Covid-19: Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

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Auf die deutschen Sozialgerichte kommt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eine Klagewelle zu. Dabei geht es um alle Themen, die allgemein auch aus den Nachrichten bekannt sind, wie z. B. die Verteilung und die Kosten von Schutzmasken, Schullaptops für Hartz-IV-Empfänger, zu Unrecht bezogenes Kurzarbeitergeld oder auch die Bewertung und Anerkennung von Covid-19 als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit.

Der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts Günther Kolbe wird hinsichtlich der bereits jetzt stark ansteigenden Zahl an Verfahren am 30. Mai in der Süddeutschen Zeitung mit den Worten zitiert: "Wir sind gerade bei den corona-spezifischen Fragestellungen quer durch das Sozialgesetzbuch unterwegs. (…) Ich erwarte, dass wir unterm Strich wenigstens zehn Prozent zulegen. Und das ist vorsichtig geschätzt."

Kann Covid-19 als Berufskrankheit anerkannt werden?

Im Augenblick (Juni 2021) erkennt der Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) Covid-19 nur unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit an. Die Anerkennung setzt z. B. voraus, dass die erkrankte Person „im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig war oder durch eine andere Tätigkeit in ähnlichem Maße infektionsgefährdet war.“ Arbeitet die betroffene Person also in einem anderen Berufszweig, kann eine Erkrankung aufgrund einer aus dieser Tätigkeit resultierenden Infektion mit dem Corona-Virus nicht als Berufskrankheit gewertet werden, es sei denn es gelingt der Nachweis der arbeitsbedingten Infektionsgefährdung „in ähnlichem Maße“.

Eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit ist der Umstand, dass nach der Infektion mindestens „geringfügige klinische Symptome“ aufgetreten sein müssen. Allerdings bedeutet das mit Blick auf die neuesten Studien zum Post-Covid-Syndrom und möglichen Langzeitschäden nicht, dass eine symptomfreie Erkrankung ein Ausschlusskriterium für die Anerkennung darstellt: Sollten infolge der Infektion erst zu einem späteren Zeitpunkt klinische Symptome auftreten, die als Folge der Infektion anzusehen sind, kann eine Berufskrankheit ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden.

Welche Berufsgruppen dürfen davon ausgehen, dass Covid-19 als Berufskrankheit annerkannt werden wird?

Die Anforderungen auf Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit sind in der aktuellen Rechtsprechung relativ hoch. Entsprechende Tätigkeiten müssen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Infektion in sich bergen, wobei sich die Definition von „erhöhter Wahrscheinlichkeit“ nicht nur auf die Verrichtung der Tätigkeit an und für sich bezieht, sondern auch darauf, dass das durchschnittliche Infektionsrisiko in der jeweiligen Berufsgruppe erheblich höher ist als in der übrigen Bevölkerung. Auf eine individuelle Gefährdungslage aufgrund von bereits bestehenden körperlichen Veranlagungen kommt es dann nicht an.

Es zeichnet sich mittlerweile ab, dass die Anerkennung in Arbeitsbereichen möglich sein könnte, in denen Arbeitnehmer mit Wartungs-, Instandsetzungs- oder Entsorgungsarbeiten beschäftigt sind – ein Beispiel hierfür könnten Mitarbeiter von Klärwerken oder auch Klempner sein – oder aber in Berufen mit unmittelbarem Körperkontakt. Letzteres trifft unter anderem sicherlich auf Masseure oder auch das Friseurhandwerk zu, aber auch auf sogenannte gesichtsnahe Tätigkeiten, wie z. B. kosmetische Behandlungen.

Welche Berufsgruppen sollten besser nicht davon ausgehen, dass Covid-19 als Berufskrankheit annerkannt werden wird?

Wesentlich ungünstiger fällt die Prognose für die in der öffentlichen Debatte deutlich präsenteren Berufszweige wie die Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr, Kassierer, Lehrer oder Polizisten aus. Wie bereits ausgeführt geht es weniger um die individuelle Gefährdungslage als um das allgemein „erhöhte Infektionsrisiko“. Es gibt bislang jedoch keine wissenschaftlich gesicherten Hinweise darauf, dass diese Berufsgruppen die Voraussetzung erfüllen. Im Tätigkeitsumfeld von Polizisten, Lehrern, Kassierern und Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr ist weder der Grad der „Durchseuchung“ im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung in irgendeiner Weise erhöht noch die Übertragungsgefahr bei der Ausübung der Tätigkeit.

Diese und ähnliche Berufszweige erfüllen also die Anforderungen auf Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit nach Stand der Dinge nicht – eine Infektion mit Covid-19 könnte dann aber entsprechend als Arbeitsunfall gewertet werden.

Unter welchen Bedingungen wird Covid-19 als Arbeitsunfall gewertet?

Die allgemeinen Regeln für Arbeitsunfälle gelten auch bei einer nachgewiesenen Corona-Infektion und Erkrankung an COVID-19. Das heißt, man muss nachweisen, dass man am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin bzw. von dort nach Hause Kontakt mit einem Infizierten hatte und zugleich Ansteckungen im privaten Umfeld ausgeschlossen sind.

Ganz konkret muss nachweislich ein „intensiver Kontakt“ mit einer infektiösen Person stattgefunden haben. Außerdem müsste innerhalb von 14 Tagen nach dem Kontakt die Erkrankung eingetreten sein. Dauer und der örtlichen Nähe zur Kontaktperson sind die Gradmesser der Intensität des Kontaktes, d. h. beispielsweise mindestens 15 Minuten bei einer räumlichen Entfernung von weniger als eineinhalb bis zwei Metern oder weniger als 15 Minuten bei einem besonders intensiven Kontakt.

In Einzelfällen kann die Erkrankung auch ohne einen solchen Kontaktnachweis einen Arbeitsunfall darstellen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld „nachweislich eine größere Anzahl von infektiösen Personen gegeben hat und konkrete, die Infektion begünstigende Bedingungen bei der versicherten Tätigkeit vorgelegen haben.“ (DGUV) Das dürfte z. B. bei Lehrern des Öfteren zutreffen.

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Foto(s): Pascal Croset

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