Darf ich den Koran in Deutschland verbrennen?

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Schon wieder brannte ein Koran in Stockholm. Ein irakischer Flüchtling, hatte die Heilige Schrift des Islams schon zuvor mit Füßen getreten, Seiten herausgerissen, Schweinespeck zwischen die Deckel gepresst.

Die islamische Welt reagierte empört, doch in Skandinavien zucken sie nur bedauernd mit den Schultern: Nicht schön, aber das sei eben Meinungsfreiheit. Nicht alles, was legal ist, ist auch angemessen, mahnte Ministerpräsident Ulf Kristersson zwar. Aber am Ende gehe es doch vor allem darum, unsere freien und offenen Gesellschaften zu verteidigen.

Ägypten bestellte den Geschäftsführer der schwedischen Botschaft ein. Der Irak hatte die EU aufgefordert, ihre "sogenannte Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht rasch zu überdenken".

Algerien hatte laut eigenen Angaben schon zuvor diplomatische Vertreter Schwedens und Dänemarks einbestellt, um die jüngsten Verunglimpfungen des Korans in Stockholm und Kopenhagen zu verurteilen.

Auch andere mehrheitlich islamische Staaten wie die Türkei und der Iran haben die Verbrennungen verurteilt. Im Irak protestierten am Samstag mehrere Tausend Menschen dagegen. In Bagdad hatte vergangene Woche eine Menge sogar die schwedische Botschaft gestürmt und in Brand gesteckt.

Hier und in meinem Video erfahrt ihr, wie die Rechtslage in Deutschland ist.

Darf man in Deutschland den Koran verbrennen?

Wie sieht das aber in Deutschland aus? 

Es fühlt sich archaisch an. Eine Strafvorschrift, die in ihrer ersten Fassung von 1871 wörtlich die "Gotteslästerung" unter Strafe stellte, findet sich noch im Jahr 2023 im Deutschen Strafgesetzbuch. Paragraf 166 StGB.

Meist hört man aber von Paragraf 166 StGB nur, wenn er einmal nicht angewandt wurde. 2012 lehnte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten schon die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Blogger ab, der die katholische Kirche als „Kinderficker-Sekte“ bezeichnet hatte. Vor dem Hintergrund der Missbrauchsskandale müsse die Kirche derartiges hinnehmen.

Auch die Mohammed-Karikaturen dürfen in Deutschland gezeigt werden, weil sie von der Kunstfreiheit geschützt sind, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin im Jahr 2012.

Besonders absurd war ein Ermittlungsverfahren gegen den Kabarettisten Dieter Nuhr. Ein Moslem aus Osnabrück hatte ihn wegen Beschimpfung des Islams angezeigt. Die Staatsanwaltschaft prüfte die Anzeige aber nur kurz und stellte nach einigen Tagen das Verfahren gleich wieder ein. Es handele sich bei Nuhrs Lästereien („die Hälfte der arabischen Patente sind wohl Steinigungsautomaten“) erkennbar um Satire.


Geschützt ist der öffentliche Frieden, nicht die Religion

Ist Blasphemie strafbar?

In Deutschland ist die Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen nach § 166 StGB strafbar, wenn die Äußerungen dazu geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. § 166 StGB schützt weder das religiöse Bekenntnis noch die Weltanschauung. Er schützt auch nicht das religiöse Empfinden oder die Inhalte der Religion oder der Weltanschauung.

Vielmehr soll er den öffentlichen Frieden schützen. Nur wenn eine Beschimpfung die "begründete Befürchtung rechtfertigt, dass das Vertrauen der Betroffenen in die Respektierung ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung beeinträchtigt oder dass die Intoleranz Dritter gegenüber den Anhängern des Bekenntnisses gefördert werden kann", kommt eine Strafbarkeit überhaupt nach § 166 StGB in Betracht.

Die Merkmale des Tatbestands schränken die Anwendung des  § 166 StGB so weit ein, dass es schlicht nicht zutrifft, dass sie Religionen pauschal vor harter Kritik schütze.

Strafbar macht sich nicht, wer andere Religionen oder Religionsgemeinschaften kritisiert. Auch nicht, wer sich über sie lustig macht. Es braucht vielmehr eine Beschimpfung.

Nicht bloß eine Herabsetzung, sondern vielmehr eine besonders gravierende herabsetzende Äußerung oder Verleumdung.

Mohammed-Karikaturen kein Fall für § 166 StGB

Damit ist auch klar: Die Mohammed-Karikaturen, welche die Redakteure von Charlie Hebdo am Mittwoch das Leben kosteten, wären nach dem Maßstab des § 166 StGB nicht zu beanstanden. Denn die Vorschrift stellt darauf ab, wie ein neutraler, auf Toleranz bedachter Betrachter die Äußerung verstehen würde. Es geht gerade nicht um die Sichtweise eines betroffenen, möglicherweise streng religiösen Anhänger des beschimpften Bekenntnisses.

Vor allem aber ist bei der Auslegung aller Vorschriften des deutschen Rechts die Verfassung zu berücksichtigen. Das gilt auch für § 166 StGB. Die Vorschrift ist bei Beschimpfungen durch zum Beispiel Satire restriktiv anzuwenden.

Satire darf nicht alles. Aber sie darf vieles, denn sie unterliegt dem Schutz der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG). Und auch, wenn dieses Grundrecht nicht uneingeschränkt gilt, muss es doch immer - auch bei einer Kollision mit anderen Grundrechten - abgewogen und einbezogen werden.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat im Jahr 2012 nicht einmal darüber diskutiert, ob Mohammed-Karikaturen unter das Grundrecht der Kunstfreiheit fallen. Sie während einer geplanten Demonstration zu zeigen, hielten die Verwaltungsrichter in Berlin für in Ordnung. Dass sich das "als Straftat im Sinne von § 166 StGB darstellen würde, drängt sich dem Senat (…) nicht auf" (Beschl. v. 17.08.2012, Az. OVG 1 S 117.12).  


Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

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