Der Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens

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1. Das Grundgesetz des Familienunternehmens

Der Gesellschaftsvertrag ist die grundlegende Vereinbarung zwischen den Familiengesellschaftern und dem Betrieb und damit sozusagen das Grundgesetz des Familienunternehmens. Der Gesellschaftsvertrag sollte daher mit größter Sorgfalt auf die individuelle Situation der Eigentümerfamilie maßgeschneidert und bei Veränderungen im Gesellschafterkreis wie Nachfolgen und Übertragungen auf seine Aktualität hin überprüft werden.

Dies gilt unabhängig von der Rechtsform, in der das Familienunternehmen organisiert ist. Die Ausführungen in diesem Artikel beziehen sich daher sowohl auf GmbH als auch auf Personengesellschaften, wie GbR, OHG, KG und GmbH & Co. KG, nur die besonderen Verhältnisse von Aktiengesellschaften (AG) bleiben vorliegend unberücksichtigt.

In diesem Beitrag geht es vorrangig um die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags. Einen Überblick zum Einsatz von (vermögensverwaltenden) Familiengesellschaften / Familienpools zu Zwecken der Nachfolgegestaltung finden Sie bitte in diesem Rechtstipp.

2. Ziele des Gesellschaftsvertrags

Charakteristisch für Familienunternehmen ist, dass Familie und Unternehmen zueinander in Beziehung treten. Hierdurch entstehen die besonderen Chancen und Risiken von Familienunternehmen. Der Gesellschaftsvertrag eines Familienunternehmens muss darauf ausgelegt sein, die spezifischen Gefahrenlagen von Familienunternehmen auszugleichen und abzufedern:

  1. Oberstes Ziel ist in der Regel der Erhalt des Unternehmens. Dies bedeutet im Grundsatz Vorrang des Unternehmens vor den Interessen einzelner Gesellschafter.
  2. Im Regelfall soll das Unternehmen in der Hand der Familie erhalten werden, das heißt unter Ausschluss der Beteiligung von Familienfremden zumindest auf Gesellschafterebene, sodass Anteilsübertragungen und Erbfälle besonders zu regeln sind.
  3. Der Gesellschaftsvertrag muss Vorsorge dagegen treffen, das tragische Ereignisse auf Ebene der Familiengesellschafter negativ auf das Unternehmen durchschlagen, z.B. Scheidungen von Familiengesellschaftern.
  4. Das Ausscheiden von Gesellschaftern muss zu angemessenen, für das Unternehmen und die verbleibenden Gesellschafter vertretbaren Konditionen geregelt werden.

3. Einzelne Regelungsbereiche

Die folgenden Ausführungen sollen eine Übersicht über einige der wichtigsten Regelungsbereiche in Gesellschaftsverträgen für Familienunternehmen geben:

a. Geschäftsführung

Gerade wenn das Unternehmen durch einen familienfremden Geschäftsführer geleitet wird, aber auch im Allgemeinen werden die Gesellschafter ein Mitspracherecht bei der Ausübung der Geschäftsführung fordern. Dabei kommen beispielhaft folgende Maßnahmen in Betracht:

  1. Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung wird beschränkt, es wird Gesamtvertretung angeordnet oder die Beschränkungen von § 181 BGB nicht aufgehoben.
  2. Besonders wichtige Maßnahmen bedürfen der vorherigen Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung - sog. zustimmungspflichtige Geschäfte. Diese können auch in einer separaten Geschäftsordnung für die Geschäftsführung geregelt werden.
  3. Einzelne Gesellschafter oder Gesellschafterstämme können ein Sonderrecht auf Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers erhalten.
  4. Die Gesellschafterversammlung muss die Jahresplanung genehmigen und den Jahresabschluss feststellen.
  5. Der Geschäftsführung können Berichtspflichten auferlegt werden, die Informationsrechte der Gesellschafter beinhalten, z.B. auf Erhalt der monatlichen BWA oder Quartalsberichte.
  6. Zur Überwachung der Geschäftsführung wird ein Beirat oder Gesellschafterausschuss eingesetzt.

b. Beschlussmehrheiten und Stimmrechte

Die für Gesellschafterbeschlüsse notwendigen Mehrheiten müssen an die konkreten Verhältnisse im Gesellschafterkreis angepasst werden. Vom Grundgedanken her sollten diese so ausgestaltet werden, dass die laufende Führung des Unternehmens nicht unangemessen blockiert werden kann, jedoch bei wichtigen Angelegenheiten ein hinreichender Minderheitenschutz gewährleistet wird. 

Dies kann bspw. dadurch erreicht werden, dass Maßnahmen wie Gewinnverwendung, Abschlussfeststellung und Entlastung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, jedoch bei außergewöhnlichen Ereignissen wie Geschäftsführerbestellung, Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen und Anteilsübertragungen eine qualifizierte Mehrheit von z.B. 75% erforderlich ist.

Im Regelfall folgt die Gewichtung des Stimmrechts dem Umfang der Beteiligung. Es sind jedoch auch hiervon abweichende Gestaltungen möglich, indem das Stimmrecht disquotal, d.h. losgelöst vom Kapitalanteil ausgestaltet wird. Denkbar sind insbesondere Mehrfachstimmrechte und Vetorechte zugunsten einzelner Gesellschafter.

c. Gewinnverteilung und Entnahmerechte

Bei Gewinnverwendung und Entnahmerechten ist stets darauf zu achten, dass dem Unternehmen hinreichend Liquidität verbleibt. Daher scheiden Vollausschüttungen im Normalfall aus. Häufig bietet es sich zum Schutz des Unternehmens an, dass ein bestimmter Prozentsatz des Ergebnisses thesauriert und der Kapitalrücklage zugeführt wird. Umgekehrt kann ein wirksamer Minderheitenschutz fordern, dass jährlich eine Mindestgewinnausschüttung auf die Anteile vorgenommen wird.

