/23.

Der Fall beschäftigt die Medien. Tierquälerei steht im Mittelpunkt und die Rechtsfrage, ob die Beteiligung an einer nicht fachgerechten Tötung von Ferkeln in einem Werk von Tönnies eine fristlose Kündigung rechtfertigt. In der ersten Instanz wies das Arbeitsgericht Bielefeld mit Urteil vom 24.November 2022 die fristlose Kündigung als unwirksam zurück, weil diese nicht verhältnismäßig gewesen sei. Nunmehr entscheidet das Landesarbeitsgericht Hamm über die Frage der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung.

Ferkel bei Tönnies im Kreis Gütersloh ertränkt: Fristlose Kündigung verhältnismäßig? – so lautet die Schlagzeile der Neue Westfälische Kreis Gütersloh vom 16.August 2023, Autorin Anja Hustert

„Ein Kreisveterinär soll drei Ferkel in einem Werk von Tönnies in einem Eimer ertränkt haben, sein Kollege hat dabei zugesehen. Beiden wurde fristlos gekündigt..Die beiden Männer - ein 63-jähriger Tierarzt aus Herzebrock-Clarholz und der 57-jährige aus Spenge - waren zur Schlachttieruntersuchung und der Überwachung des Schlachtbetriebs bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück eingesetzt. Damals hatte eine zur Schlachtung angelieferte Zuchtsau im Viehtransporter und dann im Wartebereich Ferkel geboren. Vier Ferkel sind daraufhin - wie in einem solchen Fall vorgesehen - mit Hilfe von Kohlendioxid getötet worden. Drei weitere Ferkel soll der Tierarzt aus Herzebrock-Clarholz eigenhändig in einem Wassereimer ertränkt haben. Sein Spenger Kollege, der seit einem Vierteljahrhundert beim Kreis beschäftigt ist, soll dabei zugesehen haben oder es zumindest nicht verhindert haben, wirft ihm der Kreis vor. "Was der jedenfalls zeitweise dort anwesende Kläger davon mitbekommen oder gegebenenfalls auch mitinitiiert hat, steht zwischen den Parteien im Streit", so die Neue Westfälische Kreis Gütersloh in ihrem Artikel vom 16.August 2023.

Arbeitsgericht Bielefeld wies die Kündigung zurück: Begründung: Kündigung ist unverhältnismäßig und der Tatbeitrag des Arbeitnehmers bei der Ferkeltötung nur von untergeordneter Bedeutung

Weiter heißt es in dem Artikel der NW: „Mit den Gründen, die uns zur außerordentlichen Kündigung bewogen haben, haben wir vor dem Landesarbeitsgericht Gehör gefunden. Der Kläger hatte als Tierarzt die arbeitsrechtliche Pflicht, eine ordnungsmäße Betäubung der Ferkel sicherzustellen, bevor diese getötet wurden“, so Thomas Kuhlbusch, Dezernent für Straßenverkehr, Veterinärwesen und Recht beim Kreis Gütersloh.

Gemäß Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Hamm vom 15.08.2023, pressestelle@lag-hamm.nrw.de, heißt es wie folgt:

„Das Arbeitsgericht hatte dem Tatbeitrag des Klägers nur untergeordnete Bedeutung beigemessen und die Kündigung auch deshalb für unverhältnismäßig gehalten. Die befasste Berufungskammer gab insoweit zu erkennen, dass sie diese Einschätzung nicht uneingeschränkt teilt und eine Beweisaufnahme in Aussicht gestellt. Parallel hat sie den Parteien einen in Eckpunkten formulierten Vergleichsvorschlag mit dem Ziel der Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterbreitet, den die Parteien nun außergerichtlich weiter ausformen und verhandeln wollen. Für den Fall, dass dieses nicht zu einem Ergebnis führt, hat die Berufungskammer die Fortsetzung der Verhandlung für Oktober 2023 in Aussicht gestellt.“

Frage der Verhältnismäßigkeit ist bei jeder fristlosen Kündigung von mitentscheidender Bedeutung

Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist wichtigster Bestandteil der Interessenabwägung, die jeder Arbeitgeber verpflichtet ist, vor Ausspruch einer Kündigung zu prüfen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine fristlose oder um eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung handelt. Eine Kündigung – ohne vorherige – Interessenabwägung ist von vornherein unwirksam, so die ständige Rechtsprechung in Deutschland.

Anschaulich umschreibt das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7.5.2020 – 2 AZR 619/19 (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.5.2019 – 10 Sa 52/18) die Schlüssel-Prüfungspunkte einer Interessenabwägung wie folgt:

„Eine Kündigung ist iSv § 1 II 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, NZA 2020, 646 Rn. 75; v. 15.12.2016 – 2 AZR 42/16, NZA 2017, 703 Rn. 11).“

Arbeitsgericht für Arbeitgeber - heißt vor diesem Hintergrund im Besonderen, im Rahmen jeder Anhörung des Kündigungssachverhalts an den Betriebsrat die Interessenabwägung im Detail auszuführen. Eine Anhörung an den Betriebsrat – ohne jegliche Interessenabwägung – bedeutet, dass die Kündigung von vornherein unwirksam ist.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.


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