Den Tätern auf der Spur: LG Berlin bejaht Auskunftsanspruch von Renate Künast gegen Twitter

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(LG Berlin, Az. 27 O 433/19)

Die äußerungsrechtliche Angelegenheit um die Grünen-Politikerin Renate Künast erregte im vergangenen Jahr nicht nur große mediale Aufmerksamkeit, sondern vor allem auch die Gemüter vieler deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger. Hintergrund waren verschiedenste Äußerungen wie „Schlampe“, „Alte perverse Drecksau“, „geisteskrank“, „Drecks Fotze“ oder „Abartige“, die auf den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook von Nutzern verbreitet wurden. 

Um zivilrechtlich gegen die unbekannten Nutzer vorgehen zu können, versuchte Frau Künast durch ihre Rechtsanwaltskanzlei Twitter und Facebook im Rahmen zweier Gerichtsverfahren zur Herausgabe der hinterlegten Daten wie IP-Adressen, Name und E-Mail-Adresse zu veranlassen. 

Mit Beschluss vom 02.09.2019, Az. 27 O 433/19 und Beschluss vom 09.09.2019, Az. 27 AR 17/19 wies die Pressekammer des LG Berlin die Auskunstanträge von Frau Künast zurück. Ausschlaggebende Begründung war dabei, dass nach Ansicht der Richterinnen und Richter die streitgegenständlichen Äußerungen allesamt als zulässige Meinungsäußerungen zu qualifizieren seien. Die Grenze einer bloßen Schmähkritik oder Formalbeleidigung gemäß § 185 StGB sei aufgrund eines erkennbaren Sachzusammenhanges nicht gegeben. Gründungspartner RA Norman Buse (Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, LL.M.) war hierzu als Experte in der RTL-Sendung „Mario Barth räumt auf“ zu Gast.

Die Beschlüsse des LG Berlin wollte Frau Künast so nicht gegen sich gelten lassen und leitete daher entsprechende Beschwerdeverfahren ein. 

In dem Verfahren 27 O 433/19 gegen Twitter konnte Frau Künast Anfang Dezember des vergangenen Jahres einen ersten Teilerfolg verzeichnen. Nachdem das LG Berlin durch die eingelegte Beschwerde ihre Entscheidung nochmals geprüft hatte, kam man zumindest zu dem Ergebnis, dass in einem Falschzitat eine unwahre Tatsachenbehauptung liege, welches das Persönlichkeitsrechts von Frau Künast verletze. Hinsichtlich der anderen Äußerungen hielt das Gericht aber an seinem bisherigen Standpunkt fest, sodass das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. 

Auch in dem Verfahren gegen Facebook hat das erkennende Gericht aufgrund der eingeleiteten Beschwerde den Sachverhalt einer erneuten Überprüfung unterzogen und gelangt nunmehr zu dem Ergebnis, dass sechs der angegriffenen 22 Kommentare eine Formalbeleidigung gem. § 185 StGB darstellen (vgl. Abhilfebeschluss v. 21.01.2020, Az.: 27 AR 17/19) und gewährt Frau Künast in der Konsequenz einen Auskunftsanspruch. 

Zum rechtlichen Hintergrund:

Nach § 14 Abs. 3 TMG ist es einem Diensteanbieter wie Facebook oder Twitter im Einzelfall gestattet, Auskunft über die bei ihm vorhandenen Benutzerdaten zu erteilen, sofern dies zur Verfolgung und Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. 

Nach Auffassung des LG Frankfurt a.M. umfasst dies nicht nur die Bestandsdaten, sondern darüber hinaus auch Verkehrs- und Nutzerdaten (vgl. LG Frankfurt a. M, Beschluss v. 18.02.2019 – 2-03 O 174/18). In § 1 Abs. 3 NetzDG sind eine Reihe von Straftatbeständen wie § 185 StGB (Beleidigung), § 86 StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen), § 201 a StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) oder § 241 StGB (Bedrohung) aufgezählt. Zu den absolut geschützten Rechten zählt auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG. Ob dieses verletzt wurde, ist grundsätzlich anhand einer Abwägung der Interessen des Betroffenen mit dem Recht auf Meinungsfreiheit des Nutzers aus Art. 5 Abs. 1 GG zu treffen. 

Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass das Gericht im Rahmen des Anspruchs aus § 14 Abs. 3 TMG inzident prüft, ob ein äußerungsrechtlicher Unterlassungsanspruch besteht. In der neuesten Entscheidung zum Fall Künast betont das LG Berlin aber ausdrücklich, dass es auf mögliche Unterlassungsansprüche nicht ankommen könne, da der Auskunftsanspruch aus dem TMG abschließend geregelt sei und es somit entscheidend darauf ankomme, ob die in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Straftatbestände erfüllt sind. 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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