Betriebsrat Schadensersatz: Betriebsratsbegünstigung - Ex-SSB-Vorstand muss 580.000 EUR an Schadensersatz zahlen

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„MITGLIEDER DES BETRIEBSRATS SOLLEN BEVORTEILT WORDEN SEIN - Landgericht Stuttgart verurteilt Ex-SSB-Vorstand zu Schadenersatz“ – so lautet die Schlagzeile des Artikels des SWR 3.de vom 30.06.2023.

SWR 3.de: „Die Vorwürfe liegen bereits mehr als sieben Jahre zurück. Der damalige Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) soll Betriebsratsmitglieder zu hoch honoriert haben. Das Landgericht Stuttgart verurteilte jetzt ein ehemaliges Vorstandsmitglied auf Schadensersatz. Mehr als 580.000 Euro soll der ehemalige SSB-Vorstand und Arbeitsdirektor an das Unternehmen zahlen. Wie das Landgericht Stuttgart mitteilte, wurde einer Klage auf Schadensersatz damit teilweise stattgegeben.“ Quelle: Artikel des SWR 3.de vom 30.06.2023.

Rechtstipp Nr. 1: Arbeitsrecht für Arbeitgeber: 

Unerlaubte Höhergruppierungen von Betriebsräten, Gewähren von Zulagen, Gewähren von Sitzungsgeldern oder pauschalen Aufwandsentschädigungen an Betriebsräte – könnten Haftungsrisiko auf Zahlung von Schadensersatz begründen

Grund: Straftat der Betriebsratsbegünstigung könnte in Betracht kommen und kann zu Schadensersatzansprüchen des (hier: ehemaligen) Arbeitgebers führen

Was war passiert? Vorstands-Nachfolgerin brachte den Fall ins Rollen.

„Der frühere Vorstand und langjährige Arbeitsdirektor gehörte bis 2015 dem Verkehrsunternehmen an. Der Fall wurde von seiner Nachfolgerin ins Rollen gebracht. Es ging dabei etwa um unerlaubte Höhergruppierungen von Betriebsräten, um die Gewährung von Zulagen, um Sitzungsgelder und pauschale Aufwandsentschädigungen. 2016 stellte die SSB diese Praxis ein…Die zuständige Kammer des Landgerichts Stuttgart sah es als erwiesen an, dass Grundsätze der sogenannten Legalitätspflicht verletzt worden waren. Beispielsweise dürfe der Arbeitgeber Zusatzvergütungen für die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit nicht gewähren. Der Streitwert des Verfahrens belief sich laut Gericht auf über 1,9 Millionen Euro.“ Quelle: SWR 3.de vom 30.06.2023.

Rechtstipp Nr. 2: Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 verinnerlichen – Betriebsratsbegünstigung kann Straftatbestand der Untreue auslösen

Der Arbeitgeber sollte sich stets das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023, Az. 6 StR 133/22, vor Augen führen. Dieses Urteil hat zu einer „Schockstarre“ sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Gewerkschaft und Betriebsrat geführt. Im Kern geht es um folgendes: Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB erfüllt sein kann, wenn Vorstände bzw. Personalleiter/Innen Betriebsräten unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot überhöhte Vergütungen gewähren.

Laut Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023, Nr. 3/23, heißt es wie folgt:

„Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2023 auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 28. September 2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das Landgericht hat die Angeklagten, zwei frühere Vorstände für den Bereich Personal und zwei frühere Personalleiter der Volkswagen AG, vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Gegenstand des Urteils war die Gewährung von Arbeitsentgelten (Monatsentgelte und freiwillige Bonuszahlungen) an freigestellte Betriebsräte in den Jahren 2011 bis 2016, die die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen. Hierdurch entstand der Volkswagen AG ein Schaden von mehr als 4,5 Millionen Euro. Nach Ansicht des Landgerichts haben die Angeklagten durch die Umstufung der Betriebsräte in deutlich höhere, dem "Managementkreis" vorbehaltene Entgeltgruppen und die Gewährung freiwilliger Bonuszahlungen von jährlich 80.000 Euro bis 560.000 Euro je Betriebsrat den objektiven Tatbestand einer Untreue erfüllt.