Regelmäßig wird der verteilungsfähige Gewinn entsprechend den Beteiligungsquoten an die Gesellschafter ausgeschüttet. Es können sich jedoch auch hiervon abweichende Gestaltungen anbieten in Form von disquotalen Gewinnrechten, etwa weil ein Gesellschafter besonders viel für das Unternehmen leistet oder zur Altersabsicherung.

Bei der Gestaltung der Entnahmerechte sollte insbesondere berücksichtigt werden, dass der Abzug von Liquidität das Unternehmen nicht in Zahlungsschwierigkeiten bringt und auf den Gesellschafterkonten grundsätzlich keine größeren Soll-Salden entstehen. Desweiteren können ggf. Regelungen sinnvoll sein über Gesellschafterdarlehen sowie "Zwangssparen" für die Zahlung von Ertrag- und Erbschaftsteuer.

d. Anteilsübertragung und Nachfolgeregelungen

In den meisten Fällen soll verhindert werden, dass Familienfremde unkontrolliert in den Gesellschafterkreis vorrücken können. Aus diesem Grund sollte die freie Übertragung von Gesellschaftsanteilen eingeschränkt werden - sog. Vinkulierung. Anteilsabtretungen bedürfen in diesem Fall der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung.

Hierbei kann geregelt werden, dass Anteile generell nur auf Familienmitglieder übertragen werden können. Umgekehrt können Ausnahmen von der Zustimmungspflicht eingeführt werden, indem z.B. Übertragungen auf Kinder und Mitgesellschafter zustimmungsfrei sind. Besonderer Überlegung bedarf dabei die Frage, ob Ehepartner bzw. eingetragene Lebenspartner Anteile besitzen dürfen und was mit den Anteilen im Fall einer Scheidung geschieht.

Ebenso wichtig sind Nachfolgeregelungen für den Erbfall. Diese bestimmen, welche Personen Erben eines Gesellschaftsanteils sein können, d.h. im Regelfall nur Familienmitglieder. Nicht nachfolgeberechtigte Erben sollten (gegen Zahlung einer Abfindung) aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können.

Flankierend hierzu sollten die Gesellschafter passende Testamente bzw. Erbverträge errichten, die mit den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen konform sind.

e. Abfindungsbeschränkungen

Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, z.B. aufgrund Kündigung, erhält er eine Abfindung vom Unternehmen. Wird nichts weiter geregelt, bekommt der Ausscheidende mach dem Gesetz den vollen Verkehrswert seiner Beteiligung. Dies ist bei Familienunternehmen häufig nicht gewollt, da das Ausscheidenden die Liquidität stark belastet

Zum Schutz des Unternehmens wird die Abfindung in der Praxis daher häufig beschränkt. Zulässig sind im Regelfall eine Beschränkung der Abfindung auf bis zu 60/65% des Verkehrswerts sowie eine Streckung der Auszahlung auf bis zu 5 Jahresraten.

Da die Bewertung des Unternehmens und die Berechnung der Abfindung sehr streitanfällig sind, sollte der Gesellschaftsvertrag vorsorglich die Bestimmung durch einen Schiedsgutachter vorsehen, können sich Gesellschafter und Gesellschaft nicht einigen.

f. Güterstand und Ehevertrag

Das eheliche Güterrecht kann vor allem im Falle einer Scheidung schwerwiegende Folgen für das Familienunternehmen haben. Denn im Rahmen eines Zugewinnausgleichs müssen die Zuwächse im Unternehmensvermögen ausgeglichen werden, was den Familiengesellschafter in ernste Zahlungsschwierigkeiten bringen und ihn dazu nötigen kann, seine Beteiligung jedenfalls teilweise zu liquidieren.

Um dies zu verhindern, sollte der Gesellschaftsvertrag eine Güterstandklausel enthalten, die vorschreibt, dass die Gesellschafter einen Ehevertrag abschließen müssen. Der Ehevertrag muss entweder eine modifizierte Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung vorsehen mit der Folge, dass das unternehmerische Vermögen keinem Zugewinnausgleich unterliegt. Zudem sollte der Ehevertrag einen auf das unternehmerische Vermögen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht enthalten, damit das Firmenvermögen nicht Gegenstand von Pflichtteilsansprüchen werden kann.

4. Beratung und Begleitung

Der Gesellschaftsvertrag kann als das Grundgesetz des Familienunternehmens bezeichnet werden. Viele Konflikte im Gesellschafterkreis und in der Familie können vermieden oder zumindest abgemildert werden, indem der Gesellschaftsvertrag angemessene Regeln aufstellt.

Wir besitzen umfassende Erfahrung bei der Beratung von Familienunternehmen und der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen. Gerne erarbeiten wir mit Ihnen eine für Ihre Familie passende Lösung. Bitte melden Sie sich jederzeit, wenn Sie eine Frage haben oder eine Beratung wünschen.


Mit besten Grüßen, RA Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.

Foto(s): Freudenberg Law


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