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Darf der Arbeitgeber mit eigenen Ansprüchen gegen Lohnansprüche des Arbeitnehmers aufrechnen?

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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.9.2015, Az.: 9 AZR 143/14

Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 30.09.2012 als Krankenschwester beschäftigt. 2008 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Teilnahme an einer Fachweiterbildung, deren Kosten i. H. v. 5.231,00 Euro die Beklagte übernahm. Die Krankenschwester verpflichtete sich, zwei Drittel dieser Kosten zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Ablauf von zwei Jahren nach Abschluss der Weiterbildung aus einem von der Klägerin zu vertretenden Grund enden würde.

Die Klägerin, welche an der Weiterbildungsmaßnahme bis zum 31. Oktober 2010 teilnahm erklärte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2012. Nach erfolgloser Aufforderung zur Rückzahlung anteiliger Weiterbildungskosten i. H. v. 3.784,33 EUR, erteilte die Beklagte der Klägerin eine Entgeltabrechnung für den Monat September 2012, welche einen an die Klägerin zu zahlenden Nettobetrag i. H. v. 4.746,08 Euro sowie eine als „Abschlag“ bezeichnete Position i. H. v. 3.784,33 Euro netto auswies, welcher von dem genannten Nettobetrag in Abzug gebracht wurde. Die Klägerin forderte im Klageverfahren letztlich, die Zahlung des Betrages von 3.784,33 Euro netto nebst Zinsen, da die Rückzahlungsklausel sie unangemessen benachteilige.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte und das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hatte, verurteilte das Bundesarbeitsgericht die Beklagte, an die Klägerin 3.784,33 Euro netto nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Frage der Angemessenheit der Rückzahlungsklausel, brauchte das Bundesarbeitsgericht hierbei gar nicht eingehen, da der Entgeltanspruch der Klägerin nicht im Wege der Aufrechnung erfüllt wurde.

Das Bundesarbeitsgericht verwies auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB, wonach eine Aufrechnung gegen eine Forderung ausgeschlossen ist, soweit diese Forderung nicht gepfändet werden kann.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehe, dass die Klägerin keinerlei Unterhaltspflichten zu erfüllen habe, betrage der pfändbare Teil zum Aufrechnungszeitpunkt 3.076,71 Euro netto, sodass i. H. v. 707,62 Euro (= 3.784,33 Euro - 3.076,71 Euro) die Beklagte nicht wirksam aufrechnen konnte.

Im Übrigen sei die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe hinsichtlich des verbleibenden Restbetrags i. H. v. 3.076,71 Euro netto das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB von ihr beachtet worden ist. Es sei nicht Sache der Gerichte für Arbeitssachen, die pfändbaren Teile des Arbeitseinkommens zu ermitteln. Danach ist der Erfüllungseinwand unbeachtlich, wenn der Arbeitgeber seiner diesbezüglichen Obliegenheit nicht genügt. Dies sei hier der Fall.

Fazit:

Der Arbeitsgeber sollte bei der beabsichtigten Aufrechnung gegen Lohnforderungen des Arbeitnehmers die Pfändungsfreigrenzen korrekt ermitteln. In einem Rechtsstreit ist er hierfür darlegungs- und beweisbelastet. Dem Arbeitgeber bleibt es jedoch unbenommen, im Wege der Widerklage oder durch eigene Klage seine berechtigten Ansprüche gerichtlich zu verfolgen.


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