Ihnen fehle aber der erforderliche Vorsatz, weil sie sich auf die Einschätzungen interner und externer Berater verlassen beziehungsweise ein bestehendes Vergütungssystem vorgefunden und irrtümlich angenommen hätten, mit ihren jeweiligen bewilligenden Entscheidungen keine Pflichten zu verletzen.

Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Freisprüche aufgehoben.“ Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023, Nr. 3/23.

Zurück zum Fall des Landgerichts Stuttgart: Ex-Vorstand muss EUR 580.000 an seinen ehemaligen Arbeitgeber als Schadensersatz zurückzahlen

Laut Pressemitteilung des Landgerichts Stuttgart, Justiz in Baden-Württemberg, vom 30.06.2023, heißt es wie folgt: „Kurzbeschreibung: Die 31. Kammer für Handelssachen unter dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Schumann hat ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Stuttgarter Straßenbahnen AG (nachfolgend „SSB“) zur Zahlung von Schadensersatz an die Gesellschaft in sechsstelliger Höhe verurteilt (31 O 78/20 KfH)…Gegenstand des Verfahrens: Der Beklagte gehörte bis 2015 dem Vorstand der SSB an und war lange Jahre ihr Arbeitsdirektor. Rechtsgutachten, die von seiner Nachfolgerin eingeholt wurden, ergaben, dass jahrelang überhöhte Vergütungen an Betriebsratsmitglieder bezahlt worden seien. Es ging dabei u.a. um nicht gesetzeskonforme Höhergruppierungen, um die Gewährung von Zulagen, um Sitzungsgelder und pauschale Aufwandsentschädigungen. 2016 stellte die SSB diese Praxis ein, nahm Rückgruppierungen vor und führte mit Erfolg zahlreiche arbeitsgerichtliche Prozesse. Mit der vorliegenden Klage vor der 31. Kammer für Handelssachen macht die SSB Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend, die damit begründet werden, dass dieser seine Pflichten als Vorstand verletzt habe.“

Weiter heißt es in der Pressemitteilung in Bezug auf die wesentlichen Erwägungen des Landgerichts Stuttgart wie folgt:

„In dem ausführlich begründeten Urteil wies die Kammer auf die sogenannte Legalitätspflicht hin, der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen, und führte u.a. aus, dass der Vorstand in Bezug auf die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern gesetzliche Vorgaben beachten muss: Einerseits führen Betriebsratsmitglieder ihr Amt gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG unentgeltlich aus und ihr Arbeitsentgelt darf nach § 37 Abs. 4 BetrVG nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Andererseits verbietet § 78 Satz 2 BetrVG sowohl die Begünstigung als auch die Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern wegen ihrer Betriebsratstätigkeit. Ein Anspruch auf Erhöhung des Entgelts steht ihnen grundsätzlich nur in dem Umfang zu, in dem das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung steigt. Zusatzvergütung für die Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit darf der Arbeitgeber nicht gewähren. Diese Grundsätze sah die Kammer verletzt.“

Rechtstipp Nr 3: Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Einrichtung eines Compliance-Systems und dessen Überwachung ist zwingend; schützt grundsätzlich vor etwaigen Schadensersatzansprüchen        

„Selbst wenn der Vorstand über die Höhergruppierung oder die Gewährung von Zulagen oder sonstigen Vergütungsbestandteilen an Betriebsratsmitglieder nicht selbst entscheide, müsse er durch Einrichtung eines entsprechenden Compliance-Systems und dessen Überwachung unternehmensintern dafür sorgen, dass die gesetzlichen Vorgaben zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern eingehalten werden. Er sei für die Wiederherstellung gesetzeskonformer Zustände verantwortlich.“ Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts Stuttgart, Justiz in Baden-Württemberg, vom 30.06.2023

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Haben Sie Fragen in Bezug auf die Haftung Betriebsrat / Gewerkschaft? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre entsprechenden Fragen zu den Themen „Kündigungsschutzgesetz“; „Betriebsverfassungsgesetz“ – und natürlich zu Haftungsfragen, auch und im Besonderen für Geschäftsführung sowie Vorstand.


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